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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 3. 4. Anwendung der Strafgesetze.
werden, wenn es auch damit recht wohl vereinbar ist, daß innerhalb
des gesetzlichen Strafmaaßes der Richter auf die besonderen Verhältnisse
eines Fremden die gebührende Rücksicht nimmt. Dieß ist jedoch nicht
so zu verstehen, als ob die Eigenschaft des Fremden als solche unter
allen Umständen eine verhältnißmäßig mildere Strafe rechtfertige. Na-
mentlich wenn es sich um die Erkennung einer Nebenstrafe, besonders
einer Ehrenstrafe handelt, wird es zu erwägen sein, daß eine solche den
Fremden doch kaum in der Art trifft, wie das Gesetz es beabsichtigt
und der Inländer davon erfaßt wird, ja daß sie unter Umständen rein
illusorisch werden kann. Auch ist man genöthigt gewesen, in den Fällen,
wo auf Stellung unter Polizei-Aufsicht oder auf Einsperrung in ein
Arbeitshaus zu erkennen sein würde, gegen den Fremden die Landesver-
weisung eintreten zu lassen (§. 29. 120. 146.).

B. In Beziehung auf die strafbaren Handlungen, welche im
Auslande
begangen sind (§. 4.), ist zuvörderst zu bemerken, daß die
allgemeinen Bestimmungen hierüber sich nur auf die Verbrechen und
Vergehen beziehen; denn hinsichtlich der im Auslande begangenen Ueber-
tretungen kommt der letzte Absatz des Paragraphen zur Anwendung, daß
sie in Preußen nur dann bestraft werden sollen, wenn dieß durch be-
sondere Gesetze oder Staatsverträge angeordnet ist. Kommt es aber zu
einer solchen Bestrafung und ist für die besonderen Fälle nicht Abwei-
chendes bestimmt, so wird aus den Gründen, die sogleich entwickelt
werden sollen, in Preußen auch das Preußische Strafgesetz anzuwen-
den sein.

Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen hat
das Gesetzbuch im Gegensatz zu der in §. 3. enthaltenen Vorschrift den
allgemeinen Grundsatz aufgestellt, daß sie in der Regel in Preußen nicht
verfolgt und bestraft werden sollen. Es beruht dieß auf dem Princip
der Territorialität, nach welchem die regelmäßige Ausübung der Staats-
gewalt nur innerhalb des Staatsgebietes stattfindet, und also auch die
Wirkung der Gesetze für gewöhnlich auf diesen Kreis beschränkt bleiben
muß. Wollte man in dieser Beziehung das Princip der Territorialität
aufgeben, und die Zuständigkeit der Preußischen Gerichte als Regel
aufstellen, etwa nur mit gewissen, durch die Zweckmäßigkeit gebotenen
Beschränkungen; so hieße das die Aufgabe des einzelnen Staates ver-
kennen, und man würde dadurch, abgesehen von anderen praktischen
Unzuträglichkeiten, leicht in schwierige völkerrechtliche Verwicklungen ge-

Nur insofern wird dort auf den unter Anklage gestellten Fremden besondere Rücksicht
genommen, daß es ihm verstattet ist, eine jury de medietate linguae zu fordern,
d. h. zur Hälfte aus Fremden, zur Hälfte aus Engländern zusammengesetzt.

§§. 3. 4. Anwendung der Strafgeſetze.
werden, wenn es auch damit recht wohl vereinbar iſt, daß innerhalb
des geſetzlichen Strafmaaßes der Richter auf die beſonderen Verhältniſſe
eines Fremden die gebührende Rückſicht nimmt. Dieß iſt jedoch nicht
ſo zu verſtehen, als ob die Eigenſchaft des Fremden als ſolche unter
allen Umſtänden eine verhältnißmäßig mildere Strafe rechtfertige. Na-
mentlich wenn es ſich um die Erkennung einer Nebenſtrafe, beſonders
einer Ehrenſtrafe handelt, wird es zu erwägen ſein, daß eine ſolche den
Fremden doch kaum in der Art trifft, wie das Geſetz es beabſichtigt
und der Inländer davon erfaßt wird, ja daß ſie unter Umſtänden rein
illuſoriſch werden kann. Auch iſt man genöthigt geweſen, in den Fällen,
wo auf Stellung unter Polizei-Aufſicht oder auf Einſperrung in ein
Arbeitshaus zu erkennen ſein würde, gegen den Fremden die Landesver-
weiſung eintreten zu laſſen (§. 29. 120. 146.).

B. In Beziehung auf die ſtrafbaren Handlungen, welche im
Auslande
begangen ſind (§. 4.), iſt zuvörderſt zu bemerken, daß die
allgemeinen Beſtimmungen hierüber ſich nur auf die Verbrechen und
Vergehen beziehen; denn hinſichtlich der im Auslande begangenen Ueber-
tretungen kommt der letzte Abſatz des Paragraphen zur Anwendung, daß
ſie in Preußen nur dann beſtraft werden ſollen, wenn dieß durch be-
ſondere Geſetze oder Staatsverträge angeordnet iſt. Kommt es aber zu
einer ſolchen Beſtrafung und iſt für die beſonderen Fälle nicht Abwei-
chendes beſtimmt, ſo wird aus den Gründen, die ſogleich entwickelt
werden ſollen, in Preußen auch das Preußiſche Strafgeſetz anzuwen-
den ſein.

Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen hat
das Geſetzbuch im Gegenſatz zu der in §. 3. enthaltenen Vorſchrift den
allgemeinen Grundſatz aufgeſtellt, daß ſie in der Regel in Preußen nicht
verfolgt und beſtraft werden ſollen. Es beruht dieß auf dem Princip
der Territorialität, nach welchem die regelmäßige Ausübung der Staats-
gewalt nur innerhalb des Staatsgebietes ſtattfindet, und alſo auch die
Wirkung der Geſetze für gewöhnlich auf dieſen Kreis beſchränkt bleiben
muß. Wollte man in dieſer Beziehung das Princip der Territorialität
aufgeben, und die Zuſtändigkeit der Preußiſchen Gerichte als Regel
aufſtellen, etwa nur mit gewiſſen, durch die Zweckmäßigkeit gebotenen
Beſchränkungen; ſo hieße das die Aufgabe des einzelnen Staates ver-
kennen, und man würde dadurch, abgeſehen von anderen praktiſchen
Unzuträglichkeiten, leicht in ſchwierige völkerrechtliche Verwicklungen ge-

Nur inſofern wird dort auf den unter Anklage geſtellten Fremden beſondere Rückſicht
genommen, daß es ihm verſtattet iſt, eine jury de medietate linguae zu fordern,
d. h. zur Hälfte aus Fremden, zur Hälfte aus Engländern zuſammengeſetzt.
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[73/0083] §§. 3. 4. Anwendung der Strafgeſetze. werden, wenn es auch damit recht wohl vereinbar iſt, daß innerhalb des geſetzlichen Strafmaaßes der Richter auf die beſonderen Verhältniſſe eines Fremden die gebührende Rückſicht nimmt. Dieß iſt jedoch nicht ſo zu verſtehen, als ob die Eigenſchaft des Fremden als ſolche unter allen Umſtänden eine verhältnißmäßig mildere Strafe rechtfertige. Na- mentlich wenn es ſich um die Erkennung einer Nebenſtrafe, beſonders einer Ehrenſtrafe handelt, wird es zu erwägen ſein, daß eine ſolche den Fremden doch kaum in der Art trifft, wie das Geſetz es beabſichtigt und der Inländer davon erfaßt wird, ja daß ſie unter Umſtänden rein illuſoriſch werden kann. Auch iſt man genöthigt geweſen, in den Fällen, wo auf Stellung unter Polizei-Aufſicht oder auf Einſperrung in ein Arbeitshaus zu erkennen ſein würde, gegen den Fremden die Landesver- weiſung eintreten zu laſſen (§. 29. 120. 146.). B. In Beziehung auf die ſtrafbaren Handlungen, welche im Auslande begangen ſind (§. 4.), iſt zuvörderſt zu bemerken, daß die allgemeinen Beſtimmungen hierüber ſich nur auf die Verbrechen und Vergehen beziehen; denn hinſichtlich der im Auslande begangenen Ueber- tretungen kommt der letzte Abſatz des Paragraphen zur Anwendung, daß ſie in Preußen nur dann beſtraft werden ſollen, wenn dieß durch be- ſondere Geſetze oder Staatsverträge angeordnet iſt. Kommt es aber zu einer ſolchen Beſtrafung und iſt für die beſonderen Fälle nicht Abwei- chendes beſtimmt, ſo wird aus den Gründen, die ſogleich entwickelt werden ſollen, in Preußen auch das Preußiſche Strafgeſetz anzuwen- den ſein. Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen hat das Geſetzbuch im Gegenſatz zu der in §. 3. enthaltenen Vorſchrift den allgemeinen Grundſatz aufgeſtellt, daß ſie in der Regel in Preußen nicht verfolgt und beſtraft werden ſollen. Es beruht dieß auf dem Princip der Territorialität, nach welchem die regelmäßige Ausübung der Staats- gewalt nur innerhalb des Staatsgebietes ſtattfindet, und alſo auch die Wirkung der Geſetze für gewöhnlich auf dieſen Kreis beſchränkt bleiben muß. Wollte man in dieſer Beziehung das Princip der Territorialität aufgeben, und die Zuſtändigkeit der Preußiſchen Gerichte als Regel aufſtellen, etwa nur mit gewiſſen, durch die Zweckmäßigkeit gebotenen Beſchränkungen; ſo hieße das die Aufgabe des einzelnen Staates ver- kennen, und man würde dadurch, abgeſehen von anderen praktiſchen Unzuträglichkeiten, leicht in ſchwierige völkerrechtliche Verwicklungen ge- x) x) Nur inſofern wird dort auf den unter Anklage geſtellten Fremden beſondere Rückſicht genommen, daß es ihm verſtattet iſt, eine jury de medietate linguae zu fordern, d. h. zur Hälfte aus Fremden, zur Hälfte aus Engländern zuſammengeſetzt.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/83>, abgerufen am 25.11.2024.