II. Die Vorschriften des Art. XVII. sind aus dem früheren Rechte beibehalten; g) ihre Ausdehnung auf die Rheinprovinz ist geschehen, um einem von dort aus vielfach geäußerten Bedürfnisse zu entsprechen. h)
III. In der Kommission der zweiten Kammer wurde es von verschiede- nen Seiten zur Sprache gebracht, daß namentlich von den weniger gebil- deten Volksklassen mit der Anstellung von Injurienprozessen ein Mißbrauch getrieben werde, dem die Gesetzgebung in irgend einer Weise entgegen- treten müsse; die Zahl der Injurienprozesse belaufe sich jährlich auf mehr als 80,000., die Gerichte seien der ihnen daraus entstehenden Geschäftslast kaum mehr gewachsen. Es komme aber hauptsächlich darauf an, ein Mittel aufzufinden, welches die Parteien abhalte, un- mittelbar nach dem Streite in der ersten Aufregung ihre Klage anzu- bringen, und das lasse sich erreichen, wenn dem Kläger aufgegeben werde, bei Anstellung der Klage ein von dem Schiedsmann des Ver- klagten ausgestelltes Attest darüber beizubringen, daß er die Vermittlung des Schiedsmanns ohne Erfolg nachgesucht habe.
Gegen den in diesem Sinne gestellten Antrag wurden zwar sehr erhebliche Bedenken erhoben: es werde dadurch eine Rechtsungleichheit befördert, da nicht in allen Landestheilen das Institut der Schieds- männer bestehe; dasselbe habe sich überhaupt nicht bewährt; eine solche Beschränkung der Rechtsverfolgung sei grundsätzlich zu verwerfen; die ganze Einrichtung werde sich als rein illusorisch erweisen. Indessen glaubte die Mehrheit der Kommission doch einen solchen Versuch machen zu dürfen, und so ist der Art. XVIII. in das Einführungsgesetz gekom- men, indem nur für den Fall, daß der Kläger in einem andern Ge- richtsbezirke seinen Wohnsitz hat als der Beklagte, eine Ausnahme von der gesetzlichen Vorschrift gemacht worden ist. -- Unter dem Gerichts- bezirk ist übrigens der des Gerichtes erster Instanz zu verstehen; darauf weist die Absicht der Ausnahmebestimmung hin, die Rechtsverfolgung nicht zu sehr zu erschweren. Auch könnte man ja, wenn die Appel- lationsinstanz gemeint sein sollte, bis zu dem Gerichte letzter Instanz gelangen, -- dessen Bezirk, für das Obertribunal wenigstens, fast die ganze Monarchie ist.
g)Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 34. (G.-S. S. 233.). -- Ge- setz vom 11. März 1850. §. 5. -- Vgl. Strafgesetzbuch §. 53. und oben S. 203-7. -- Ueber das Verfahren der Staatsanwaltschaft bei Beleidigungen von Staatsministern s. die allgemeine Verfügung vom 23. Juni 1851. (Justiz- Ministerial-Blatt S. 228.).
h)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu Art. XII. (XVII.).
Artikel XVI-XVIII.
II. Die Vorſchriften des Art. XVII. ſind aus dem früheren Rechte beibehalten; g) ihre Ausdehnung auf die Rheinprovinz iſt geſchehen, um einem von dort aus vielfach geäußerten Bedürfniſſe zu entſprechen. h)
III. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde es von verſchiede- nen Seiten zur Sprache gebracht, daß namentlich von den weniger gebil- deten Volksklaſſen mit der Anſtellung von Injurienprozeſſen ein Mißbrauch getrieben werde, dem die Geſetzgebung in irgend einer Weiſe entgegen- treten müſſe; die Zahl der Injurienprozeſſe belaufe ſich jährlich auf mehr als 80,000., die Gerichte ſeien der ihnen daraus entſtehenden Geſchäftslaſt kaum mehr gewachſen. Es komme aber hauptſächlich darauf an, ein Mittel aufzufinden, welches die Parteien abhalte, un- mittelbar nach dem Streite in der erſten Aufregung ihre Klage anzu- bringen, und das laſſe ſich erreichen, wenn dem Kläger aufgegeben werde, bei Anſtellung der Klage ein von dem Schiedsmann des Ver- klagten ausgeſtelltes Atteſt darüber beizubringen, daß er die Vermittlung des Schiedsmanns ohne Erfolg nachgeſucht habe.
Gegen den in dieſem Sinne geſtellten Antrag wurden zwar ſehr erhebliche Bedenken erhoben: es werde dadurch eine Rechtsungleichheit befördert, da nicht in allen Landestheilen das Inſtitut der Schieds- männer beſtehe; daſſelbe habe ſich überhaupt nicht bewährt; eine ſolche Beſchränkung der Rechtsverfolgung ſei grundſätzlich zu verwerfen; die ganze Einrichtung werde ſich als rein illuſoriſch erweiſen. Indeſſen glaubte die Mehrheit der Kommiſſion doch einen ſolchen Verſuch machen zu dürfen, und ſo iſt der Art. XVIII. in das Einführungsgeſetz gekom- men, indem nur für den Fall, daß der Kläger in einem andern Ge- richtsbezirke ſeinen Wohnſitz hat als der Beklagte, eine Ausnahme von der geſetzlichen Vorſchrift gemacht worden iſt. — Unter dem Gerichts- bezirk iſt übrigens der des Gerichtes erſter Inſtanz zu verſtehen; darauf weiſt die Abſicht der Ausnahmebeſtimmung hin, die Rechtsverfolgung nicht zu ſehr zu erſchweren. Auch könnte man ja, wenn die Appel- lationsinſtanz gemeint ſein ſollte, bis zu dem Gerichte letzter Inſtanz gelangen, — deſſen Bezirk, für das Obertribunal wenigſtens, faſt die ganze Monarchie iſt.
g)Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 34. (G.-S. S. 233.). — Ge- ſetz vom 11. März 1850. §. 5. — Vgl. Strafgeſetzbuch §. 53. und oben S. 203-7. — Ueber das Verfahren der Staatsanwaltſchaft bei Beleidigungen von Staatsminiſtern ſ. die allgemeine Verfügung vom 23. Juni 1851. (Juſtiz- Miniſterial-Blatt S. 228.).
h)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. XII. (XVII.).
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III. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde es von verſchiede-
nen Seiten zur Sprache gebracht, daß namentlich von den weniger gebil-
deten Volksklaſſen mit der Anſtellung von Injurienprozeſſen ein Mißbrauch
getrieben werde, dem die Geſetzgebung in irgend einer Weiſe entgegen-
treten müſſe; die Zahl der Injurienprozeſſe belaufe ſich jährlich auf
mehr als 80,000., die Gerichte ſeien der ihnen daraus entſtehenden
Geſchäftslaſt kaum mehr gewachſen. Es komme aber hauptſächlich
darauf an, ein Mittel aufzufinden, welches die Parteien abhalte, un-
mittelbar nach dem Streite in der erſten Aufregung ihre Klage anzu-
bringen, und das laſſe ſich erreichen, wenn dem Kläger aufgegeben
werde, bei Anſtellung der Klage ein von dem Schiedsmann des Ver-
klagten ausgeſtelltes Atteſt darüber beizubringen, daß er die Vermittlung
des Schiedsmanns ohne Erfolg nachgeſucht habe.
Gegen den in dieſem Sinne geſtellten Antrag wurden zwar ſehr
erhebliche Bedenken erhoben: es werde dadurch eine Rechtsungleichheit
befördert, da nicht in allen Landestheilen das Inſtitut der Schieds-
männer beſtehe; daſſelbe habe ſich überhaupt nicht bewährt; eine ſolche
Beſchränkung der Rechtsverfolgung ſei grundſätzlich zu verwerfen; die
ganze Einrichtung werde ſich als rein illuſoriſch erweiſen. Indeſſen
glaubte die Mehrheit der Kommiſſion doch einen ſolchen Verſuch machen
zu dürfen, und ſo iſt der Art. XVIII. in das Einführungsgeſetz gekom-
men, indem nur für den Fall, daß der Kläger in einem andern Ge-
richtsbezirke ſeinen Wohnſitz hat als der Beklagte, eine Ausnahme von
der geſetzlichen Vorſchrift gemacht worden iſt. — Unter dem Gerichts-
bezirk iſt übrigens der des Gerichtes erſter Inſtanz zu verſtehen; darauf
weiſt die Abſicht der Ausnahmebeſtimmung hin, die Rechtsverfolgung
nicht zu ſehr zu erſchweren. Auch könnte man ja, wenn die Appel-
lationsinſtanz gemeint ſein ſollte, bis zu dem Gerichte letzter Inſtanz
gelangen, — deſſen Bezirk, für das Obertribunal wenigſtens, faſt die
ganze Monarchie iſt.
g) Verordnung vom 30. Juni 1849. §. 34. (G.-S. S. 233.). — Ge-
ſetz vom 11. März 1850. §. 5. — Vgl. Strafgeſetzbuch §. 53. und oben
S. 203-7. — Ueber das Verfahren der Staatsanwaltſchaft bei Beleidigungen von
Staatsminiſtern ſ. die allgemeine Verfügung vom 23. Juni 1851. (Juſtiz-
Miniſterial-Blatt S. 228.).
h) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. XII.
(XVII.).
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/631>, abgerufen am 24.11.2024.
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