C. Die Strafen der Uebertretungen (peines de police) sind:
1) Gefängniß, ein bis fünf Tage.
2) Die Geldbuße, ein bis fünf Franken.
3) Die Konfiskation gewisser in Beschlag genommener Ge- genstände.
Neben diesen in den beiden Gesetzbüchern aufgestellten Strafarten lassen sich die des gemeinen deutschen Strafrechts nicht wohl einzeln aufführen. Die in den gemeinrechtlichen Quellen angeordneten Strafen sollten eigentlich, insofern man sie als die im Gesetz bestimmten an- zusehen hat, auch jetzt noch zur Anwendung kommen. Aber die Strafen des Römischen Rechts sind schon, soweit sie nicht ausführbar waren, in Deutschland überhaupt nicht recipirt worden, und die in der Hals- gerichtsordnung Karl V. vorgeschriebenen haben sich ebensowenig allge- mein in Geltung erhalten können. Das in der juristischen Doktrin und Praxis dargestellte Gewohnheitsrecht, wesentlich ein Juristenrecht, ver- mittelte die allmähliche Umwandlung der Strafen in solche, welche der modernen Anschauungsweise entsprachen. In den einzelnen Ländern vollendete dann die Gesetzgebung, auch vor der Einführung neuer Strafgesetzbücher, diesen Prozeß, theils durch Spezialgesetze, theils durch die Aenderungen in der Einrichtung des Gefängnißwesens. Die To- desstrafe kam im Allgemeinen immer seltener zur Anwendung, die grau- samen Leibesstrafen traten mehr und mehr zurück, und das Strafsystem ward allmählich fast ganz auf die Freiheitsstrafen beschränkt. Auch die Preußischen Landestheile, in denen das gemeine Recht noch gilt, haben diesen allgemeinen Entwickelungsgang mit durchgemacht.
Bei der Revision des Strafrechts hat man nun, freilich unter manchen Schwankungen, das Ziel verfolgt, nur solche Strafarten, die an sich für angemessen gelten können, in das Gesetzbuch aufzunehmen, und sie unter einander und in Beziehung auf ihre Anwendung in das richtige Verhältniß zu setzen. Ganz aufgegeben sind daher: die körper- liche Züchtigung, die schimpflichen Strafen der Brandmarkung und des Prangers, die Vermögenskonfiskation, die Strafe des bürgerlichen To- des, die Verbannung. Auf die Ehrenstrafen, welche dem gemeinen Deutschen Strafrecht fast ganz abhanden gekommen waren, ist wieder ein besonderes Gewicht gelegt; die Freiheitsstrafen bilden jedoch den Mittel- punkt des Systems. Dabei ist aber überhaupt zu unterscheiden zwischen den Hauptstrafen und den Nebenstrafen (wie ich die s. g. accessorischen Strafen nicht unpassend zu bezeichnen glaube). Die ersteren sind die- jenigen, auf welche allein ausschließlich erkannt werden kann, und nach deren Anwendung die rechtliche Beschaffenheit einer Handlung als eines Verbrechens, eines Vergehens oder einer Uebertretung bestimmt wird.
Tit. I. Von den Strafen.
C. Die Strafen der Uebertretungen (peines de police) ſind:
1) Gefängniß, ein bis fünf Tage.
2) Die Geldbuße, ein bis fünf Franken.
3) Die Konfiskation gewiſſer in Beſchlag genommener Ge- genſtände.
Neben dieſen in den beiden Geſetzbüchern aufgeſtellten Strafarten laſſen ſich die des gemeinen deutſchen Strafrechts nicht wohl einzeln aufführen. Die in den gemeinrechtlichen Quellen angeordneten Strafen ſollten eigentlich, inſofern man ſie als die im Geſetz beſtimmten an- zuſehen hat, auch jetzt noch zur Anwendung kommen. Aber die Strafen des Römiſchen Rechts ſind ſchon, ſoweit ſie nicht ausführbar waren, in Deutſchland überhaupt nicht recipirt worden, und die in der Hals- gerichtsordnung Karl V. vorgeſchriebenen haben ſich ebenſowenig allge- mein in Geltung erhalten können. Das in der juriſtiſchen Doktrin und Praxis dargeſtellte Gewohnheitsrecht, weſentlich ein Juriſtenrecht, ver- mittelte die allmähliche Umwandlung der Strafen in ſolche, welche der modernen Anſchauungsweiſe entſprachen. In den einzelnen Ländern vollendete dann die Geſetzgebung, auch vor der Einführung neuer Strafgeſetzbücher, dieſen Prozeß, theils durch Spezialgeſetze, theils durch die Aenderungen in der Einrichtung des Gefängnißweſens. Die To- desſtrafe kam im Allgemeinen immer ſeltener zur Anwendung, die grau- ſamen Leibesſtrafen traten mehr und mehr zurück, und das Strafſyſtem ward allmählich faſt ganz auf die Freiheitsſtrafen beſchränkt. Auch die Preußiſchen Landestheile, in denen das gemeine Recht noch gilt, haben dieſen allgemeinen Entwickelungsgang mit durchgemacht.
Bei der Reviſion des Strafrechts hat man nun, freilich unter manchen Schwankungen, das Ziel verfolgt, nur ſolche Strafarten, die an ſich für angemeſſen gelten können, in das Geſetzbuch aufzunehmen, und ſie unter einander und in Beziehung auf ihre Anwendung in das richtige Verhältniß zu ſetzen. Ganz aufgegeben ſind daher: die körper- liche Züchtigung, die ſchimpflichen Strafen der Brandmarkung und des Prangers, die Vermögenskonfiskation, die Strafe des bürgerlichen To- des, die Verbannung. Auf die Ehrenſtrafen, welche dem gemeinen Deutſchen Strafrecht faſt ganz abhanden gekommen waren, iſt wieder ein beſonderes Gewicht gelegt; die Freiheitsſtrafen bilden jedoch den Mittel- punkt des Syſtems. Dabei iſt aber überhaupt zu unterſcheiden zwiſchen den Hauptſtrafen und den Nebenſtrafen (wie ich die ſ. g. acceſſoriſchen Strafen nicht unpaſſend zu bezeichnen glaube). Die erſteren ſind die- jenigen, auf welche allein ausſchließlich erkannt werden kann, und nach deren Anwendung die rechtliche Beſchaffenheit einer Handlung als eines Verbrechens, eines Vergehens oder einer Uebertretung beſtimmt wird.
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Tit. I. Von den Strafen.
C. Die Strafen der Uebertretungen (peines de
police) ſind:
1) Gefängniß, ein bis fünf Tage.
2) Die Geldbuße, ein bis fünf Franken.
3) Die Konfiskation gewiſſer in Beſchlag genommener Ge-
genſtände.
Neben dieſen in den beiden Geſetzbüchern aufgeſtellten Strafarten
laſſen ſich die des gemeinen deutſchen Strafrechts nicht wohl einzeln
aufführen. Die in den gemeinrechtlichen Quellen angeordneten Strafen
ſollten eigentlich, inſofern man ſie als die im Geſetz beſtimmten an-
zuſehen hat, auch jetzt noch zur Anwendung kommen. Aber die Strafen
des Römiſchen Rechts ſind ſchon, ſoweit ſie nicht ausführbar waren,
in Deutſchland überhaupt nicht recipirt worden, und die in der Hals-
gerichtsordnung Karl V. vorgeſchriebenen haben ſich ebenſowenig allge-
mein in Geltung erhalten können. Das in der juriſtiſchen Doktrin und
Praxis dargeſtellte Gewohnheitsrecht, weſentlich ein Juriſtenrecht, ver-
mittelte die allmähliche Umwandlung der Strafen in ſolche, welche der
modernen Anſchauungsweiſe entſprachen. In den einzelnen Ländern
vollendete dann die Geſetzgebung, auch vor der Einführung neuer
Strafgeſetzbücher, dieſen Prozeß, theils durch Spezialgeſetze, theils durch
die Aenderungen in der Einrichtung des Gefängnißweſens. Die To-
desſtrafe kam im Allgemeinen immer ſeltener zur Anwendung, die grau-
ſamen Leibesſtrafen traten mehr und mehr zurück, und das Strafſyſtem
ward allmählich faſt ganz auf die Freiheitsſtrafen beſchränkt. Auch die
Preußiſchen Landestheile, in denen das gemeine Recht noch gilt, haben
dieſen allgemeinen Entwickelungsgang mit durchgemacht.
Bei der Reviſion des Strafrechts hat man nun, freilich unter
manchen Schwankungen, das Ziel verfolgt, nur ſolche Strafarten, die
an ſich für angemeſſen gelten können, in das Geſetzbuch aufzunehmen,
und ſie unter einander und in Beziehung auf ihre Anwendung in das
richtige Verhältniß zu ſetzen. Ganz aufgegeben ſind daher: die körper-
liche Züchtigung, die ſchimpflichen Strafen der Brandmarkung und des
Prangers, die Vermögenskonfiskation, die Strafe des bürgerlichen To-
des, die Verbannung. Auf die Ehrenſtrafen, welche dem gemeinen
Deutſchen Strafrecht faſt ganz abhanden gekommen waren, iſt wieder ein
beſonderes Gewicht gelegt; die Freiheitsſtrafen bilden jedoch den Mittel-
punkt des Syſtems. Dabei iſt aber überhaupt zu unterſcheiden zwiſchen
den Hauptſtrafen und den Nebenſtrafen (wie ich die ſ. g. acceſſoriſchen
Strafen nicht unpaſſend zu bezeichnen glaube). Die erſteren ſind die-
jenigen, auf welche allein ausſchließlich erkannt werden kann, und nach
deren Anwendung die rechtliche Beſchaffenheit einer Handlung als eines
Verbrechens, eines Vergehens oder einer Uebertretung beſtimmt wird.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/95>, abgerufen am 26.11.2024.
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