Th. III. V. d. Uebertretungen. Tit. I. Bestraf. d. Uebertretungen im Allg.
Anleiten zum Betteln (§. 341.), die Beleidigung (§. 343.), die Ver- letzung des Hausrechts (§. 346. Nr. 1.), die Entwendung von Eß- waaren (§. 349. Nr. 3.). -- Nicht unbedingt, aber doch in gewisser Hinsicht gehören hierher auch die Bestimmungen über das unbefugte Abgraben und Abpflügen, so wie über das unbefugte Wegnehmen von Erde, Lehm u. s. w. (§. 349. Nr. 1. 2.).
II. Einzelne polizeiliche Strafvorschriften sind im unmittelbaren Staatsinteresse erlassen, und bedürfen daher einer gleichmäßigen Durch- führung. Dahin gehören die meisten Bestimmungen des §. 340., so wie die des §. 349. Nr. 4. und 5.
III. Manche Handlungen sind als Uebertretungen unter Strafe gestellt, weil sie, ohne einen kriminellen Charakter an sich zu tragen, doch die Sicherheit der Personen und des Eigenthums gefährden, und in einer gewissen Beziehung zu den Verbrechen und Vergehen stehen, welche auf eine solche Gefährdung gerichtet sind. Es gehören dahin die im Interesse der Sicherheits-Polizei getroffenen Bestimmungen, welche sich in den §§. 344. 345. 346. Nr. 2. und 3. 347. 348. finden.
IV. Gegen die Verletzung der Sitten-Polizei sind die Vorschriften des §. 340. Nr. 8-11., so wie der §§. 341. und 342. gerichtet.
Es ist nun unbedenklich einzuräumen, daß die zu Anfang des Ti- tels aufgestellten allgemeinen Grundsätze über den Begriff und die Be- strafung der Uebertretungen in dem Gesetzbuch nicht fehlen konnten, und daß die unter I. und II. aufgeführten Bestimmungen einer allgemeinen Feststellung durch die Landesgesetzbung bedurften. Auch von den unter III. genannten Fällen eignen sich manche zu einer solchen Behandlung; aber es ist dies in Beziehung auf diese und auf die unter IV. bezeich- nete Kategorie doch nur in beschränkter Weise anzunehmen. Man hat es dabei freilich zum Theil vermieden, bestimmte Handlungen unmittel- bar unter Strafe zu stellen, und statt dessen für die Verletzung ander- weitig erlassener Vorschriften das gesetzliche Strafmaaß angeordnet, z. B. in Beziehung auf die Störung der Sonntagsfeier (§. 340. Nr. 8.), auf die voreiligen Beerdigungen (§. 345. Nr. 1.); aber wenn darin auch eine gewisse Beschränkung der allgemeinen Gesetzgebung in Betreff dieser Gegenstände liegt, so entfernt sie doch nicht alle Bedenken, welche einer zu weiten Ausdehnung allgemeiner Rechtsnormen auf das Polizei- Strafrecht entgegenstehen. Während nämlich für die eigentliche Krimi- nalgesetzgebung die Rechtseinheit von der höheren Idee des modernen Staates geboten erscheint (vgl. oben S. 16.), bewegt sich die Polizei auf einem Gebiete, welches zu einem nicht geringen Theile unter dem Einflusse besonderer Sitten, Gebräuche und Bedürfnisse steht, wo die
Th. III. V. d. Uebertretungen. Tit. I. Beſtraf. d. Uebertretungen im Allg.
Anleiten zum Betteln (§. 341.), die Beleidigung (§. 343.), die Ver- letzung des Hausrechts (§. 346. Nr. 1.), die Entwendung von Eß- waaren (§. 349. Nr. 3.). — Nicht unbedingt, aber doch in gewiſſer Hinſicht gehören hierher auch die Beſtimmungen über das unbefugte Abgraben und Abpflügen, ſo wie über das unbefugte Wegnehmen von Erde, Lehm u. ſ. w. (§. 349. Nr. 1. 2.).
II. Einzelne polizeiliche Strafvorſchriften ſind im unmittelbaren Staatsintereſſe erlaſſen, und bedürfen daher einer gleichmäßigen Durch- führung. Dahin gehören die meiſten Beſtimmungen des §. 340., ſo wie die des §. 349. Nr. 4. und 5.
III. Manche Handlungen ſind als Uebertretungen unter Strafe geſtellt, weil ſie, ohne einen kriminellen Charakter an ſich zu tragen, doch die Sicherheit der Perſonen und des Eigenthums gefährden, und in einer gewiſſen Beziehung zu den Verbrechen und Vergehen ſtehen, welche auf eine ſolche Gefährdung gerichtet ſind. Es gehören dahin die im Intereſſe der Sicherheits-Polizei getroffenen Beſtimmungen, welche ſich in den §§. 344. 345. 346. Nr. 2. und 3. 347. 348. finden.
IV. Gegen die Verletzung der Sitten-Polizei ſind die Vorſchriften des §. 340. Nr. 8-11., ſo wie der §§. 341. und 342. gerichtet.
Es iſt nun unbedenklich einzuräumen, daß die zu Anfang des Ti- tels aufgeſtellten allgemeinen Grundſätze über den Begriff und die Be- ſtrafung der Uebertretungen in dem Geſetzbuch nicht fehlen konnten, und daß die unter I. und II. aufgeführten Beſtimmungen einer allgemeinen Feſtſtellung durch die Landesgeſetzbung bedurften. Auch von den unter III. genannten Fällen eignen ſich manche zu einer ſolchen Behandlung; aber es iſt dies in Beziehung auf dieſe und auf die unter IV. bezeich- nete Kategorie doch nur in beſchränkter Weiſe anzunehmen. Man hat es dabei freilich zum Theil vermieden, beſtimmte Handlungen unmittel- bar unter Strafe zu ſtellen, und ſtatt deſſen für die Verletzung ander- weitig erlaſſener Vorſchriften das geſetzliche Strafmaaß angeordnet, z. B. in Beziehung auf die Störung der Sonntagsfeier (§. 340. Nr. 8.), auf die voreiligen Beerdigungen (§. 345. Nr. 1.); aber wenn darin auch eine gewiſſe Beſchränkung der allgemeinen Geſetzgebung in Betreff dieſer Gegenſtände liegt, ſo entfernt ſie doch nicht alle Bedenken, welche einer zu weiten Ausdehnung allgemeiner Rechtsnormen auf das Polizei- Strafrecht entgegenſtehen. Während nämlich für die eigentliche Krimi- nalgeſetzgebung die Rechtseinheit von der höheren Idee des modernen Staates geboten erſcheint (vgl. oben S. 16.), bewegt ſich die Polizei auf einem Gebiete, welches zu einem nicht geringen Theile unter dem Einfluſſe beſonderer Sitten, Gebräuche und Bedürfniſſe ſteht, wo die
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Th. III. V. d. Uebertretungen. Tit. I. Beſtraf. d. Uebertretungen im Allg.
Anleiten zum Betteln (§. 341.), die Beleidigung (§. 343.), die Ver-
letzung des Hausrechts (§. 346. Nr. 1.), die Entwendung von Eß-
waaren (§. 349. Nr. 3.). — Nicht unbedingt, aber doch in gewiſſer
Hinſicht gehören hierher auch die Beſtimmungen über das unbefugte
Abgraben und Abpflügen, ſo wie über das unbefugte Wegnehmen von
Erde, Lehm u. ſ. w. (§. 349. Nr. 1. 2.).
II. Einzelne polizeiliche Strafvorſchriften ſind im unmittelbaren
Staatsintereſſe erlaſſen, und bedürfen daher einer gleichmäßigen Durch-
führung. Dahin gehören die meiſten Beſtimmungen des §. 340., ſo
wie die des §. 349. Nr. 4. und 5.
III. Manche Handlungen ſind als Uebertretungen unter Strafe
geſtellt, weil ſie, ohne einen kriminellen Charakter an ſich zu tragen,
doch die Sicherheit der Perſonen und des Eigenthums gefährden, und
in einer gewiſſen Beziehung zu den Verbrechen und Vergehen ſtehen,
welche auf eine ſolche Gefährdung gerichtet ſind. Es gehören dahin die
im Intereſſe der Sicherheits-Polizei getroffenen Beſtimmungen, welche
ſich in den §§. 344. 345. 346. Nr. 2. und 3. 347. 348. finden.
IV. Gegen die Verletzung der Sitten-Polizei ſind die Vorſchriften
des §. 340. Nr. 8-11., ſo wie der §§. 341. und 342. gerichtet.
Es iſt nun unbedenklich einzuräumen, daß die zu Anfang des Ti-
tels aufgeſtellten allgemeinen Grundſätze über den Begriff und die Be-
ſtrafung der Uebertretungen in dem Geſetzbuch nicht fehlen konnten, und
daß die unter I. und II. aufgeführten Beſtimmungen einer allgemeinen
Feſtſtellung durch die Landesgeſetzbung bedurften. Auch von den unter
III. genannten Fällen eignen ſich manche zu einer ſolchen Behandlung;
aber es iſt dies in Beziehung auf dieſe und auf die unter IV. bezeich-
nete Kategorie doch nur in beſchränkter Weiſe anzunehmen. Man hat
es dabei freilich zum Theil vermieden, beſtimmte Handlungen unmittel-
bar unter Strafe zu ſtellen, und ſtatt deſſen für die Verletzung ander-
weitig erlaſſener Vorſchriften das geſetzliche Strafmaaß angeordnet,
z. B. in Beziehung auf die Störung der Sonntagsfeier (§. 340. Nr. 8.),
auf die voreiligen Beerdigungen (§. 345. Nr. 1.); aber wenn darin
auch eine gewiſſe Beſchränkung der allgemeinen Geſetzgebung in Betreff
dieſer Gegenſtände liegt, ſo entfernt ſie doch nicht alle Bedenken, welche
einer zu weiten Ausdehnung allgemeiner Rechtsnormen auf das Polizei-
Strafrecht entgegenſtehen. Während nämlich für die eigentliche Krimi-
nalgeſetzgebung die Rechtseinheit von der höheren Idee des modernen
Staates geboten erſcheint (vgl. oben S. 16.), bewegt ſich die Polizei
auf einem Gebiete, welches zu einem nicht geringen Theile unter dem
Einfluſſe beſonderer Sitten, Gebräuche und Bedürfniſſe ſteht, wo die
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/580>, abgerufen am 26.11.2024.
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