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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Siebentes Kapitel.
ritterschaft anschlossen. Die letztere nahm nun allerdings, so
lange die Reichsverfassung bestand, eine exceptionelle Stellung
ein, hat aber gegenwärtig ihre gemeinrechtliche Bedeutung ver-
loren, und ist für eine allgemeine Darstellung des geltenden
deutschen Adelsrechtes von untergeordneter Wichtigkeit; wir
können daher zunächst die landsässige Ritterschaft ausschließ-
lich ins Auge fassen. Diese aber war einer Landeshoheit un-
terworfen, und konnte politisch nur in der Territorialverfassung
eine Bedeutung gewinnen: das unterschied sie schon wesent-
lich vom Reichsadel. Es fehlte ihr ferner die genossenschaft-
liche Abgeschlossenheit der einzelnen Familien, und folgeweise
deren Autonomie; nur durch die corporative Verbindung der
ritterschaftlichen Geschlechter eines bestimmten Bezirkes ward
etwas Aehnliches erreicht, und die einzelnen Familien suchten
durch Ganerbschaften und die gesammte Hand im Lehenrecht,
so wie später durch Fideicommißstiftungen ein gemeinschaftliches
Vermögen zu constituiren, für welches namentlich die Unver-
äußerlichkeit und die Untheilbarkeit der Substanz in Anspruch
genommen ward. Doch stellt sich dieses Bestreben nur in
vereinzelten Erscheinungen heraus, ohne daß es mit dem We-
sen der Ritterschaft im nothwendigen Zusammenhange gestanden
hätte; diese war vielmehr im Allgemeinen auf Geburt, ritter-
liche Lebensart und einen entsprechenden Grundbesitz begrün-
det, jedoch so, daß das letztere Erforderniß oft überwog, inso-
fern die Lehnsfähigkeit nicht immer auf einen bestimmten Ge-
burtsstand beschränkt war, und der Inbegriff der roßdienstpflich-
tigen Vasallen in manchen Ländern den politisch berechtigten
Ritterstand ausmachte. Denn das Lehenrecht, welches nach
und nach die einzelnen Dienstrechte in sich aufnahm, war vor-
zugsweise für diese Verhältnisse normirend. -- Indessen hatte

Siebentes Kapitel.
ritterſchaft anſchloſſen. Die letztere nahm nun allerdings, ſo
lange die Reichsverfaſſung beſtand, eine exceptionelle Stellung
ein, hat aber gegenwaͤrtig ihre gemeinrechtliche Bedeutung ver-
loren, und iſt fuͤr eine allgemeine Darſtellung des geltenden
deutſchen Adelsrechtes von untergeordneter Wichtigkeit; wir
koͤnnen daher zunaͤchſt die landſaͤſſige Ritterſchaft ausſchließ-
lich ins Auge faſſen. Dieſe aber war einer Landeshoheit un-
terworfen, und konnte politiſch nur in der Territorialverfaſſung
eine Bedeutung gewinnen: das unterſchied ſie ſchon weſent-
lich vom Reichsadel. Es fehlte ihr ferner die genoſſenſchaft-
liche Abgeſchloſſenheit der einzelnen Familien, und folgeweiſe
deren Autonomie; nur durch die corporative Verbindung der
ritterſchaftlichen Geſchlechter eines beſtimmten Bezirkes ward
etwas Aehnliches erreicht, und die einzelnen Familien ſuchten
durch Ganerbſchaften und die geſammte Hand im Lehenrecht,
ſo wie ſpaͤter durch Fideicommißſtiftungen ein gemeinſchaftliches
Vermoͤgen zu conſtituiren, fuͤr welches namentlich die Unver-
aͤußerlichkeit und die Untheilbarkeit der Subſtanz in Anſpruch
genommen ward. Doch ſtellt ſich dieſes Beſtreben nur in
vereinzelten Erſcheinungen heraus, ohne daß es mit dem We-
ſen der Ritterſchaft im nothwendigen Zuſammenhange geſtanden
haͤtte; dieſe war vielmehr im Allgemeinen auf Geburt, ritter-
liche Lebensart und einen entſprechenden Grundbeſitz begruͤn-
det, jedoch ſo, daß das letztere Erforderniß oft uͤberwog, inſo-
fern die Lehnsfaͤhigkeit nicht immer auf einen beſtimmten Ge-
burtsſtand beſchraͤnkt war, und der Inbegriff der roßdienſtpflich-
tigen Vaſallen in manchen Laͤndern den politiſch berechtigten
Ritterſtand ausmachte. Denn das Lehenrecht, welches nach
und nach die einzelnen Dienſtrechte in ſich aufnahm, war vor-
zugsweiſe fuͤr dieſe Verhaͤltniſſe normirend. — Indeſſen hatte

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[202/0214] Siebentes Kapitel. ritterſchaft anſchloſſen. Die letztere nahm nun allerdings, ſo lange die Reichsverfaſſung beſtand, eine exceptionelle Stellung ein, hat aber gegenwaͤrtig ihre gemeinrechtliche Bedeutung ver- loren, und iſt fuͤr eine allgemeine Darſtellung des geltenden deutſchen Adelsrechtes von untergeordneter Wichtigkeit; wir koͤnnen daher zunaͤchſt die landſaͤſſige Ritterſchaft ausſchließ- lich ins Auge faſſen. Dieſe aber war einer Landeshoheit un- terworfen, und konnte politiſch nur in der Territorialverfaſſung eine Bedeutung gewinnen: das unterſchied ſie ſchon weſent- lich vom Reichsadel. Es fehlte ihr ferner die genoſſenſchaft- liche Abgeſchloſſenheit der einzelnen Familien, und folgeweiſe deren Autonomie; nur durch die corporative Verbindung der ritterſchaftlichen Geſchlechter eines beſtimmten Bezirkes ward etwas Aehnliches erreicht, und die einzelnen Familien ſuchten durch Ganerbſchaften und die geſammte Hand im Lehenrecht, ſo wie ſpaͤter durch Fideicommißſtiftungen ein gemeinſchaftliches Vermoͤgen zu conſtituiren, fuͤr welches namentlich die Unver- aͤußerlichkeit und die Untheilbarkeit der Subſtanz in Anſpruch genommen ward. Doch ſtellt ſich dieſes Beſtreben nur in vereinzelten Erſcheinungen heraus, ohne daß es mit dem We- ſen der Ritterſchaft im nothwendigen Zuſammenhange geſtanden haͤtte; dieſe war vielmehr im Allgemeinen auf Geburt, ritter- liche Lebensart und einen entſprechenden Grundbeſitz begruͤn- det, jedoch ſo, daß das letztere Erforderniß oft uͤberwog, inſo- fern die Lehnsfaͤhigkeit nicht immer auf einen beſtimmten Ge- burtsſtand beſchraͤnkt war, und der Inbegriff der roßdienſtpflich- tigen Vaſallen in manchen Laͤndern den politiſch berechtigten Ritterſtand ausmachte. Denn das Lehenrecht, welches nach und nach die einzelnen Dienſtrechte in ſich aufnahm, war vor- zugsweiſe fuͤr dieſe Verhaͤltniſſe normirend. — Indeſſen hatte

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/214>, abgerufen am 22.11.2024.