werden dürfen. Jedenfalls ist diese Erörterung über den Sinn der Worte, durch welche das Verhältniß des Strafgesetzbuchs zu den be- schränkt gemeinen Rechtsquellen bestimmt worden ist, von keiner unmit- telbar praktischen Bedeutung. Denn die Vorschrift des Art. II. Abs. 1. ist ihrem ganzen Umfange nach präceptiv gefaßt, und läßt namentlich über die unbedingte Aufhebung der genannten Rechtsquellen und der sie ergänzenden, abändernden und erläuternden Bestimmungen keinen Zweifel übrig.
Es kann also der allgemeine Grundsatz hier vorangestellt werden:
A.Das Strafgesetzbuch ist an die Stelle der früher in der Preußischen Monarchie für das Strafrecht geltenden beschränkt gemeinen Rechtssysteme getreten.
Aber mit der Aufstellung dieses Grundsatzes ist die Erörterung der Frage über das Verhältniß des Strafgesetzbuchs zu den Quellen des früheren Strafrechts noch nicht erledigt; es muß außerdem noch festge- stellt werden, in welches Verhältniß dasselbe zu dem gemeinen Landes- recht und zu dem Partikularrechte getreten ist.
Bei dieser Untersuchung ist nun zunächst zu erwägen, ob sie für diese beide Arten der Rechtsquellen gemeinsam anzustellen, oder ob in Betreff des Partikularrechts eine abweichende Auffassung nothwendig ist. Es ist dabei zunächst auf die Worte Rücksicht zu nehmen, welche in Art. II. Abs. 1. nach Aufzählung der beschränkt gemeinen Rechtsquellen, die durch das Strafgesetzbuch außer Wirksamkeit gesetzt worden sind, vorkommen und also lauten:
"nebst allen dieselben ergänzenden, abändernden und erläutern- den Bestimmungen."
Unter diesen Bestimmungen hat man, wie oben bemerkt worden, ohne Zweifel die weiteren Entwicklungen der Hauptquellen des beschränkt gemeinen Strafrechts zu verstehen; es ist aber auf die angeführten Worte auch Bezug genommen worden in Betreff eines Antrags der Pommerschen Provinzialstände, welcher darauf gerichtet war, die Auf- hebung der Partikularrechte noch besonders auszusprechen. Auf diesen Antrag wurde von Seiten der Staatsregierung nicht eingegangen, "weil dergleichen Bestimmungen in der That nur als Abänderungen, Ergän- zungen oder Erläuterungen des gemeinen Rechts anzusehen, mithin be- reits durch den §. II. aufgehoben sind." b) Aber dieser Ansicht ist, weil sie zu weit geht, nicht beizupflichten; sie würde unter Anderm, in ihrer vollen Konsequenz angewandt, zu dem Ergebniß führen, daß auch
b)Motive zum Entwurf von 1847. §. II.
Art. II. III.
werden dürfen. Jedenfalls iſt dieſe Erörterung über den Sinn der Worte, durch welche das Verhältniß des Strafgeſetzbuchs zu den be- ſchränkt gemeinen Rechtsquellen beſtimmt worden iſt, von keiner unmit- telbar praktiſchen Bedeutung. Denn die Vorſchrift des Art. II. Abſ. 1. iſt ihrem ganzen Umfange nach präceptiv gefaßt, und läßt namentlich über die unbedingte Aufhebung der genannten Rechtsquellen und der ſie ergänzenden, abändernden und erläuternden Beſtimmungen keinen Zweifel übrig.
Es kann alſo der allgemeine Grundſatz hier vorangeſtellt werden:
A.Das Strafgeſetzbuch iſt an die Stelle der früher in der Preußiſchen Monarchie für das Strafrecht geltenden beſchränkt gemeinen Rechtsſyſteme getreten.
Aber mit der Aufſtellung dieſes Grundſatzes iſt die Erörterung der Frage über das Verhältniß des Strafgeſetzbuchs zu den Quellen des früheren Strafrechts noch nicht erledigt; es muß außerdem noch feſtge- ſtellt werden, in welches Verhältniß daſſelbe zu dem gemeinen Landes- recht und zu dem Partikularrechte getreten iſt.
Bei dieſer Unterſuchung iſt nun zunächſt zu erwägen, ob ſie für dieſe beide Arten der Rechtsquellen gemeinſam anzuſtellen, oder ob in Betreff des Partikularrechts eine abweichende Auffaſſung nothwendig iſt. Es iſt dabei zunächſt auf die Worte Rückſicht zu nehmen, welche in Art. II. Abſ. 1. nach Aufzählung der beſchränkt gemeinen Rechtsquellen, die durch das Strafgeſetzbuch außer Wirkſamkeit geſetzt worden ſind, vorkommen und alſo lauten:
„nebſt allen dieſelben ergänzenden, abändernden und erläutern- den Beſtimmungen.“
Unter dieſen Beſtimmungen hat man, wie oben bemerkt worden, ohne Zweifel die weiteren Entwicklungen der Hauptquellen des beſchränkt gemeinen Strafrechts zu verſtehen; es iſt aber auf die angeführten Worte auch Bezug genommen worden in Betreff eines Antrags der Pommerſchen Provinzialſtände, welcher darauf gerichtet war, die Auf- hebung der Partikularrechte noch beſonders auszuſprechen. Auf dieſen Antrag wurde von Seiten der Staatsregierung nicht eingegangen, „weil dergleichen Beſtimmungen in der That nur als Abänderungen, Ergän- zungen oder Erläuterungen des gemeinen Rechts anzuſehen, mithin be- reits durch den §. II. aufgehoben ſind.“ b) Aber dieſer Anſicht iſt, weil ſie zu weit geht, nicht beizupflichten; ſie würde unter Anderm, in ihrer vollen Konſequenz angewandt, zu dem Ergebniß führen, daß auch
b)Motive zum Entwurf von 1847. §. II.
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Art. II. III.
werden dürfen. Jedenfalls iſt dieſe Erörterung über den Sinn der
Worte, durch welche das Verhältniß des Strafgeſetzbuchs zu den be-
ſchränkt gemeinen Rechtsquellen beſtimmt worden iſt, von keiner unmit-
telbar praktiſchen Bedeutung. Denn die Vorſchrift des Art. II. Abſ. 1.
iſt ihrem ganzen Umfange nach präceptiv gefaßt, und läßt namentlich
über die unbedingte Aufhebung der genannten Rechtsquellen und der ſie
ergänzenden, abändernden und erläuternden Beſtimmungen keinen Zweifel
übrig.
Es kann alſo der allgemeine Grundſatz hier vorangeſtellt werden:
A. Das Strafgeſetzbuch iſt an die Stelle der früher in
der Preußiſchen Monarchie für das Strafrecht geltenden
beſchränkt gemeinen Rechtsſyſteme getreten.
Aber mit der Aufſtellung dieſes Grundſatzes iſt die Erörterung der
Frage über das Verhältniß des Strafgeſetzbuchs zu den Quellen des
früheren Strafrechts noch nicht erledigt; es muß außerdem noch feſtge-
ſtellt werden, in welches Verhältniß daſſelbe zu dem gemeinen Landes-
recht und zu dem Partikularrechte getreten iſt.
Bei dieſer Unterſuchung iſt nun zunächſt zu erwägen, ob ſie für
dieſe beide Arten der Rechtsquellen gemeinſam anzuſtellen, oder ob in
Betreff des Partikularrechts eine abweichende Auffaſſung nothwendig iſt.
Es iſt dabei zunächſt auf die Worte Rückſicht zu nehmen, welche in
Art. II. Abſ. 1. nach Aufzählung der beſchränkt gemeinen Rechtsquellen,
die durch das Strafgeſetzbuch außer Wirkſamkeit geſetzt worden ſind,
vorkommen und alſo lauten:
„nebſt allen dieſelben ergänzenden, abändernden und erläutern-
den Beſtimmungen.“
Unter dieſen Beſtimmungen hat man, wie oben bemerkt worden,
ohne Zweifel die weiteren Entwicklungen der Hauptquellen des beſchränkt
gemeinen Strafrechts zu verſtehen; es iſt aber auf die angeführten
Worte auch Bezug genommen worden in Betreff eines Antrags der
Pommerſchen Provinzialſtände, welcher darauf gerichtet war, die Auf-
hebung der Partikularrechte noch beſonders auszuſprechen. Auf dieſen
Antrag wurde von Seiten der Staatsregierung nicht eingegangen, „weil
dergleichen Beſtimmungen in der That nur als Abänderungen, Ergän-
zungen oder Erläuterungen des gemeinen Rechts anzuſehen, mithin be-
reits durch den §. II. aufgehoben ſind.“ b) Aber dieſer Anſicht iſt,
weil ſie zu weit geht, nicht beizupflichten; ſie würde unter Anderm, in
ihrer vollen Konſequenz angewandt, zu dem Ergebniß führen, daß auch
b) Motive zum Entwurf von 1847. §. II.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/607>, abgerufen am 24.11.2024.
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