Th. III. V. d. Uebertretungen. Tit. I. Bestraf. d. Uebertretungen im Allg.
Während die bei den Uebertretungen zulässigen Strafarten schon in dem Entwurf von 1847. so festgestellt waren, daß darüber keine Meinungsverschiedenheit mehr bestand, haben sich über die Bestimmung des höchsten gesetzlichen Strafmaaßes bis zuletzt abweichende Ansichten geltend gemacht. Mit Rücksicht auf das im Rheinischen Strafrecht an- genommene Maximum von fünf Tagen Gefängniß und funfzehn Fran- ken Geldbuße, so wie auf die in den andern Provinzen geltende Praxis, welche auf Polizeistrafen über vierzehn Tage Gefängniß und zehn Tha- ler Geldbuße nicht erkannte, beschloß der vereinigte ständische Ausschuß, die zuletzt genannten Strafsätze als die höchsten im Gesetzbuche aufzu- stellen, während die Regierungsvorlage sechs Wochen Gefängniß und funfzig Thaler Geldbuße angenommen hatte. h) Der Entwurf von 1850. wiederholte ungeachtet jenes Beschlusses diese letzten Ansätze, indem na- mentlich dafür angeführt wurde, daß es wünschenswerth sei, mehrere Uebertretungen, welche bisher als Vergehen aufgefaßt worden, wie die einfache Ehrverletzung, die Bettelei, die Verletzung des Hausrechts, den Diebstahl an Eßwaaren, der Kompetenz der Einzelrichter zu überweisen. i) Auch die Kommission der zweiten Kammer schloß sich dieser Auffassung an, und lehnte mehrere, auf Heruntersetzung des höchsten Strafmaaßes gerichtete Anträge ab; k) sie wurde dazu namentlich durch die Erwägung bestimmt, daß nach §. 336. wegen Rückfalls eine Erhöhung der Strafe über das höchste gesetzliche Maaß nicht stattfinden soll, dieses also für die erste Uebertretung verhältnißmäßig niedriger erscheine, da der Richter für die Rückfallsstrafe etwas in Anschlag zu bringen habe. Lasse sich nun auch nicht sagen, daß gerade die Hälfte der gesetzlichen Strafe nach Analogie des §. 58. für den Rückfall zu berechnen sei, so werde doch immer bei der Strafzumessung auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen sein, und die scheinbare Höhe der gesetzlichen Strafe werde dadurch we- sentlich ermäßigt. Uebrigens sei ja auch in den §§. 342. 344. 347. 348. das höchste Maaß der für die Uebertretungen angenommenen ge- setzlichen Strafe gar nicht zur Anwendung gebracht worden.
Ueber die einzelnen Strafen ist Folgendes zu bemerken.
I. Die Gefängnißstrafe (§. 334.). Sie unterscheidet sich von der auf Verbrechen und Vergehen gesetzten (§. 14.) theils durch die kürzere Dauer, theils durch die größere Milde in der Vollstreckung. In letzterer Hinsicht entspricht die polizeiliche Gefängnißstrafe am Meisten
h)Verhandlungen. IV. S. 572-84.
i)Motive zum Entwurf von 1850. §§. 305-7.
k)Bericht der Kommission der zweiten Kammer ebendas.
Th. III. V. d. Uebertretungen. Tit. I. Beſtraf. d. Uebertretungen im Allg.
Während die bei den Uebertretungen zuläſſigen Strafarten ſchon in dem Entwurf von 1847. ſo feſtgeſtellt waren, daß darüber keine Meinungsverſchiedenheit mehr beſtand, haben ſich über die Beſtimmung des höchſten geſetzlichen Strafmaaßes bis zuletzt abweichende Anſichten geltend gemacht. Mit Rückſicht auf das im Rheiniſchen Strafrecht an- genommene Maximum von fünf Tagen Gefängniß und funfzehn Fran- ken Geldbuße, ſo wie auf die in den andern Provinzen geltende Praxis, welche auf Polizeiſtrafen über vierzehn Tage Gefängniß und zehn Tha- ler Geldbuße nicht erkannte, beſchloß der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß, die zuletzt genannten Strafſätze als die höchſten im Geſetzbuche aufzu- ſtellen, während die Regierungsvorlage ſechs Wochen Gefängniß und funfzig Thaler Geldbuße angenommen hatte. h) Der Entwurf von 1850. wiederholte ungeachtet jenes Beſchluſſes dieſe letzten Anſätze, indem na- mentlich dafür angeführt wurde, daß es wünſchenswerth ſei, mehrere Uebertretungen, welche bisher als Vergehen aufgefaßt worden, wie die einfache Ehrverletzung, die Bettelei, die Verletzung des Hausrechts, den Diebſtahl an Eßwaaren, der Kompetenz der Einzelrichter zu überweiſen. i) Auch die Kommiſſion der zweiten Kammer ſchloß ſich dieſer Auffaſſung an, und lehnte mehrere, auf Herunterſetzung des höchſten Strafmaaßes gerichtete Anträge ab; k) ſie wurde dazu namentlich durch die Erwägung beſtimmt, daß nach §. 336. wegen Rückfalls eine Erhöhung der Strafe über das höchſte geſetzliche Maaß nicht ſtattfinden ſoll, dieſes alſo für die erſte Uebertretung verhältnißmäßig niedriger erſcheine, da der Richter für die Rückfallsſtrafe etwas in Anſchlag zu bringen habe. Laſſe ſich nun auch nicht ſagen, daß gerade die Hälfte der geſetzlichen Strafe nach Analogie des §. 58. für den Rückfall zu berechnen ſei, ſo werde doch immer bei der Strafzumeſſung auf dieſen Umſtand Rückſicht zu nehmen ſein, und die ſcheinbare Höhe der geſetzlichen Strafe werde dadurch we- ſentlich ermäßigt. Uebrigens ſei ja auch in den §§. 342. 344. 347. 348. das höchſte Maaß der für die Uebertretungen angenommenen ge- ſetzlichen Strafe gar nicht zur Anwendung gebracht worden.
Ueber die einzelnen Strafen iſt Folgendes zu bemerken.
I. Die Gefängnißſtrafe (§. 334.). Sie unterſcheidet ſich von der auf Verbrechen und Vergehen geſetzten (§. 14.) theils durch die kürzere Dauer, theils durch die größere Milde in der Vollſtreckung. In letzterer Hinſicht entſpricht die polizeiliche Gefängnißſtrafe am Meiſten
h)Verhandlungen. IV. S. 572-84.
i)Motive zum Entwurf von 1850. §§. 305-7.
k)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer ebendaſ.
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[574/0584]
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Während die bei den Uebertretungen zuläſſigen Strafarten ſchon
in dem Entwurf von 1847. ſo feſtgeſtellt waren, daß darüber keine
Meinungsverſchiedenheit mehr beſtand, haben ſich über die Beſtimmung
des höchſten geſetzlichen Strafmaaßes bis zuletzt abweichende Anſichten
geltend gemacht. Mit Rückſicht auf das im Rheiniſchen Strafrecht an-
genommene Maximum von fünf Tagen Gefängniß und funfzehn Fran-
ken Geldbuße, ſo wie auf die in den andern Provinzen geltende Praxis,
welche auf Polizeiſtrafen über vierzehn Tage Gefängniß und zehn Tha-
ler Geldbuße nicht erkannte, beſchloß der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß,
die zuletzt genannten Strafſätze als die höchſten im Geſetzbuche aufzu-
ſtellen, während die Regierungsvorlage ſechs Wochen Gefängniß und
funfzig Thaler Geldbuße angenommen hatte. h) Der Entwurf von 1850.
wiederholte ungeachtet jenes Beſchluſſes dieſe letzten Anſätze, indem na-
mentlich dafür angeführt wurde, daß es wünſchenswerth ſei, mehrere
Uebertretungen, welche bisher als Vergehen aufgefaßt worden, wie die
einfache Ehrverletzung, die Bettelei, die Verletzung des Hausrechts, den
Diebſtahl an Eßwaaren, der Kompetenz der Einzelrichter zu überweiſen. i)
Auch die Kommiſſion der zweiten Kammer ſchloß ſich dieſer Auffaſſung
an, und lehnte mehrere, auf Herunterſetzung des höchſten Strafmaaßes
gerichtete Anträge ab; k) ſie wurde dazu namentlich durch die Erwägung
beſtimmt, daß nach §. 336. wegen Rückfalls eine Erhöhung der Strafe
über das höchſte geſetzliche Maaß nicht ſtattfinden ſoll, dieſes alſo für
die erſte Uebertretung verhältnißmäßig niedriger erſcheine, da der Richter
für die Rückfallsſtrafe etwas in Anſchlag zu bringen habe. Laſſe ſich
nun auch nicht ſagen, daß gerade die Hälfte der geſetzlichen Strafe nach
Analogie des §. 58. für den Rückfall zu berechnen ſei, ſo werde doch
immer bei der Strafzumeſſung auf dieſen Umſtand Rückſicht zu nehmen
ſein, und die ſcheinbare Höhe der geſetzlichen Strafe werde dadurch we-
ſentlich ermäßigt. Uebrigens ſei ja auch in den §§. 342. 344. 347.
348. das höchſte Maaß der für die Uebertretungen angenommenen ge-
ſetzlichen Strafe gar nicht zur Anwendung gebracht worden.
Ueber die einzelnen Strafen iſt Folgendes zu bemerken.
I. Die Gefängnißſtrafe (§. 334.). Sie unterſcheidet ſich von
der auf Verbrechen und Vergehen geſetzten (§. 14.) theils durch die
kürzere Dauer, theils durch die größere Milde in der Vollſtreckung. In
letzterer Hinſicht entſpricht die polizeiliche Gefängnißſtrafe am Meiſten
h) Verhandlungen. IV. S. 572-84.
i) Motive zum Entwurf von 1850. §§. 305-7.
k) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer ebendaſ.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/584>, abgerufen am 26.11.2024.
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