Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Viertes Kapitel. durch ihre äußere Lage und ihre Geschäfte in einer fortdauern-den Berührung mit dem practischen Leben stehen, und erst durch die Erfahrung sich für dasselbe die gehörige Sicherheit und Einsicht erwerben. Das ist gleichmäßig der Fall bei den Instituten, welche dem öffentlichen Recht angehören, oder den Grundbesitz betreffen, oder auf die Verhältnisse der Gewerbe und des Verkehrs sich beziehen; ja selbst da, wo eine weitere Betheiligung der Einzelnen statt findet, wird sich nach dem verschiedenen Grade, in welchem es der Fall ist, eine dem Um- fange nach verschiedene Rechtskunde ergeben. Man nehme nur das Familienrecht, und denke sich hier die besondere Stel- lung des Hausvaters, der Frau, der Söhne und Töchter. Selbst wenn hier noch die schöne, einfache Idee des deutschen Familienrechts, welche sich in dem Mundium darstellt, rein zur Anwendung käme, und das Recht und die Pflicht des Schutzes über Personen und Sachen in den verschiedenen Beziehungen dem Bewußtseyn der Betheiligten klar vorläge; so würde man doch wohl zunächst beim Hausvater das vollkommene Ver- ständniß der Verhältnisse erwarten, wenn auch die andern Fa- milienglieder die sie betreffende Seite derselben genau kennen, und mehr oder weniger mit dem Ganzen vertraut seyn sollten. Wir dürfen daher annehmen, daß die umfassende und le- Viertes Kapitel. durch ihre aͤußere Lage und ihre Geſchaͤfte in einer fortdauern-den Beruͤhrung mit dem practiſchen Leben ſtehen, und erſt durch die Erfahrung ſich fuͤr daſſelbe die gehoͤrige Sicherheit und Einſicht erwerben. Das iſt gleichmaͤßig der Fall bei den Inſtituten, welche dem oͤffentlichen Recht angehoͤren, oder den Grundbeſitz betreffen, oder auf die Verhaͤltniſſe der Gewerbe und des Verkehrs ſich beziehen; ja ſelbſt da, wo eine weitere Betheiligung der Einzelnen ſtatt findet, wird ſich nach dem verſchiedenen Grade, in welchem es der Fall iſt, eine dem Um- fange nach verſchiedene Rechtskunde ergeben. Man nehme nur das Familienrecht, und denke ſich hier die beſondere Stel- lung des Hausvaters, der Frau, der Soͤhne und Toͤchter. Selbſt wenn hier noch die ſchoͤne, einfache Idee des deutſchen Familienrechts, welche ſich in dem Mundium darſtellt, rein zur Anwendung kaͤme, und das Recht und die Pflicht des Schutzes uͤber Perſonen und Sachen in den verſchiedenen Beziehungen dem Bewußtſeyn der Betheiligten klar vorlaͤge; ſo wuͤrde man doch wohl zunaͤchſt beim Hausvater das vollkommene Ver- ſtaͤndniß der Verhaͤltniſſe erwarten, wenn auch die andern Fa- milienglieder die ſie betreffende Seite derſelben genau kennen, und mehr oder weniger mit dem Ganzen vertraut ſeyn ſollten. Wir duͤrfen daher annehmen, daß die umfaſſende und le- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0130" n="118"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Kapitel</hi>.</fw><lb/> durch ihre aͤußere Lage und ihre Geſchaͤfte in einer fortdauern-<lb/> den Beruͤhrung mit dem practiſchen Leben ſtehen, und erſt<lb/> durch die Erfahrung ſich fuͤr daſſelbe die gehoͤrige Sicherheit<lb/> und Einſicht erwerben. Das iſt gleichmaͤßig der Fall bei den<lb/> Inſtituten, welche dem oͤffentlichen Recht angehoͤren, oder den<lb/> Grundbeſitz betreffen, oder auf die Verhaͤltniſſe der Gewerbe<lb/> und des Verkehrs ſich beziehen; ja ſelbſt da, wo eine weitere<lb/> Betheiligung der Einzelnen ſtatt findet, wird ſich nach dem<lb/> verſchiedenen Grade, in welchem es der Fall iſt, eine dem Um-<lb/> fange nach verſchiedene Rechtskunde ergeben. Man nehme<lb/> nur das Familienrecht, und denke ſich hier die beſondere Stel-<lb/> lung des Hausvaters, der Frau, der Soͤhne und Toͤchter.<lb/> Selbſt wenn hier noch die ſchoͤne, einfache Idee des deutſchen<lb/> Familienrechts, welche ſich in dem Mundium darſtellt, rein zur<lb/> Anwendung kaͤme, und das Recht und die Pflicht des Schutzes<lb/> uͤber Perſonen und Sachen in den verſchiedenen Beziehungen<lb/> dem Bewußtſeyn der Betheiligten klar vorlaͤge; ſo wuͤrde man<lb/> doch wohl zunaͤchſt beim Hausvater das vollkommene Ver-<lb/> ſtaͤndniß der Verhaͤltniſſe erwarten, wenn auch die andern Fa-<lb/> milienglieder die ſie betreffende Seite derſelben genau kennen,<lb/> und mehr oder weniger mit dem Ganzen vertraut ſeyn ſollten.</p><lb/> <p>Wir duͤrfen daher annehmen, daß die umfaſſende und le-<lb/> bendige Rechtskunde im Volke nicht bei Allen gleichmaͤßig ſich<lb/> finden kann, und daß gewiſſe Claſſen und Perſonen in dieſer<lb/> Beziehung als die Vertreter der Geſammtheit ſich herausſtel-<lb/> len. Es bedarf auch keiner weiteren Ausfuͤhrung, daß dieß<lb/> ein ganz anderes Verhaͤltniß iſt, als wenn ein beſonderer Ju-<lb/> riſtenſtand die ausſchließliche Herrſchaft uͤber das Recht aus-<lb/> uͤbt; denn wir denken uns hier die Kunde deſſelben nicht auf<lb/> diejenigen beſchraͤnkt, welche durch Studium und Berufswahl<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0130]
Viertes Kapitel.
durch ihre aͤußere Lage und ihre Geſchaͤfte in einer fortdauern-
den Beruͤhrung mit dem practiſchen Leben ſtehen, und erſt
durch die Erfahrung ſich fuͤr daſſelbe die gehoͤrige Sicherheit
und Einſicht erwerben. Das iſt gleichmaͤßig der Fall bei den
Inſtituten, welche dem oͤffentlichen Recht angehoͤren, oder den
Grundbeſitz betreffen, oder auf die Verhaͤltniſſe der Gewerbe
und des Verkehrs ſich beziehen; ja ſelbſt da, wo eine weitere
Betheiligung der Einzelnen ſtatt findet, wird ſich nach dem
verſchiedenen Grade, in welchem es der Fall iſt, eine dem Um-
fange nach verſchiedene Rechtskunde ergeben. Man nehme
nur das Familienrecht, und denke ſich hier die beſondere Stel-
lung des Hausvaters, der Frau, der Soͤhne und Toͤchter.
Selbſt wenn hier noch die ſchoͤne, einfache Idee des deutſchen
Familienrechts, welche ſich in dem Mundium darſtellt, rein zur
Anwendung kaͤme, und das Recht und die Pflicht des Schutzes
uͤber Perſonen und Sachen in den verſchiedenen Beziehungen
dem Bewußtſeyn der Betheiligten klar vorlaͤge; ſo wuͤrde man
doch wohl zunaͤchſt beim Hausvater das vollkommene Ver-
ſtaͤndniß der Verhaͤltniſſe erwarten, wenn auch die andern Fa-
milienglieder die ſie betreffende Seite derſelben genau kennen,
und mehr oder weniger mit dem Ganzen vertraut ſeyn ſollten.
Wir duͤrfen daher annehmen, daß die umfaſſende und le-
bendige Rechtskunde im Volke nicht bei Allen gleichmaͤßig ſich
finden kann, und daß gewiſſe Claſſen und Perſonen in dieſer
Beziehung als die Vertreter der Geſammtheit ſich herausſtel-
len. Es bedarf auch keiner weiteren Ausfuͤhrung, daß dieß
ein ganz anderes Verhaͤltniß iſt, als wenn ein beſonderer Ju-
riſtenſtand die ausſchließliche Herrſchaft uͤber das Recht aus-
uͤbt; denn wir denken uns hier die Kunde deſſelben nicht auf
diejenigen beſchraͤnkt, welche durch Studium und Berufswahl
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