Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte.
selben Rechtssache beiden Parteien durch Rath oder Beistand pflichtwidrig dient,
wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft.

Handelt derselbe vorsätzlich im Einverständniß mit der Gegenpartei zum
Nachtheil seines Klienten, so tritt Zuchthaus bis zu fünf Jahren ein.



Durch die Bezeichnung "pflichtwidrig" im ersten Absatz, welcher
nach der ersten Lesung des Gesetzbuchs auf den Vorschlag der Kom-
mission der zweiten Kammer zur deutlicheren Fassung der Strafbestim-
mung aufgenommen worden ist, sollte der Zweifel beseitigt werden, als
ob schon wegen einer ganz unverfänglichen Dienstleistung die gesetzliche
Strafe eintreten könnte. Man wollte die Rechtsanwälte dadurch von
vorne herein gegen mögliche Chikanen einer Partei sicher stellen. Da-
gegen sind die Worte "öffentlich bestellter," welche der Entwurf von
1850. §. 301. vor Rechtsbeistand hatte, weggelassen worden, weil die
sogleich folgende nähere Bezeichnung der Angelegenheiten, um die es
sich handelt, es schon genügend ausdrückt, daß der Rechtsbeistand ein
Beamter sein muß, dem die Wahrung der Rechte einer Partei übertra-
gen ist. a) -- Wenn übrigens die Rechtsanwälte in Beziehung auf
Verbrechen und Vergehen im Amte auch den Staatsbeamten gleichge-
stellt sind, so werden dadurch die besonderen Bestimmungen über den
Ehrenrath nicht berührt.

§. 330.

Ein Amtsvorgesetzter, welcher seine Untergebenen zu einem Verbrechen oder
Vergehen im Amte vorsätzlich verleitet oder zu verleiten versucht, oder ein
solches Verbrechen oder Vergehen seiner Untergebenen wissentlich geschehen läßt,
soll zu der auf dieses Verbrechen oder Vergehen angedrohten Strafe verur-
theilt werden; in allen Fällen ist zugleich auf zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen
Aemtern zu erkennen.

Dieselbe Bestimmung findet auch auf einen Beamten Anwendung, welchem
eine Aufsicht oder Kontrole über die Amtsgeschäfte eines Mitbeamten über-
tragen ist, sofern das von diesem letzteren Beamten verübte Verbrechen oder
Vergehen die zur Aufsicht oder Kontrole gehörenden Geschäfte betrifft.



Amtsvorgesetzte, welche ihre Untergebenen zu Verbrechen oder Ver-
gehen im Amte vorsätzlich verleiten oder zu verleiten suchen, oder solche
Verbrechen oder Vergehen wissentlich geschehen lassen, sollen als Theil-
nehmer angesehen und demgemäß bestraft werden; auch trifft sie stets
die zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern. Dasselbe gilt in Bezie-

a) a. a. O. zu §. 301. (329.).

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte.
ſelben Rechtsſache beiden Parteien durch Rath oder Beiſtand pflichtwidrig dient,
wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft.

Handelt derſelbe vorſätzlich im Einverſtändniß mit der Gegenpartei zum
Nachtheil ſeines Klienten, ſo tritt Zuchthaus bis zu fünf Jahren ein.



Durch die Bezeichnung „pflichtwidrig“ im erſten Abſatz, welcher
nach der erſten Leſung des Geſetzbuchs auf den Vorſchlag der Kom-
miſſion der zweiten Kammer zur deutlicheren Faſſung der Strafbeſtim-
mung aufgenommen worden iſt, ſollte der Zweifel beſeitigt werden, als
ob ſchon wegen einer ganz unverfänglichen Dienſtleiſtung die geſetzliche
Strafe eintreten könnte. Man wollte die Rechtsanwälte dadurch von
vorne herein gegen mögliche Chikanen einer Partei ſicher ſtellen. Da-
gegen ſind die Worte „öffentlich beſtellter,“ welche der Entwurf von
1850. §. 301. vor Rechtsbeiſtand hatte, weggelaſſen worden, weil die
ſogleich folgende nähere Bezeichnung der Angelegenheiten, um die es
ſich handelt, es ſchon genügend ausdrückt, daß der Rechtsbeiſtand ein
Beamter ſein muß, dem die Wahrung der Rechte einer Partei übertra-
gen iſt. a) — Wenn übrigens die Rechtsanwälte in Beziehung auf
Verbrechen und Vergehen im Amte auch den Staatsbeamten gleichge-
ſtellt ſind, ſo werden dadurch die beſonderen Beſtimmungen über den
Ehrenrath nicht berührt.

§. 330.

Ein Amtsvorgeſetzter, welcher ſeine Untergebenen zu einem Verbrechen oder
Vergehen im Amte vorſätzlich verleitet oder zu verleiten verſucht, oder ein
ſolches Verbrechen oder Vergehen ſeiner Untergebenen wiſſentlich geſchehen läßt,
ſoll zu der auf dieſes Verbrechen oder Vergehen angedrohten Strafe verur-
theilt werden; in allen Fällen iſt zugleich auf zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen
Aemtern zu erkennen.

Dieſelbe Beſtimmung findet auch auf einen Beamten Anwendung, welchem
eine Aufſicht oder Kontrole über die Amtsgeſchäfte eines Mitbeamten über-
tragen iſt, ſofern das von dieſem letzteren Beamten verübte Verbrechen oder
Vergehen die zur Aufſicht oder Kontrole gehörenden Geſchäfte betrifft.



Amtsvorgeſetzte, welche ihre Untergebenen zu Verbrechen oder Ver-
gehen im Amte vorſätzlich verleiten oder zu verleiten ſuchen, oder ſolche
Verbrechen oder Vergehen wiſſentlich geſchehen laſſen, ſollen als Theil-
nehmer angeſehen und demgemäß beſtraft werden; auch trifft ſie ſtets
die zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern. Daſſelbe gilt in Bezie-

a) a. a. O. zu §. 301. (329.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0572" n="562"/><fw place="top" type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. &#xA75B;c. Tit. XXVIII.          Verbr. u. Verg. im Amte.</fw><lb/>
&#x017F;elben Rechts&#x017F;ache beiden Parteien         durch Rath oder Bei&#x017F;tand pflichtwidrig dient,<lb/>
wird mit Gefängniß nicht unter         drei Monaten be&#x017F;traft.</p><lb/>
              <p>Handelt der&#x017F;elbe vor&#x017F;ätzlich im Einver&#x017F;tändniß mit der         Gegenpartei zum<lb/>
Nachtheil &#x017F;eines Klienten, &#x017F;o tritt Zuchthaus bis         zu fünf Jahren ein.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Durch die Bezeichnung &#x201E;pflichtwidrig&#x201C; im er&#x017F;ten         Ab&#x017F;atz, welcher<lb/>
nach der er&#x017F;ten Le&#x017F;ung des         Ge&#x017F;etzbuchs auf den Vor&#x017F;chlag der         Kom-<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten Kammer zur deutlicheren         Fa&#x017F;&#x017F;ung der Strafbe&#x017F;tim-<lb/>
mung aufgenommen worden         i&#x017F;t, &#x017F;ollte der Zweifel be&#x017F;eitigt werden, als<lb/>
ob         &#x017F;chon wegen einer ganz unverfänglichen Dien&#x017F;tlei&#x017F;tung die         ge&#x017F;etzliche<lb/>
Strafe eintreten könnte. Man wollte die Rechtsanwälte dadurch         von<lb/>
vorne herein gegen mögliche Chikanen einer Partei &#x017F;icher         &#x017F;tellen. Da-<lb/>
gegen &#x017F;ind die Worte &#x201E;öffentlich         be&#x017F;tellter,&#x201C; welche der Entwurf von<lb/>
1850. §. 301. vor         Rechtsbei&#x017F;tand hatte, weggela&#x017F;&#x017F;en worden, weil         die<lb/>
&#x017F;ogleich folgende nähere Bezeichnung der Angelegenheiten, um die         es<lb/>
&#x017F;ich handelt, es &#x017F;chon genügend ausdrückt, daß der         Rechtsbei&#x017F;tand ein<lb/>
Beamter &#x017F;ein muß, dem die Wahrung der Rechte         einer Partei übertra-<lb/>
gen i&#x017F;t. <note place="foot" n="a)">a. a. O. zu §. 301.          (329.).</note> &#x2014; Wenn übrigens die Rechtsanwälte in Beziehung auf<lb/>
Verbrechen         und Vergehen im Amte auch den Staatsbeamten gleichge-<lb/>
&#x017F;tellt &#x017F;ind,         &#x017F;o werden dadurch die be&#x017F;onderen Be&#x017F;timmungen über         den<lb/>
Ehrenrath nicht berührt.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 330.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Ein Amtsvorge&#x017F;etzter, welcher &#x017F;eine Untergebenen zu einem Verbrechen         oder<lb/>
Vergehen im Amte vor&#x017F;ätzlich verleitet oder zu verleiten         ver&#x017F;ucht, oder ein<lb/>
&#x017F;olches Verbrechen oder Vergehen         &#x017F;einer Untergebenen wi&#x017F;&#x017F;entlich ge&#x017F;chehen         läßt,<lb/>
&#x017F;oll zu der auf die&#x017F;es Verbrechen oder Vergehen angedrohten         Strafe verur-<lb/>
theilt werden; in allen Fällen i&#x017F;t zugleich auf zeitige         Unfähigkeit zu öffentlichen<lb/>
Aemtern zu erkennen.</p><lb/>
              <p>Die&#x017F;elbe Be&#x017F;timmung findet auch auf einen Beamten Anwendung,         welchem<lb/>
eine Auf&#x017F;icht oder Kontrole über die Amtsge&#x017F;chäfte eines         Mitbeamten über-<lb/>
tragen i&#x017F;t, &#x017F;ofern das von die&#x017F;em         letzteren Beamten verübte Verbrechen oder<lb/>
Vergehen die zur Auf&#x017F;icht oder         Kontrole gehörenden Ge&#x017F;chäfte betrifft.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Amtsvorge&#x017F;etzte, welche ihre Untergebenen zu Verbrechen oder Ver-<lb/>
gehen im         Amte vor&#x017F;ätzlich verleiten oder zu verleiten &#x017F;uchen, oder         &#x017F;olche<lb/>
Verbrechen oder Vergehen wi&#x017F;&#x017F;entlich         ge&#x017F;chehen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ollen als Theil-<lb/>
nehmer         ange&#x017F;ehen und demgemäß be&#x017F;traft werden; auch trifft &#x017F;ie         &#x017F;tets<lb/>
die zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern.         Da&#x017F;&#x017F;elbe gilt in Bezie-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0572] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte. ſelben Rechtsſache beiden Parteien durch Rath oder Beiſtand pflichtwidrig dient, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten beſtraft. Handelt derſelbe vorſätzlich im Einverſtändniß mit der Gegenpartei zum Nachtheil ſeines Klienten, ſo tritt Zuchthaus bis zu fünf Jahren ein. Durch die Bezeichnung „pflichtwidrig“ im erſten Abſatz, welcher nach der erſten Leſung des Geſetzbuchs auf den Vorſchlag der Kom- miſſion der zweiten Kammer zur deutlicheren Faſſung der Strafbeſtim- mung aufgenommen worden iſt, ſollte der Zweifel beſeitigt werden, als ob ſchon wegen einer ganz unverfänglichen Dienſtleiſtung die geſetzliche Strafe eintreten könnte. Man wollte die Rechtsanwälte dadurch von vorne herein gegen mögliche Chikanen einer Partei ſicher ſtellen. Da- gegen ſind die Worte „öffentlich beſtellter,“ welche der Entwurf von 1850. §. 301. vor Rechtsbeiſtand hatte, weggelaſſen worden, weil die ſogleich folgende nähere Bezeichnung der Angelegenheiten, um die es ſich handelt, es ſchon genügend ausdrückt, daß der Rechtsbeiſtand ein Beamter ſein muß, dem die Wahrung der Rechte einer Partei übertra- gen iſt. a) — Wenn übrigens die Rechtsanwälte in Beziehung auf Verbrechen und Vergehen im Amte auch den Staatsbeamten gleichge- ſtellt ſind, ſo werden dadurch die beſonderen Beſtimmungen über den Ehrenrath nicht berührt. §. 330. Ein Amtsvorgeſetzter, welcher ſeine Untergebenen zu einem Verbrechen oder Vergehen im Amte vorſätzlich verleitet oder zu verleiten verſucht, oder ein ſolches Verbrechen oder Vergehen ſeiner Untergebenen wiſſentlich geſchehen läßt, ſoll zu der auf dieſes Verbrechen oder Vergehen angedrohten Strafe verur- theilt werden; in allen Fällen iſt zugleich auf zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern zu erkennen. Dieſelbe Beſtimmung findet auch auf einen Beamten Anwendung, welchem eine Aufſicht oder Kontrole über die Amtsgeſchäfte eines Mitbeamten über- tragen iſt, ſofern das von dieſem letzteren Beamten verübte Verbrechen oder Vergehen die zur Aufſicht oder Kontrole gehörenden Geſchäfte betrifft. Amtsvorgeſetzte, welche ihre Untergebenen zu Verbrechen oder Ver- gehen im Amte vorſätzlich verleiten oder zu verleiten ſuchen, oder ſolche Verbrechen oder Vergehen wiſſentlich geſchehen laſſen, ſollen als Theil- nehmer angeſehen und demgemäß beſtraft werden; auch trifft ſie ſtets die zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern. Daſſelbe gilt in Bezie- a) a. a. O. zu §. 301. (329.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/572
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/572>, abgerufen am 27.11.2024.