jedenfalls seine Dienstpflichten verletzt, zugleich unter das gemeine Straf- gesetz fällt." e)
Diese Ausführungen hatten keinen unmittelbaren Erfolg, indem die Staatsraths-Kommission auf die Einführung der zeitigen Unter- sagung der bürgerlichen Ehrenrechte nicht einging, und dadurch auch die anderen mit derselben in Verbindung gebrachten Vorschläge ihre Grund- lage verloren. f) Aber sowohl der Entwurf von 1850. als auch das Strafgesetzbuch (§§. 22. 23. 25.) sind jener Auffassung gefolgt, und das Gesetz vom 7. Mai 1851. §. 4. beruht auf derselben, indem es den Grundsatz: ne bis in idem nicht zur Anerkennung kommen läßt.
So scharfsinnig nun auch jene Entwicklung über die duplex per- sona des Beamten ist, und so wünschenswerth im Allgemeinen eine rationelle Grenzscheidung zwischen der Strafrechtspflege und dem Dis- ziplinarverfahren sein mag; so können die obigen Ausführungen, welche mit den Anschauungen der gemeinen Deutschen so wie der altpreußischen Jurisprudenz nicht übereinstimmen, doch nicht für richtig erkannt wer- den. Jene Unterscheidung zwischen der Person des Beamten als solchen und als Staatsbürgers ist, wenn auch an sich begründet, doch in dieser Anwendung bedenklich; es liegt dabei eine petitio principii zum Grunde, da es gerade auf die Beantwortung der Vorfrage ankommt, wie weit die Kompetenz der ordentlichen Strafgerichte auf die Dienstvergehen des Beamten auszudehnen ist, und aus demselben Grunde, aus welchem Handlungen, welche mit der Amtsentsetzung, welche doch gewiß ein empfindliches Strafübel ist, bedroht sind, dem gemeinen Strafrecht ent- zogen werden, könnten auch die Amtsverbrechen und Amtsvergehen, im Gegensatz zu den gemeinen Verbrechen und Vergehen, dem Disziplinar- verfahren vindizirt werden. Ja diese Argumentation könnte in ihrer vollen Konsequenz am Ende dahin führen, die Verbrechen der Staats- bürger gegen den Staat von den anderen gemeinen Verbrechen auszu- scheiden und einem besonderen Verfahren zu überweisen; denn es ließe sich am Ende auch eine solche doppelte Persönlichkeit des Unterthanen in seinem Verhältnisse zum Staate und zu seinen Mitbürgern dedu- ziren! -- Wenn aber das Verhältniß zwischen der Staatsregierung und dem Beamten als ein civilrechtliches bezeichnet wird, so führt diese An- sicht konsequenter Weise zu der privatrechtlichen Auffassung des Beam- tenverhältnisses, nach welcher die Lösung desselben am Wenigsten "ohne Urtel und Recht" erfolgen könnte.
e)Promemoria von Madihn, von Ammon und Grimm, d. d. Ber- lin den 13. Oktober 1847., abgedruckt als Beilage C. zu den Ferneren Verhand- lungen der Staatsraths-Kommission von 1847.
f)Fernere Verhandlungen u. s. w. S. 53.
Verbrechen und Vergehen im Amte.
jedenfalls ſeine Dienſtpflichten verletzt, zugleich unter das gemeine Straf- geſetz fällt.“ e)
Dieſe Ausführungen hatten keinen unmittelbaren Erfolg, indem die Staatsraths-Kommiſſion auf die Einführung der zeitigen Unter- ſagung der bürgerlichen Ehrenrechte nicht einging, und dadurch auch die anderen mit derſelben in Verbindung gebrachten Vorſchläge ihre Grund- lage verloren. f) Aber ſowohl der Entwurf von 1850. als auch das Strafgeſetzbuch (§§. 22. 23. 25.) ſind jener Auffaſſung gefolgt, und das Geſetz vom 7. Mai 1851. §. 4. beruht auf derſelben, indem es den Grundſatz: ne bis in idem nicht zur Anerkennung kommen läßt.
So ſcharfſinnig nun auch jene Entwicklung über die duplex per- sona des Beamten iſt, und ſo wünſchenswerth im Allgemeinen eine rationelle Grenzſcheidung zwiſchen der Strafrechtspflege und dem Dis- ziplinarverfahren ſein mag; ſo können die obigen Ausführungen, welche mit den Anſchauungen der gemeinen Deutſchen ſo wie der altpreußiſchen Jurisprudenz nicht übereinſtimmen, doch nicht für richtig erkannt wer- den. Jene Unterſcheidung zwiſchen der Perſon des Beamten als ſolchen und als Staatsbürgers iſt, wenn auch an ſich begründet, doch in dieſer Anwendung bedenklich; es liegt dabei eine petitio principii zum Grunde, da es gerade auf die Beantwortung der Vorfrage ankommt, wie weit die Kompetenz der ordentlichen Strafgerichte auf die Dienſtvergehen des Beamten auszudehnen iſt, und aus demſelben Grunde, aus welchem Handlungen, welche mit der Amtsentſetzung, welche doch gewiß ein empfindliches Strafübel iſt, bedroht ſind, dem gemeinen Strafrecht ent- zogen werden, könnten auch die Amtsverbrechen und Amtsvergehen, im Gegenſatz zu den gemeinen Verbrechen und Vergehen, dem Disziplinar- verfahren vindizirt werden. Ja dieſe Argumentation könnte in ihrer vollen Konſequenz am Ende dahin führen, die Verbrechen der Staats- bürger gegen den Staat von den anderen gemeinen Verbrechen auszu- ſcheiden und einem beſonderen Verfahren zu überweiſen; denn es ließe ſich am Ende auch eine ſolche doppelte Perſönlichkeit des Unterthanen in ſeinem Verhältniſſe zum Staate und zu ſeinen Mitbürgern dedu- ziren! — Wenn aber das Verhältniß zwiſchen der Staatsregierung und dem Beamten als ein civilrechtliches bezeichnet wird, ſo führt dieſe An- ſicht konſequenter Weiſe zu der privatrechtlichen Auffaſſung des Beam- tenverhältniſſes, nach welcher die Löſung deſſelben am Wenigſten „ohne Urtel und Recht“ erfolgen könnte.
e)Promemoria von Madihn, von Ammon und Grimm, d. d. Ber- lin den 13. Oktober 1847., abgedruckt als Beilage C. zu den Ferneren Verhand- lungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847.
f)Fernere Verhandlungen u. ſ. w. S. 53.
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die Staatsraths-Kommiſſion auf die Einführung der zeitigen Unter-
ſagung der bürgerlichen Ehrenrechte nicht einging, und dadurch auch die
anderen mit derſelben in Verbindung gebrachten Vorſchläge ihre Grund-
lage verloren. f) Aber ſowohl der Entwurf von 1850. als auch das
Strafgeſetzbuch (§§. 22. 23. 25.) ſind jener Auffaſſung gefolgt, und
das Geſetz vom 7. Mai 1851. §. 4. beruht auf derſelben, indem es
den Grundſatz: ne bis in idem nicht zur Anerkennung kommen läßt.
So ſcharfſinnig nun auch jene Entwicklung über die duplex per-
sona des Beamten iſt, und ſo wünſchenswerth im Allgemeinen eine
rationelle Grenzſcheidung zwiſchen der Strafrechtspflege und dem Dis-
ziplinarverfahren ſein mag; ſo können die obigen Ausführungen, welche
mit den Anſchauungen der gemeinen Deutſchen ſo wie der altpreußiſchen
Jurisprudenz nicht übereinſtimmen, doch nicht für richtig erkannt wer-
den. Jene Unterſcheidung zwiſchen der Perſon des Beamten als ſolchen
und als Staatsbürgers iſt, wenn auch an ſich begründet, doch in dieſer
Anwendung bedenklich; es liegt dabei eine petitio principii zum Grunde,
da es gerade auf die Beantwortung der Vorfrage ankommt, wie weit
die Kompetenz der ordentlichen Strafgerichte auf die Dienſtvergehen des
Beamten auszudehnen iſt, und aus demſelben Grunde, aus welchem
Handlungen, welche mit der Amtsentſetzung, welche doch gewiß ein
empfindliches Strafübel iſt, bedroht ſind, dem gemeinen Strafrecht ent-
zogen werden, könnten auch die Amtsverbrechen und Amtsvergehen, im
Gegenſatz zu den gemeinen Verbrechen und Vergehen, dem Disziplinar-
verfahren vindizirt werden. Ja dieſe Argumentation könnte in ihrer
vollen Konſequenz am Ende dahin führen, die Verbrechen der Staats-
bürger gegen den Staat von den anderen gemeinen Verbrechen auszu-
ſcheiden und einem beſonderen Verfahren zu überweiſen; denn es ließe
ſich am Ende auch eine ſolche doppelte Perſönlichkeit des Unterthanen
in ſeinem Verhältniſſe zum Staate und zu ſeinen Mitbürgern dedu-
ziren! — Wenn aber das Verhältniß zwiſchen der Staatsregierung und
dem Beamten als ein civilrechtliches bezeichnet wird, ſo führt dieſe An-
ſicht konſequenter Weiſe zu der privatrechtlichen Auffaſſung des Beam-
tenverhältniſſes, nach welcher die Löſung deſſelben am Wenigſten „ohne
Urtel und Recht“ erfolgen könnte.
e) Promemoria von Madihn, von Ammon und Grimm, d. d. Ber-
lin den 13. Oktober 1847., abgedruckt als Beilage C. zu den Ferneren Verhand-
lungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847.
f) Fernere Verhandlungen u. ſ. w. S. 53.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/559>, abgerufen am 28.11.2024.
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