Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXV. Strafbarer Eigennutz.
Der Entwurf von 1847. §. 329. ist im Sinne der angeführten Bemerkungen abgeändert, auch ist daselbst zur Annäherung an das Rheinische Recht, wie bei der Hehlerei, "gewohnheitsmäßig" statt "ge- werbsmäßig" gesetzt worden. e) Der vereinigte ständische Ausschuß ver- warf aber nach längerer Verhandlung die Regierungsvorlage, und beschloß, die §. 329. angedrohte Strafe nur dann eintreten zu lassen, wenn der Schuldvertrag ein simulirter ist oder eine mindere Valuta, als das Schulddokument besagt, bezahlt worden ist. f) Der Entwurf von 1850. stellte jedoch die frühere Bestimmung aus den oben ange- führten Gründen wieder her, g) und auch die Kommissionen der beiden Kammern traten derselben bis auf eine unwesentliche Fassungsände- rung bei.
I. Die Bestimmungen des Civilrechts über Zinsverbote und wu- cherliche Kontrakte werden als fortbestehend vorausgesetzt; in Betreff des Allgem. Landrechts Th. II. Tit. 20. §. 1271. 1272. ist im Ein- führungsgesetz vom 14. April 1851. Art. XI. eine ausdrückliche Vor- schrift enthalten.
II. Der Begriff des Gewohnheitsmäßigen ist hier ähnlich wie bei der Hehlerei zu bestimmen; s. oben S. 454. 455.
III. Die Frage, ob ein verdeckter Wucher vorliegt, kann nur nach den Umständen beantwortet werden, und ist dem richterlichen Ermessen zur Entscheidung zu überweisen. Es ist jedesmal festzustellen, ob durch die Einkleidung des Geschäfts unerlaubte Vortheile versteckt werden und ob diese Versteckung beabsichtigt ist; dagegen kommt es nicht darauf an, wer hat getäuscht werden sollen. h) Diese Grundsätze kommen nament- lich auch bei dem Wechselgeschäft zur Anwendung, bei welchem der Mangel einer Valutaquittung allerdings den verdeckten Wucher sehr begünstigt. So wenig aber dieser Mangel, wie sich von selbst versteht, irgend eine Vermuthung für eine beabsichtigte Gesetzesumgehung be- gründet, so wenig kann die bevorzugte Form des Wechsels die Unter- suchung und Bestrafung eines Vergehens, zu dessen Verübung gerade diese Form gewählt worden ist, verhindern. Auch hier müssen die Um- stände und die Absicht entscheiden.
IV. Der Wucher wird wie der Betrug mit dreifach gehäufter Strafe geahndet: Gefängniß von drei Monaten bis zu Einem Jahre, Geldbuße von funfzig bis zu Eintausend Thalern und zeitige Unter- sagung der bürgerlichen Ehrenrechte.
e)Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1847. S. 14.
f)Verhandlungen. IV. S. 363.
g)Motive zum Entwurf von 1850. §. 240.
h)Revision von 1845. III. S. 60.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXV. Strafbarer Eigennutz.
Der Entwurf von 1847. §. 329. iſt im Sinne der angeführten Bemerkungen abgeändert, auch iſt daſelbſt zur Annäherung an das Rheiniſche Recht, wie bei der Hehlerei, „gewohnheitsmäßig“ ſtatt „ge- werbsmäßig“ geſetzt worden. e) Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß ver- warf aber nach längerer Verhandlung die Regierungsvorlage, und beſchloß, die §. 329. angedrohte Strafe nur dann eintreten zu laſſen, wenn der Schuldvertrag ein ſimulirter iſt oder eine mindere Valuta, als das Schulddokument beſagt, bezahlt worden iſt. f) Der Entwurf von 1850. ſtellte jedoch die frühere Beſtimmung aus den oben ange- führten Gründen wieder her, g) und auch die Kommiſſionen der beiden Kammern traten derſelben bis auf eine unweſentliche Faſſungsände- rung bei.
I. Die Beſtimmungen des Civilrechts über Zinsverbote und wu- cherliche Kontrakte werden als fortbeſtehend vorausgeſetzt; in Betreff des Allgem. Landrechts Th. II. Tit. 20. §. 1271. 1272. iſt im Ein- führungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XI. eine ausdrückliche Vor- ſchrift enthalten.
II. Der Begriff des Gewohnheitsmäßigen iſt hier ähnlich wie bei der Hehlerei zu beſtimmen; ſ. oben S. 454. 455.
III. Die Frage, ob ein verdeckter Wucher vorliegt, kann nur nach den Umſtänden beantwortet werden, und iſt dem richterlichen Ermeſſen zur Entſcheidung zu überweiſen. Es iſt jedesmal feſtzuſtellen, ob durch die Einkleidung des Geſchäfts unerlaubte Vortheile verſteckt werden und ob dieſe Verſteckung beabſichtigt iſt; dagegen kommt es nicht darauf an, wer hat getäuſcht werden ſollen. h) Dieſe Grundſätze kommen nament- lich auch bei dem Wechſelgeſchäft zur Anwendung, bei welchem der Mangel einer Valutaquittung allerdings den verdeckten Wucher ſehr begünſtigt. So wenig aber dieſer Mangel, wie ſich von ſelbſt verſteht, irgend eine Vermuthung für eine beabſichtigte Geſetzesumgehung be- gründet, ſo wenig kann die bevorzugte Form des Wechſels die Unter- ſuchung und Beſtrafung eines Vergehens, zu deſſen Verübung gerade dieſe Form gewählt worden iſt, verhindern. Auch hier müſſen die Um- ſtände und die Abſicht entſcheiden.
IV. Der Wucher wird wie der Betrug mit dreifach gehäufter Strafe geahndet: Gefängniß von drei Monaten bis zu Einem Jahre, Geldbuße von funfzig bis zu Eintauſend Thalern und zeitige Unter- ſagung der bürgerlichen Ehrenrechte.
e)Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847. S. 14.
f)Verhandlungen. IV. S. 363.
g)Motive zum Entwurf von 1850. §. 240.
h)Reviſion von 1845. III. S. 60.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0514"n="504"/><fwplace="top"type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXV. Strafbarer Eigennutz.</fw><lb/><p>Der Entwurf von 1847. §. 329. iſt im Sinne der angeführten<lb/>
Bemerkungen abgeändert, auch iſt daſelbſt zur Annäherung an das<lb/>
Rheiniſche Recht, wie bei der Hehlerei, „gewohnheitsmäßig“ſtatt „ge-<lb/>
werbsmäßig“ geſetzt worden. <noteplace="foot"n="e)"><hirendition="#g">Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von</hi><lb/>
1847. S. 14.</note> Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß ver-<lb/>
warf aber nach längerer Verhandlung die Regierungsvorlage, und<lb/>
beſchloß, die §. 329. angedrohte Strafe nur dann eintreten zu laſſen,<lb/>
wenn der Schuldvertrag ein ſimulirter iſt oder eine mindere Valuta,<lb/>
als das Schulddokument beſagt, bezahlt worden iſt. <noteplace="foot"n="f)"><hirendition="#g">Verhandlungen</hi>. IV. S. 363.</note> Der Entwurf<lb/>
von 1850. ſtellte jedoch die frühere Beſtimmung aus den oben ange-<lb/>
führten Gründen wieder her, <noteplace="foot"n="g)"><hirendition="#g">Motive zum Entwurf von</hi> 1850. §. 240.</note> und auch die Kommiſſionen der beiden<lb/>
Kammern traten derſelben bis auf eine unweſentliche Faſſungsände-<lb/>
rung bei.</p><lb/><p>I. Die Beſtimmungen des Civilrechts über Zinsverbote und wu-<lb/>
cherliche Kontrakte werden als fortbeſtehend vorausgeſetzt; in Betreff<lb/>
des Allgem. Landrechts Th. II. Tit. 20. §. 1271. 1272. iſt im Ein-<lb/>
führungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XI. eine ausdrückliche Vor-<lb/>ſchrift enthalten.</p><lb/><p>II. Der Begriff des Gewohnheitsmäßigen iſt hier ähnlich wie bei<lb/>
der Hehlerei zu beſtimmen; ſ. oben S. 454. 455.</p><lb/><p>III. Die Frage, ob ein verdeckter Wucher vorliegt, kann nur nach<lb/>
den Umſtänden beantwortet werden, und iſt dem richterlichen Ermeſſen<lb/>
zur Entſcheidung zu überweiſen. Es iſt jedesmal feſtzuſtellen, ob durch<lb/>
die Einkleidung des Geſchäfts unerlaubte Vortheile verſteckt werden und<lb/>
ob dieſe Verſteckung beabſichtigt iſt; dagegen kommt es nicht darauf an,<lb/>
wer hat getäuſcht werden ſollen. <noteplace="foot"n="h)"><hirendition="#g">Reviſion von</hi> 1845. III. S. 60.</note> Dieſe Grundſätze kommen nament-<lb/>
lich auch bei dem Wechſelgeſchäft zur Anwendung, bei welchem der<lb/>
Mangel einer Valutaquittung allerdings den verdeckten Wucher ſehr<lb/>
begünſtigt. So wenig aber dieſer Mangel, wie ſich von ſelbſt verſteht,<lb/>
irgend eine Vermuthung für eine beabſichtigte Geſetzesumgehung be-<lb/>
gründet, ſo wenig kann die bevorzugte Form des Wechſels die Unter-<lb/>ſuchung und Beſtrafung eines Vergehens, zu deſſen Verübung gerade<lb/>
dieſe Form gewählt worden iſt, verhindern. Auch hier müſſen die Um-<lb/>ſtände und die Abſicht entſcheiden.</p><lb/><p>IV. Der Wucher wird wie der Betrug mit dreifach gehäufter<lb/>
Strafe geahndet: Gefängniß von drei Monaten bis zu Einem Jahre,<lb/>
Geldbuße von funfzig bis zu Eintauſend Thalern und zeitige Unter-<lb/>ſagung der bürgerlichen Ehrenrechte.</p></div></div><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[504/0514]
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXV. Strafbarer Eigennutz.
Der Entwurf von 1847. §. 329. iſt im Sinne der angeführten
Bemerkungen abgeändert, auch iſt daſelbſt zur Annäherung an das
Rheiniſche Recht, wie bei der Hehlerei, „gewohnheitsmäßig“ ſtatt „ge-
werbsmäßig“ geſetzt worden. e) Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß ver-
warf aber nach längerer Verhandlung die Regierungsvorlage, und
beſchloß, die §. 329. angedrohte Strafe nur dann eintreten zu laſſen,
wenn der Schuldvertrag ein ſimulirter iſt oder eine mindere Valuta,
als das Schulddokument beſagt, bezahlt worden iſt. f) Der Entwurf
von 1850. ſtellte jedoch die frühere Beſtimmung aus den oben ange-
führten Gründen wieder her, g) und auch die Kommiſſionen der beiden
Kammern traten derſelben bis auf eine unweſentliche Faſſungsände-
rung bei.
I. Die Beſtimmungen des Civilrechts über Zinsverbote und wu-
cherliche Kontrakte werden als fortbeſtehend vorausgeſetzt; in Betreff
des Allgem. Landrechts Th. II. Tit. 20. §. 1271. 1272. iſt im Ein-
führungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XI. eine ausdrückliche Vor-
ſchrift enthalten.
II. Der Begriff des Gewohnheitsmäßigen iſt hier ähnlich wie bei
der Hehlerei zu beſtimmen; ſ. oben S. 454. 455.
III. Die Frage, ob ein verdeckter Wucher vorliegt, kann nur nach
den Umſtänden beantwortet werden, und iſt dem richterlichen Ermeſſen
zur Entſcheidung zu überweiſen. Es iſt jedesmal feſtzuſtellen, ob durch
die Einkleidung des Geſchäfts unerlaubte Vortheile verſteckt werden und
ob dieſe Verſteckung beabſichtigt iſt; dagegen kommt es nicht darauf an,
wer hat getäuſcht werden ſollen. h) Dieſe Grundſätze kommen nament-
lich auch bei dem Wechſelgeſchäft zur Anwendung, bei welchem der
Mangel einer Valutaquittung allerdings den verdeckten Wucher ſehr
begünſtigt. So wenig aber dieſer Mangel, wie ſich von ſelbſt verſteht,
irgend eine Vermuthung für eine beabſichtigte Geſetzesumgehung be-
gründet, ſo wenig kann die bevorzugte Form des Wechſels die Unter-
ſuchung und Beſtrafung eines Vergehens, zu deſſen Verübung gerade
dieſe Form gewählt worden iſt, verhindern. Auch hier müſſen die Um-
ſtände und die Abſicht entſcheiden.
IV. Der Wucher wird wie der Betrug mit dreifach gehäufter
Strafe geahndet: Gefängniß von drei Monaten bis zu Einem Jahre,
Geldbuße von funfzig bis zu Eintauſend Thalern und zeitige Unter-
ſagung der bürgerlichen Ehrenrechte.
e) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von
1847. S. 14.
f) Verhandlungen. IV. S. 363.
g) Motive zum Entwurf von 1850. §. 240.
h) Reviſion von 1845. III. S. 60.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/514>, abgerufen am 31.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.