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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Art. II. III.
den Gegenstand oder durch die Natur der Bestimmungen -- als jus
speciale
oder jus singulare -- diesen Namen verdienen.

Im Anschluß an das erste Princip, daß nur die beschränkt gemei-
nen Rechtssysteme mit Inbegriff der sie ergänzenden, abändernden und
erläuternden Bestimmungen für unbedingt aufgehoben zu achten sind,
ist hier also der Grundsatz aufzustellen:

B. Das übrige Strafrecht, sei es gemeines oder par
-tikulares, bleibt neben dem Strafgesetzbuch in Wirksamkeit,
insoweit es Materien betrifft, in Hinsicht deren das Straf-
gesetzbuch nichts bestimmt
.

Es ist also nicht der Zweck der Kodifikation gewesen, das gesammte,
in Preußen geltende Strafrecht in dem Gesetzbuch zusammen zu fassen.
Ein bloßes Hülfsrecht soll freilich das Gesetzbuch nicht sein, und für
die Materien, über welche es Bestimmungen enthält, behauptet es den
Charakter der unbedingten Geltung; aber einzelne Gegenstände sind der
Normirung in besonderen Gesetzen vorbehalten.

Auch die Französische Gesetzgebung hat eine solche allgemeine Ver-
fügung nicht vermeiden können, und die Kodificirung des neben dem
Gesetzbuche in Geltung bleibenden Strafrechtes nicht versucht. d) Der
Entwurf des Einführungsgesetzes von 1847. §. II. ging insofern auf
eine genauere Feststellung des Gegenstandes ein, als eine Reihe älterer
Gesetze als fortbestehend genannt wurden; doch war auch hier die Klausel
hinzugefügt:

"Ebenso sollen auch ferner in Kraft bleiben alle übrigen be-
sonderen Strafgesetze, welche solche Materien betreffen, in
Hinsicht deren das gegenwärtige Strafgesetzbuch nichts be-
stimmt."

Der Entwurf von 1850. hatte statt einer solchen Aufzählung nur
einzelne Gesetze beispielsweise genannt, und auf eine Anfrage der Kom-
mission der zweiten Kammer erklärte die Staatsregierung, daß sie ge-
genwärtig wenigstens nicht im Stande sei, ein Verzeichniß sämmtlicher
in Geltung bleibender Strafgesetze vorzulegen, für dessen Vollständigkeit
sie die Verantwortlichkeit übernehmen könne. Wenn sie daher auch ein
in dem Bericht der Kommission abgedrucktes Verzeichniß mittheilte, e)
so erschien doch, eben weil es kein vollständiges war, die Aufnahme
desselben in das Einführungsgesetz nicht räthlich. Dazu kam aber noch

d) Code penal. Art. 484. Dans toutes les matieres qui n'ont pas
ete reglees par le present Code et qui sont regies par des lois et regle-
mens particuliers, les cours et les tribunaux continueront de les observer.
e) Bericht der Kommission der zweiten Kammer zum Einführungs-
gesetz. Art. II.

Art. II. III.
den Gegenſtand oder durch die Natur der Beſtimmungen — als jus
speciale
oder jus singulare — dieſen Namen verdienen.

Im Anſchluß an das erſte Princip, daß nur die beſchränkt gemei-
nen Rechtsſyſteme mit Inbegriff der ſie ergänzenden, abändernden und
erläuternden Beſtimmungen für unbedingt aufgehoben zu achten ſind,
iſt hier alſo der Grundſatz aufzuſtellen:

B. Das übrige Strafrecht, ſei es gemeines oder par
-tikulares, bleibt neben dem Strafgeſetzbuch in Wirkſamkeit,
inſoweit es Materien betrifft, in Hinſicht deren das Straf-
geſetzbuch nichts beſtimmt
.

Es iſt alſo nicht der Zweck der Kodifikation geweſen, das geſammte,
in Preußen geltende Strafrecht in dem Geſetzbuch zuſammen zu faſſen.
Ein bloßes Hülfsrecht ſoll freilich das Geſetzbuch nicht ſein, und für
die Materien, über welche es Beſtimmungen enthält, behauptet es den
Charakter der unbedingten Geltung; aber einzelne Gegenſtände ſind der
Normirung in beſonderen Geſetzen vorbehalten.

Auch die Franzöſiſche Geſetzgebung hat eine ſolche allgemeine Ver-
fügung nicht vermeiden können, und die Kodificirung des neben dem
Geſetzbuche in Geltung bleibenden Strafrechtes nicht verſucht. d) Der
Entwurf des Einführungsgeſetzes von 1847. §. II. ging inſofern auf
eine genauere Feſtſtellung des Gegenſtandes ein, als eine Reihe älterer
Geſetze als fortbeſtehend genannt wurden; doch war auch hier die Klauſel
hinzugefügt:

„Ebenſo ſollen auch ferner in Kraft bleiben alle übrigen be-
ſonderen Strafgeſetze, welche ſolche Materien betreffen, in
Hinſicht deren das gegenwärtige Strafgeſetzbuch nichts be-
ſtimmt.“

Der Entwurf von 1850. hatte ſtatt einer ſolchen Aufzählung nur
einzelne Geſetze beiſpielsweiſe genannt, und auf eine Anfrage der Kom-
miſſion der zweiten Kammer erklärte die Staatsregierung, daß ſie ge-
genwärtig wenigſtens nicht im Stande ſei, ein Verzeichniß ſämmtlicher
in Geltung bleibender Strafgeſetze vorzulegen, für deſſen Vollſtändigkeit
ſie die Verantwortlichkeit übernehmen könne. Wenn ſie daher auch ein
in dem Bericht der Kommiſſion abgedrucktes Verzeichniß mittheilte, e)
ſo erſchien doch, eben weil es kein vollſtändiges war, die Aufnahme
deſſelben in das Einführungsgeſetz nicht räthlich. Dazu kam aber noch

d) Code pénal. Art. 484. Dans toutes les matières qui n'ont pas
été réglées par le présent Code et qui sont regies par des lois et régle-
mens particuliers, les cours et les tribunaux continueront de les observer.
e) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zum Einführungs-
geſetz. Art. II.
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[599/0609] Art. II. III. den Gegenſtand oder durch die Natur der Beſtimmungen — als jus speciale oder jus singulare — dieſen Namen verdienen. Im Anſchluß an das erſte Princip, daß nur die beſchränkt gemei- nen Rechtsſyſteme mit Inbegriff der ſie ergänzenden, abändernden und erläuternden Beſtimmungen für unbedingt aufgehoben zu achten ſind, iſt hier alſo der Grundſatz aufzuſtellen: B. Das übrige Strafrecht, ſei es gemeines oder par -tikulares, bleibt neben dem Strafgeſetzbuch in Wirkſamkeit, inſoweit es Materien betrifft, in Hinſicht deren das Straf- geſetzbuch nichts beſtimmt. Es iſt alſo nicht der Zweck der Kodifikation geweſen, das geſammte, in Preußen geltende Strafrecht in dem Geſetzbuch zuſammen zu faſſen. Ein bloßes Hülfsrecht ſoll freilich das Geſetzbuch nicht ſein, und für die Materien, über welche es Beſtimmungen enthält, behauptet es den Charakter der unbedingten Geltung; aber einzelne Gegenſtände ſind der Normirung in beſonderen Geſetzen vorbehalten. Auch die Franzöſiſche Geſetzgebung hat eine ſolche allgemeine Ver- fügung nicht vermeiden können, und die Kodificirung des neben dem Geſetzbuche in Geltung bleibenden Strafrechtes nicht verſucht. d) Der Entwurf des Einführungsgeſetzes von 1847. §. II. ging inſofern auf eine genauere Feſtſtellung des Gegenſtandes ein, als eine Reihe älterer Geſetze als fortbeſtehend genannt wurden; doch war auch hier die Klauſel hinzugefügt: „Ebenſo ſollen auch ferner in Kraft bleiben alle übrigen be- ſonderen Strafgeſetze, welche ſolche Materien betreffen, in Hinſicht deren das gegenwärtige Strafgeſetzbuch nichts be- ſtimmt.“ Der Entwurf von 1850. hatte ſtatt einer ſolchen Aufzählung nur einzelne Geſetze beiſpielsweiſe genannt, und auf eine Anfrage der Kom- miſſion der zweiten Kammer erklärte die Staatsregierung, daß ſie ge- genwärtig wenigſtens nicht im Stande ſei, ein Verzeichniß ſämmtlicher in Geltung bleibender Strafgeſetze vorzulegen, für deſſen Vollſtändigkeit ſie die Verantwortlichkeit übernehmen könne. Wenn ſie daher auch ein in dem Bericht der Kommiſſion abgedrucktes Verzeichniß mittheilte, e) ſo erſchien doch, eben weil es kein vollſtändiges war, die Aufnahme deſſelben in das Einführungsgeſetz nicht räthlich. Dazu kam aber noch d) Code pénal. Art. 484. Dans toutes les matières qui n'ont pas été réglées par le présent Code et qui sont regies par des lois et régle- mens particuliers, les cours et les tribunaux continueront de les observer. e) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zum Einführungs- geſetz. Art. II.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/609>, abgerufen am 24.11.2024.