mir nicht versagen kann, die Worte des würdigen Mannes hier anzuführen*).
"Mit dem weltlichen Regimente in der Kirche, oder der hier zu Lande (in der Mark) herrschenden, sogenannten Re- gierungs-Consistorial-Verfassung, konnte ich mich nicht be- freunden. Ich kannte in vieljähriger früherer Erfahrung und Praxis die bessere, die Presbyterial-Synodal-Verfassung, wie sie von der Reformation an in der evangelischen Kirche in meinem Vaterlande, in der Grafschaft Mark, Cleve, Jü- lich und Berg, im Segen bestanden hat und bestehet. In dieser liegt das Kirchen-Regiment in der Kirche selbst, in den Gemeinden und ihrer unmittelbaren thätigen Theilnahme an allen ihren Angelegenheiten. In jener befinden sich die Gemeinden im Zustande der Passivität, da Alles was ge- schehen soll, von der Behörde vorgeschrieben und befohlen wird. Wenn jene ein lebendiges Interesse weckt und nährt, so erzeugt diese nothwendig Indifferentismus; denn wo nichts Gemeinschaftliches in der Fürsorge und Pflege ist, da kann auch keine Gemeinschaft in der Sache sein. Was sich uns nicht mittheilt und unsere Theilnahme nicht in Anspruch nimmt, daran nehmen wir kein Interesse, haben kein's und können kein's haben. Wenn jene, in freier selbst- gehaltener Wahl der Prediger und Schullehrer, die Gemein- den, ihre Aeltesten, Diakonen (Armenvorsteher) und alle Fa- milienväter elektrisirt und in Thätigkeit setzt, so daß sie in dem Gewählten den für sie passenden, ansprechenden Mann ihrer Wahlverwandtschaft ehren, lieben, hegen und pflegen,
*) S. R. Fr. Eylert, Charakter-Züge und historische Fragmente aus dem Leben des Königs v. Preußen Friedrich Wilhelm III. Th. I. S. 153 ff.
Das Volksrecht als gemeines Landrecht.
mir nicht verſagen kann, die Worte des wuͤrdigen Mannes hier anzufuͤhren*).
„Mit dem weltlichen Regimente in der Kirche, oder der hier zu Lande (in der Mark) herrſchenden, ſogenannten Re- gierungs-Conſiſtorial-Verfaſſung, konnte ich mich nicht be- freunden. Ich kannte in vieljaͤhriger fruͤherer Erfahrung und Praxis die beſſere, die Presbyterial-Synodal-Verfaſſung, wie ſie von der Reformation an in der evangeliſchen Kirche in meinem Vaterlande, in der Grafſchaft Mark, Cleve, Juͤ- lich und Berg, im Segen beſtanden hat und beſtehet. In dieſer liegt das Kirchen-Regiment in der Kirche ſelbſt, in den Gemeinden und ihrer unmittelbaren thaͤtigen Theilnahme an allen ihren Angelegenheiten. In jener befinden ſich die Gemeinden im Zuſtande der Paſſivitaͤt, da Alles was ge- ſchehen ſoll, von der Behoͤrde vorgeſchrieben und befohlen wird. Wenn jene ein lebendiges Intereſſe weckt und naͤhrt, ſo erzeugt dieſe nothwendig Indifferentismus; denn wo nichts Gemeinſchaftliches in der Fuͤrſorge und Pflege iſt, da kann auch keine Gemeinſchaft in der Sache ſein. Was ſich uns nicht mittheilt und unſere Theilnahme nicht in Anſpruch nimmt, daran nehmen wir kein Intereſſe, haben kein’s und koͤnnen kein’s haben. Wenn jene, in freier ſelbſt- gehaltener Wahl der Prediger und Schullehrer, die Gemein- den, ihre Aelteſten, Diakonen (Armenvorſteher) und alle Fa- milienvaͤter elektriſirt und in Thaͤtigkeit ſetzt, ſo daß ſie in dem Gewaͤhlten den fuͤr ſie paſſenden, anſprechenden Mann ihrer Wahlverwandtſchaft ehren, lieben, hegen und pflegen,
*) S. R. Fr. Eylert, Charakter-Zuͤge und hiſtoriſche Fragmente aus dem Leben des Koͤnigs v. Preußen Friedrich Wilhelm III. Th. I. S. 153 ff.
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Das Volksrecht als gemeines Landrecht.
mir nicht verſagen kann, die Worte des wuͤrdigen Mannes
hier anzufuͤhren *).
„Mit dem weltlichen Regimente in der Kirche, oder der
hier zu Lande (in der Mark) herrſchenden, ſogenannten Re-
gierungs-Conſiſtorial-Verfaſſung, konnte ich mich nicht be-
freunden. Ich kannte in vieljaͤhriger fruͤherer Erfahrung und
Praxis die beſſere, die Presbyterial-Synodal-Verfaſſung,
wie ſie von der Reformation an in der evangeliſchen Kirche
in meinem Vaterlande, in der Grafſchaft Mark, Cleve, Juͤ-
lich und Berg, im Segen beſtanden hat und beſtehet. In
dieſer liegt das Kirchen-Regiment in der Kirche ſelbſt, in
den Gemeinden und ihrer unmittelbaren thaͤtigen Theilnahme
an allen ihren Angelegenheiten. In jener befinden ſich die
Gemeinden im Zuſtande der Paſſivitaͤt, da Alles was ge-
ſchehen ſoll, von der Behoͤrde vorgeſchrieben und befohlen
wird. Wenn jene ein lebendiges Intereſſe weckt und naͤhrt,
ſo erzeugt dieſe nothwendig Indifferentismus; denn wo
nichts Gemeinſchaftliches in der Fuͤrſorge und Pflege iſt,
da kann auch keine Gemeinſchaft in der Sache ſein. Was
ſich uns nicht mittheilt und unſere Theilnahme nicht in
Anſpruch nimmt, daran nehmen wir kein Intereſſe, haben
kein’s und koͤnnen kein’s haben. Wenn jene, in freier ſelbſt-
gehaltener Wahl der Prediger und Schullehrer, die Gemein-
den, ihre Aelteſten, Diakonen (Armenvorſteher) und alle Fa-
milienvaͤter elektriſirt und in Thaͤtigkeit ſetzt, ſo daß ſie in
dem Gewaͤhlten den fuͤr ſie paſſenden, anſprechenden Mann
ihrer Wahlverwandtſchaft ehren, lieben, hegen und pflegen,
*) S. R. Fr. Eylert, Charakter-Zuͤge und hiſtoriſche Fragmente aus
dem Leben des Koͤnigs v. Preußen Friedrich Wilhelm III. Th. I. S. 153
ff.
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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/167>, abgerufen am 16.02.2025.
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