Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Siebentes Kapitel. als das Princip der gemeinen Freiheit in seiner einheitlichenKraft gebrochen war, ist wieder durch die im Staate ausge- prägte Idee des gemeinsamen politischen Lebens besiegt wor- den; das Ständewesen in seiner früheren ausschließlichen Herr- schaft ist zu Grabe getragen, und was sich von demselben noch erhalten hat, darf doch nur auf eine beschränkte Geltung An- spruch machen, da es nur neben und in der Gesammtheit, nicht aber im Conflict mit dieser bestehen kann. Nur insofern hat es noch in Deutschland eine gewisse Selbständigkeit bewahrt, als es bloß der Entwickelung des staatlichen Princips hat weichen müssen, nicht aber dem einer rein nationalen Durchbil- dung dienstbar geworden ist. Bei einer Darstellung des Ständerechts kommt es nun Siebentes Kapitel. als das Princip der gemeinen Freiheit in ſeiner einheitlichenKraft gebrochen war, iſt wieder durch die im Staate ausge- praͤgte Idee des gemeinſamen politiſchen Lebens beſiegt wor- den; das Staͤndeweſen in ſeiner fruͤheren ausſchließlichen Herr- ſchaft iſt zu Grabe getragen, und was ſich von demſelben noch erhalten hat, darf doch nur auf eine beſchraͤnkte Geltung An- ſpruch machen, da es nur neben und in der Geſammtheit, nicht aber im Conflict mit dieſer beſtehen kann. Nur inſofern hat es noch in Deutſchland eine gewiſſe Selbſtaͤndigkeit bewahrt, als es bloß der Entwickelung des ſtaatlichen Princips hat weichen muͤſſen, nicht aber dem einer rein nationalen Durchbil- dung dienſtbar geworden iſt. Bei einer Darſtellung des Staͤnderechts kommt es nun <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0210" n="198"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Kapitel</hi>.</fw><lb/> als das Princip der gemeinen Freiheit in ſeiner einheitlichen<lb/> Kraft gebrochen war, iſt wieder durch die im Staate ausge-<lb/> praͤgte Idee des gemeinſamen politiſchen Lebens beſiegt wor-<lb/> den; das Staͤndeweſen in ſeiner fruͤheren ausſchließlichen Herr-<lb/> ſchaft iſt zu Grabe getragen, und was ſich von demſelben noch<lb/> erhalten hat, darf doch nur auf eine beſchraͤnkte Geltung An-<lb/> ſpruch machen, da es nur neben und in der Geſammtheit, nicht<lb/> aber im Conflict mit dieſer beſtehen kann. Nur inſofern hat<lb/> es noch in Deutſchland eine gewiſſe Selbſtaͤndigkeit bewahrt,<lb/> als es bloß der Entwickelung des ſtaatlichen Princips hat<lb/> weichen muͤſſen, nicht aber dem einer rein nationalen Durchbil-<lb/> dung dienſtbar geworden iſt.</p><lb/> <p>Bei einer Darſtellung des Staͤnderechts kommt es nun<lb/> darauf an, das demſelben Eigenthuͤmliche beſtimmt hervorzu-<lb/> heben, und zugleich die Grenze zu bezeichnen, wo ſeine Herr-<lb/> ſchaft aufhoͤrt, und es in den hoͤheren Begriff des Staatsbuͤr-<lb/> gerthums und des gemeinen Landrechts aufgeht. Wenn das<lb/> Staͤndeweſen in dieſer doppelten Beziehung betrachtet, und<lb/> nicht bloß in einzelnen poſitiven Inſtituten, ſondern als eine<lb/> Seite des nationalen Rechtslebens der Gegenwart aufgefaßt<lb/> wird, ſo wird ſich auch beſtimmen laſſen, inwiefern ſich darin<lb/> noch wirkliches Volksrecht abſpiegelt, oder es nur als ein ver-<lb/> kuͤmmerter Ueberreſt abgeſtorbener Zuſtaͤnde und Verhaͤltniſſe<lb/> daſteht. Zu der großen Schwierigkeit, mit welcher eine ſolche<lb/> Darſtellung im Allgemeinen zu kaͤmpfen hat, kommt aber noch<lb/> der beſondere Umſtand hinzu, daß ſich gerade in dieſer Lehre<lb/> die politiſche Anſchauung mit der juriſtiſchen leicht vermiſchen,<lb/> ja die letztere ganz uͤberwaͤltigen wird. Das ernſte Streben,<lb/> das geltende Recht in ſeiner poſitiven Beſtimmtheit unbefan-<lb/> gen aufzufaſſen, wird gegen die einſeitige Vernachlaͤſſigung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0210]
Siebentes Kapitel.
als das Princip der gemeinen Freiheit in ſeiner einheitlichen
Kraft gebrochen war, iſt wieder durch die im Staate ausge-
praͤgte Idee des gemeinſamen politiſchen Lebens beſiegt wor-
den; das Staͤndeweſen in ſeiner fruͤheren ausſchließlichen Herr-
ſchaft iſt zu Grabe getragen, und was ſich von demſelben noch
erhalten hat, darf doch nur auf eine beſchraͤnkte Geltung An-
ſpruch machen, da es nur neben und in der Geſammtheit, nicht
aber im Conflict mit dieſer beſtehen kann. Nur inſofern hat
es noch in Deutſchland eine gewiſſe Selbſtaͤndigkeit bewahrt,
als es bloß der Entwickelung des ſtaatlichen Princips hat
weichen muͤſſen, nicht aber dem einer rein nationalen Durchbil-
dung dienſtbar geworden iſt.
Bei einer Darſtellung des Staͤnderechts kommt es nun
darauf an, das demſelben Eigenthuͤmliche beſtimmt hervorzu-
heben, und zugleich die Grenze zu bezeichnen, wo ſeine Herr-
ſchaft aufhoͤrt, und es in den hoͤheren Begriff des Staatsbuͤr-
gerthums und des gemeinen Landrechts aufgeht. Wenn das
Staͤndeweſen in dieſer doppelten Beziehung betrachtet, und
nicht bloß in einzelnen poſitiven Inſtituten, ſondern als eine
Seite des nationalen Rechtslebens der Gegenwart aufgefaßt
wird, ſo wird ſich auch beſtimmen laſſen, inwiefern ſich darin
noch wirkliches Volksrecht abſpiegelt, oder es nur als ein ver-
kuͤmmerter Ueberreſt abgeſtorbener Zuſtaͤnde und Verhaͤltniſſe
daſteht. Zu der großen Schwierigkeit, mit welcher eine ſolche
Darſtellung im Allgemeinen zu kaͤmpfen hat, kommt aber noch
der beſondere Umſtand hinzu, daß ſich gerade in dieſer Lehre
die politiſche Anſchauung mit der juriſtiſchen leicht vermiſchen,
ja die letztere ganz uͤberwaͤltigen wird. Das ernſte Streben,
das geltende Recht in ſeiner poſitiven Beſtimmtheit unbefan-
gen aufzufaſſen, wird gegen die einſeitige Vernachlaͤſſigung
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