Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Sechstes Kapitel. die Formlosigkeit der Verträge, welche nach heutigem gemeinenRechte als Regel gilt, vom Standpuncte der Rechtssicherheit aus anfechten. Auch verliert dieser, von v. Savigny hervor- gehobene Grund seine beweisende Kraft dadurch, daß (a. a. O. S. 275) angenommen wird, die Staatsgenehmigung könne "auch stillschweigend, durch wissentliche Duldung und thatsäch- liche Anerkennung, ertheilt werden." Denn wenn dieses der Fall ist, so tritt ja gerade die formelle Bedeutung der Staats- genehmigung, die nur bei deren ausdrücklicher Ertheilung ge- wahrt werden könnte, ganz in den Hintergrund. Außerdem aber fragt es sich, ob nicht die Rechtssicherheit eben so gut und noch besser auf andere Weise zu erlangen seyn sollte, z. B. durch die Vorschrift, daß jede Constituirung einer juristischen Person bei der Ortsobrigkeit anzuzeigen und durch öffentliche Blätter bekannt zu machen sey. Denn wenn selbst die Staats- genehmigung nicht gehörig veröffentlicht würde, so dürfte der Rechtssicherheit damit doch nur auf beschränkte Weise gehol- fen seyn, -- namentlich in Beziehung auf das größere Pu- blicum; denn dem Richter fehlt es auch ohne dieß nicht an Anhaltspuncten, die rechtliche Natur solcher Vereine zu erfor- schen, und nöthigenfalls kann er ja zu einer Beweisauflage schreiten. 4. Es bleibt jetzt nur noch zu erwägen, ob es Gründe Sechſtes Kapitel. die Formloſigkeit der Vertraͤge, welche nach heutigem gemeinenRechte als Regel gilt, vom Standpuncte der Rechtsſicherheit aus anfechten. Auch verliert dieſer, von v. Savigny hervor- gehobene Grund ſeine beweiſende Kraft dadurch, daß (a. a. O. S. 275) angenommen wird, die Staatsgenehmigung koͤnne „auch ſtillſchweigend, durch wiſſentliche Duldung und thatſaͤch- liche Anerkennung, ertheilt werden.“ Denn wenn dieſes der Fall iſt, ſo tritt ja gerade die formelle Bedeutung der Staats- genehmigung, die nur bei deren ausdruͤcklicher Ertheilung ge- wahrt werden koͤnnte, ganz in den Hintergrund. Außerdem aber fragt es ſich, ob nicht die Rechtsſicherheit eben ſo gut und noch beſſer auf andere Weiſe zu erlangen ſeyn ſollte, z. B. durch die Vorſchrift, daß jede Conſtituirung einer juriſtiſchen Perſon bei der Ortsobrigkeit anzuzeigen und durch oͤffentliche Blaͤtter bekannt zu machen ſey. Denn wenn ſelbſt die Staats- genehmigung nicht gehoͤrig veroͤffentlicht wuͤrde, ſo duͤrfte der Rechtsſicherheit damit doch nur auf beſchraͤnkte Weiſe gehol- fen ſeyn, — namentlich in Beziehung auf das groͤßere Pu- blicum; denn dem Richter fehlt es auch ohne dieß nicht an Anhaltspuncten, die rechtliche Natur ſolcher Vereine zu erfor- ſchen, und noͤthigenfalls kann er ja zu einer Beweisauflage ſchreiten. 4. Es bleibt jetzt nur noch zu erwaͤgen, ob es Gruͤnde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0188" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechſtes Kapitel</hi>.</fw><lb/> die Formloſigkeit der Vertraͤge, welche nach heutigem gemeinen<lb/> Rechte als Regel gilt, vom Standpuncte der Rechtsſicherheit<lb/> aus anfechten. Auch verliert dieſer, von v. Savigny hervor-<lb/> gehobene Grund ſeine beweiſende Kraft dadurch, daß (a. a. O.<lb/> S. 275) angenommen wird, die Staatsgenehmigung koͤnne<lb/> „auch ſtillſchweigend, durch wiſſentliche Duldung und thatſaͤch-<lb/> liche Anerkennung, ertheilt werden.“ Denn wenn dieſes der<lb/> Fall iſt, ſo tritt ja gerade die formelle Bedeutung der Staats-<lb/> genehmigung, die nur bei deren ausdruͤcklicher Ertheilung ge-<lb/> wahrt werden koͤnnte, ganz in den Hintergrund. Außerdem<lb/> aber fragt es ſich, ob nicht die Rechtsſicherheit eben ſo gut und<lb/> noch beſſer auf andere Weiſe zu erlangen ſeyn ſollte, z. B.<lb/> durch die Vorſchrift, daß jede Conſtituirung einer juriſtiſchen<lb/> Perſon bei der Ortsobrigkeit anzuzeigen und durch oͤffentliche<lb/> Blaͤtter bekannt zu machen ſey. Denn wenn ſelbſt die Staats-<lb/> genehmigung nicht gehoͤrig veroͤffentlicht wuͤrde, ſo duͤrfte der<lb/> Rechtsſicherheit damit doch nur auf beſchraͤnkte Weiſe gehol-<lb/> fen ſeyn, — namentlich in Beziehung auf das groͤßere Pu-<lb/> blicum; denn dem Richter fehlt es auch ohne dieß nicht an<lb/> Anhaltspuncten, die rechtliche Natur ſolcher Vereine zu erfor-<lb/> ſchen, und noͤthigenfalls kann er ja zu einer Beweisauflage<lb/> ſchreiten.</p><lb/> <p>4. Es bleibt jetzt nur noch zu erwaͤgen, ob es Gruͤnde<lb/> giebt, welche vom Standpuncte des modernen Staates aus<lb/> und im Intereſſe des oͤffentlichen Wohls die Staatsgenehmi-<lb/> gung der Genoſſenſchaft als durchaus nothwendig erſcheinen<lb/> laſſen. Daß dieſes nun ganz allgemein fuͤr alle Inſtitute die-<lb/> ſer Art der Fall ſey, laͤßt ſich nicht behaupten. Denn es muß,<lb/> im Gegenſatz zu der in Deutſchland ſo uͤbertriebenen Bevor-<lb/> mundung freier Buͤrger durch die Staatsgewalt, der Grund-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0188]
Sechſtes Kapitel.
die Formloſigkeit der Vertraͤge, welche nach heutigem gemeinen
Rechte als Regel gilt, vom Standpuncte der Rechtsſicherheit
aus anfechten. Auch verliert dieſer, von v. Savigny hervor-
gehobene Grund ſeine beweiſende Kraft dadurch, daß (a. a. O.
S. 275) angenommen wird, die Staatsgenehmigung koͤnne
„auch ſtillſchweigend, durch wiſſentliche Duldung und thatſaͤch-
liche Anerkennung, ertheilt werden.“ Denn wenn dieſes der
Fall iſt, ſo tritt ja gerade die formelle Bedeutung der Staats-
genehmigung, die nur bei deren ausdruͤcklicher Ertheilung ge-
wahrt werden koͤnnte, ganz in den Hintergrund. Außerdem
aber fragt es ſich, ob nicht die Rechtsſicherheit eben ſo gut und
noch beſſer auf andere Weiſe zu erlangen ſeyn ſollte, z. B.
durch die Vorſchrift, daß jede Conſtituirung einer juriſtiſchen
Perſon bei der Ortsobrigkeit anzuzeigen und durch oͤffentliche
Blaͤtter bekannt zu machen ſey. Denn wenn ſelbſt die Staats-
genehmigung nicht gehoͤrig veroͤffentlicht wuͤrde, ſo duͤrfte der
Rechtsſicherheit damit doch nur auf beſchraͤnkte Weiſe gehol-
fen ſeyn, — namentlich in Beziehung auf das groͤßere Pu-
blicum; denn dem Richter fehlt es auch ohne dieß nicht an
Anhaltspuncten, die rechtliche Natur ſolcher Vereine zu erfor-
ſchen, und noͤthigenfalls kann er ja zu einer Beweisauflage
ſchreiten.
4. Es bleibt jetzt nur noch zu erwaͤgen, ob es Gruͤnde
giebt, welche vom Standpuncte des modernen Staates aus
und im Intereſſe des oͤffentlichen Wohls die Staatsgenehmi-
gung der Genoſſenſchaft als durchaus nothwendig erſcheinen
laſſen. Daß dieſes nun ganz allgemein fuͤr alle Inſtitute die-
ſer Art der Fall ſey, laͤßt ſich nicht behaupten. Denn es muß,
im Gegenſatz zu der in Deutſchland ſo uͤbertriebenen Bevor-
mundung freier Buͤrger durch die Staatsgewalt, der Grund-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |