bei welcher eine Tödtung oder schwere Körperverletzung stattgefunden habe, schon wegen dieser Theilnahme mit einer Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten zu belegen. Man hob hervor, daß es den allge- meinen Grundsätzen des Strafrechts widerspreche, jemanden für etwas Anderes verantwortlich zu machen, als was ihm als Erfolg seiner Handlung nachgewiesen werden könne, und wenn dem auch entgegen- gesetzt ward, daß eben die Bestrafung einer solchen qualificirten Schlä- gerei als eines selbständigen Vergehens (homicidium in turba com- missum) sich wohl rechtfertigen lasse, so entschied doch zuletzt haupt- sächlich das von dem Regierungskommissar nach amtlichen Ausweisen als dringend dargethane Bedürfniß für die Annahme der Bestimmung. Man war aber darin einverstanden, daß hier von einer Theilnahme an einer Tödtung oder schweren Körperverletzung nicht die Rede sein dürfe, wenn nicht die allgemeinen Grundsätze des Strafrechts und das System dieses Gesetzbuchs verletzt werden sollten, und in diesem Sinne ist auch der §. 195 gefaßt worden. s)
Im Allgemeinen unterscheidet nun das Strafgesetzbuch bei den Verbrechen und Vergehen (von den Uebertretungen wird später in der Einleitung zum dritten Theile besonders gehandelt werden), ob sie mit Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit begangen sind, was bestimmt bei denjenigen hervortritt, welche je nachdem das Eine oder das Andere der Fall ist, mit einer verschiedenen Strafe bedroht sind, wie die Töd- tung, die Körperverletzung, die Brandstiftung, Ueberschwemmung u. s. w. Doch reicht die Entwicklung dieses Gegensatzes nicht aus, um alle Momente, welche hierbei in Betracht kommen, gehörig zu bezeichnen, wenn auch ein näheres Eingehen in die Grundsätze des Strafgesetzbuchs über die Verschuldung und deren verschiedene Grade an die Untersuchung jener Begriffe sich anknüpfen läßt.
I. Der Vorsatz.
Mit dem Ausdruck: vorsätzlich bezeichnet das Strafgesetz diejenige Willensbestimmung, welche auf die Verübung einer als Verbrechen oder Vergehen unter Strafe gestellten Handlung gerichtet ist, t) und hebt da- durch den Unterschied von derjenigen Handlungsweise hervor, welche möglicher Weise auch unter eine Strafbestimmung fallen kann, aber nur weil die vom Gesetze geforderte Vorsicht (die obligatio ad diligentiam)
bei welcher eine Tödtung oder ſchwere Körperverletzung ſtattgefunden habe, ſchon wegen dieſer Theilnahme mit einer Gefängnißſtrafe nicht unter drei Monaten zu belegen. Man hob hervor, daß es den allge- meinen Grundſätzen des Strafrechts widerſpreche, jemanden für etwas Anderes verantwortlich zu machen, als was ihm als Erfolg ſeiner Handlung nachgewieſen werden könne, und wenn dem auch entgegen- geſetzt ward, daß eben die Beſtrafung einer ſolchen qualificirten Schlä- gerei als eines ſelbſtändigen Vergehens (homicidium in turba com- missum) ſich wohl rechtfertigen laſſe, ſo entſchied doch zuletzt haupt- ſächlich das von dem Regierungskommiſſar nach amtlichen Ausweiſen als dringend dargethane Bedürfniß für die Annahme der Beſtimmung. Man war aber darin einverſtanden, daß hier von einer Theilnahme an einer Tödtung oder ſchweren Körperverletzung nicht die Rede ſein dürfe, wenn nicht die allgemeinen Grundſätze des Strafrechts und das Syſtem dieſes Geſetzbuchs verletzt werden ſollten, und in dieſem Sinne iſt auch der §. 195 gefaßt worden. s)
Im Allgemeinen unterſcheidet nun das Strafgeſetzbuch bei den Verbrechen und Vergehen (von den Uebertretungen wird ſpäter in der Einleitung zum dritten Theile beſonders gehandelt werden), ob ſie mit Vorſatz oder aus Fahrläſſigkeit begangen ſind, was beſtimmt bei denjenigen hervortritt, welche je nachdem das Eine oder das Andere der Fall iſt, mit einer verſchiedenen Strafe bedroht ſind, wie die Töd- tung, die Körperverletzung, die Brandſtiftung, Ueberſchwemmung u. ſ. w. Doch reicht die Entwicklung dieſes Gegenſatzes nicht aus, um alle Momente, welche hierbei in Betracht kommen, gehörig zu bezeichnen, wenn auch ein näheres Eingehen in die Grundſätze des Strafgeſetzbuchs über die Verſchuldung und deren verſchiedene Grade an die Unterſuchung jener Begriffe ſich anknüpfen läßt.
I. Der Vorſatz.
Mit dem Ausdruck: vorſätzlich bezeichnet das Strafgeſetz diejenige Willensbeſtimmung, welche auf die Verübung einer als Verbrechen oder Vergehen unter Strafe geſtellten Handlung gerichtet iſt, t) und hebt da- durch den Unterſchied von derjenigen Handlungsweiſe hervor, welche möglicher Weiſe auch unter eine Strafbeſtimmung fallen kann, aber nur weil die vom Geſetze geforderte Vorſicht (die obligatio ad diligentiam)
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[44/0054]
Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
bei welcher eine Tödtung oder ſchwere Körperverletzung ſtattgefunden
habe, ſchon wegen dieſer Theilnahme mit einer Gefängnißſtrafe nicht
unter drei Monaten zu belegen. Man hob hervor, daß es den allge-
meinen Grundſätzen des Strafrechts widerſpreche, jemanden für etwas
Anderes verantwortlich zu machen, als was ihm als Erfolg ſeiner
Handlung nachgewieſen werden könne, und wenn dem auch entgegen-
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gerei als eines ſelbſtändigen Vergehens (homicidium in turba com-
missum) ſich wohl rechtfertigen laſſe, ſo entſchied doch zuletzt haupt-
ſächlich das von dem Regierungskommiſſar nach amtlichen Ausweiſen
als dringend dargethane Bedürfniß für die Annahme der Beſtimmung.
Man war aber darin einverſtanden, daß hier von einer Theilnahme an
einer Tödtung oder ſchweren Körperverletzung nicht die Rede ſein dürfe,
wenn nicht die allgemeinen Grundſätze des Strafrechts und das Syſtem
dieſes Geſetzbuchs verletzt werden ſollten, und in dieſem Sinne iſt auch
der §. 195 gefaßt worden. s)
Im Allgemeinen unterſcheidet nun das Strafgeſetzbuch bei den
Verbrechen und Vergehen (von den Uebertretungen wird ſpäter in
der Einleitung zum dritten Theile beſonders gehandelt werden), ob ſie
mit Vorſatz oder aus Fahrläſſigkeit begangen ſind, was beſtimmt
bei denjenigen hervortritt, welche je nachdem das Eine oder das Andere
der Fall iſt, mit einer verſchiedenen Strafe bedroht ſind, wie die Töd-
tung, die Körperverletzung, die Brandſtiftung, Ueberſchwemmung u. ſ. w.
Doch reicht die Entwicklung dieſes Gegenſatzes nicht aus, um alle
Momente, welche hierbei in Betracht kommen, gehörig zu bezeichnen,
wenn auch ein näheres Eingehen in die Grundſätze des Strafgeſetzbuchs
über die Verſchuldung und deren verſchiedene Grade an die Unterſuchung
jener Begriffe ſich anknüpfen läßt.
I. Der Vorſatz.
Mit dem Ausdruck: vorſätzlich bezeichnet das Strafgeſetz diejenige
Willensbeſtimmung, welche auf die Verübung einer als Verbrechen oder
Vergehen unter Strafe geſtellten Handlung gerichtet iſt, t) und hebt da-
durch den Unterſchied von derjenigen Handlungsweiſe hervor, welche
möglicher Weiſe auch unter eine Strafbeſtimmung fallen kann, aber nur
weil die vom Geſetze geforderte Vorſicht (die obligatio ad diligentiam)
s) a. a. O. S. 142, 143.
t) S. §. 71, 85, 94, 95, 106, 107, 111, 113, 131, 138, 171, 180, 181,
183, 187, 189, 191, 192, 194, 197, 203, 246, 272, 285-87, 290-92, 294,
296, 297, 301-4, 308, 314, 316, 320, 322, 330.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/54>, abgerufen am 29.12.2024.
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