Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
habe er von selbst auch in den schwersten Erfolg eingewilligt. In allen
diesen Fällen also, die eigentlich nur durch äußerliche Nüancen ver-
schieden seien, liege voller strafbarer Dolus vor. Nur stehen dolus al-
ternativus
und eventualis in ihrer Nüancirung eigentlich noch näher
an dem dolus directus, als der vorzugsweise s. g. indeterminatus. h)

Auf diese Erwägungen wurde der Vorschlag gestützt, einen Titel
von dem Vorsatze in folgender Fassung aufzunehmen:

§. 41. "Ein Verbrechen ist als ein vorsätzliches anzusehen, nicht
nur in dem Falle, wenn der Wille des Handelnden ausschließlich auf
den eingetretenen gesetzwidrigen Erfolg gerichtet war, sondern auch dann,
wenn der Handelnde diesen Erfolg als einen von mehreren möglichen
Erfolgen bezweckte, selbst wenn er den einen oder den anderen derselben
vorzugsweise bewirken wollte. -- Nicht minder ist das Verbrechen als
ein vorsätzliches anzusehen, wenn der Wille des Handelnden auf eine
unbestimmte Rechtsverletzung gerichtet war, insofern dieselbe nach dem
allgemeinen oder dem Thäter besonders bekannten Laufe der Dinge, von
der Gefahr des wirklich eingetretenen Erfolges begleitet wurde." i)

Zur Unterstützung dieses Vorschlags wurde denn noch hinzugefügt,
daß die Definition des dolus directus mehr vorausgesetzt als dispositiv
aufgestellt worden; sie diene nur zur Unterlage für die darin bezeichne-
ten, dem dolus directus verwandten Begriffe, welche beide (im Gegen-
satze zum indeterminatus) bestimmte Gedanken und Absichten in sich
schließen. Charakterisirt aber sei dabei der Vorsatz durch die Richtung
des Willens auf den eingetretenen gesetzwidrigen Erfolg. -- In dem
zweiten Absatz habe man zur Bezeichnung des dolus indeterminatus
eine mehr objektive und weniger hypothetische Fassung gewählt, wie
früher. Das Charakteristische sei dabei zunächst die Richtung des Wil-
lens auf eine unbestimmte Rechtsverletzung, ein Moment, welches kei-
nesweges bloß bei dem Todtschlage, wie man wohl angenommen habe,
sondern auch bei der Brandstiftung und anderen gemeingefährlichen Ver-
brechen hervortreten könne. Die Handlung selbst, das was der Thäter
an dem Objekt thue, möge hierbei immer etwas Bestimmtes sein; die
Rechtsverletzung, auf welche sich der Wille richte, sei an sich unbestimmt.
Diese Rechtsverletzung müsse aber demnächst im Verhältnisse zu ihrem
wirklich eingetretenen Erfolge aufgefaßt werden. k)


h) a. a. O. S. 129.
i) Revidirter Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Preuß. Staa-
ten
. Vorgelegt von dem Ministerium der Gesetz-Revision (Berlin 1845). §. 41.
k) Revision des Entwurfs des Strafgesetzbuchs von 1843. I.
S. 129, 130.

Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
habe er von ſelbſt auch in den ſchwerſten Erfolg eingewilligt. In allen
dieſen Fällen alſo, die eigentlich nur durch äußerliche Nüancen ver-
ſchieden ſeien, liege voller ſtrafbarer Dolus vor. Nur ſtehen dolus al-
ternativus
und eventualis in ihrer Nüancirung eigentlich noch näher
an dem dolus directus, als der vorzugsweiſe ſ. g. indeterminatus. h)

Auf dieſe Erwägungen wurde der Vorſchlag geſtützt, einen Titel
von dem Vorſatze in folgender Faſſung aufzunehmen:

§. 41. „Ein Verbrechen iſt als ein vorſätzliches anzuſehen, nicht
nur in dem Falle, wenn der Wille des Handelnden ausſchließlich auf
den eingetretenen geſetzwidrigen Erfolg gerichtet war, ſondern auch dann,
wenn der Handelnde dieſen Erfolg als einen von mehreren möglichen
Erfolgen bezweckte, ſelbſt wenn er den einen oder den anderen derſelben
vorzugsweiſe bewirken wollte. — Nicht minder iſt das Verbrechen als
ein vorſätzliches anzuſehen, wenn der Wille des Handelnden auf eine
unbeſtimmte Rechtsverletzung gerichtet war, inſofern dieſelbe nach dem
allgemeinen oder dem Thäter beſonders bekannten Laufe der Dinge, von
der Gefahr des wirklich eingetretenen Erfolges begleitet wurde.“ i)

Zur Unterſtützung dieſes Vorſchlags wurde denn noch hinzugefügt,
daß die Definition des dolus directus mehr vorausgeſetzt als dispoſitiv
aufgeſtellt worden; ſie diene nur zur Unterlage für die darin bezeichne-
ten, dem dolus directus verwandten Begriffe, welche beide (im Gegen-
ſatze zum indeterminatus) beſtimmte Gedanken und Abſichten in ſich
ſchließen. Charakteriſirt aber ſei dabei der Vorſatz durch die Richtung
des Willens auf den eingetretenen geſetzwidrigen Erfolg. — In dem
zweiten Abſatz habe man zur Bezeichnung des dolus indeterminatus
eine mehr objektive und weniger hypothetiſche Faſſung gewählt, wie
früher. Das Charakteriſtiſche ſei dabei zunächſt die Richtung des Wil-
lens auf eine unbeſtimmte Rechtsverletzung, ein Moment, welches kei-
nesweges bloß bei dem Todtſchlage, wie man wohl angenommen habe,
ſondern auch bei der Brandſtiftung und anderen gemeingefährlichen Ver-
brechen hervortreten könne. Die Handlung ſelbſt, das was der Thäter
an dem Objekt thue, möge hierbei immer etwas Beſtimmtes ſein; die
Rechtsverletzung, auf welche ſich der Wille richte, ſei an ſich unbeſtimmt.
Dieſe Rechtsverletzung müſſe aber demnächſt im Verhältniſſe zu ihrem
wirklich eingetretenen Erfolge aufgefaßt werden. k)


h) a. a. O. S. 129.
i) Revidirter Entwurf des Strafgeſetzbuchs für die Preuß. Staa-
ten
. Vorgelegt von dem Miniſterium der Geſetz-Reviſion (Berlin 1845). §. 41.
k) Reviſion des Entwurfs des Strafgeſetzbuchs von 1843. I.
S. 129, 130.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0050" n="40"/><fw place="top" type="header">Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.</fw><lb/>
habe er von        &#x017F;elb&#x017F;t auch in den &#x017F;chwer&#x017F;ten Erfolg        eingewilligt. In allen<lb/>
die&#x017F;en Fällen al&#x017F;o, die eigentlich nur durch        äußerliche Nüancen ver-<lb/>
&#x017F;chieden &#x017F;eien, liege voller        &#x017F;trafbarer Dolus vor. Nur &#x017F;tehen <hi rendition="#aq">dolus         al-<lb/>
ternativus</hi> und <hi rendition="#aq">eventualis</hi> in ihrer Nüancirung        eigentlich noch näher<lb/>
an dem <hi rendition="#aq">dolus directus</hi>, als der        vorzugswei&#x017F;e &#x017F;. g. <hi rendition="#aq">indeterminatus.</hi> <note place="foot" n="h)">a. a. O. S. 129.</note>       </p><lb/>
            <p>Auf die&#x017F;e Erwägungen wurde der Vor&#x017F;chlag ge&#x017F;tützt, einen        Titel<lb/>
von dem Vor&#x017F;atze in folgender Fa&#x017F;&#x017F;ung        aufzunehmen:</p><lb/>
            <p>§. 41. &#x201E;Ein Verbrechen i&#x017F;t als ein vor&#x017F;ätzliches        anzu&#x017F;ehen, nicht<lb/>
nur in dem Falle, wenn der Wille des Handelnden        aus&#x017F;chließlich auf<lb/>
den eingetretenen ge&#x017F;etzwidrigen Erfolg        gerichtet war, &#x017F;ondern auch dann,<lb/>
wenn der Handelnde die&#x017F;en Erfolg        als einen von mehreren möglichen<lb/>
Erfolgen bezweckte, &#x017F;elb&#x017F;t wenn er        den einen oder den anderen der&#x017F;elben<lb/>
vorzugswei&#x017F;e bewirken wollte.        &#x2014; Nicht minder i&#x017F;t das Verbrechen als<lb/>
ein vor&#x017F;ätzliches        anzu&#x017F;ehen, wenn der Wille des Handelnden auf eine<lb/>
unbe&#x017F;timmte        Rechtsverletzung gerichtet war, in&#x017F;ofern die&#x017F;elbe nach        dem<lb/>
allgemeinen oder dem Thäter be&#x017F;onders bekannten Laufe der Dinge,        von<lb/>
der Gefahr des wirklich eingetretenen Erfolges begleitet wurde.&#x201C; <note place="foot" n="i)"><hi rendition="#g">Revidirter Entwurf des Strafge&#x017F;etzbuchs          für die Preuß. Staa-<lb/>
ten</hi>. Vorgelegt von dem Mini&#x017F;terium der         Ge&#x017F;etz-Revi&#x017F;ion (Berlin 1845). §. 41.</note>       </p><lb/>
            <p>Zur Unter&#x017F;tützung die&#x017F;es Vor&#x017F;chlags wurde denn noch        hinzugefügt,<lb/>
daß die Definition des <hi rendition="#aq">dolus directus</hi> mehr        vorausge&#x017F;etzt als dispo&#x017F;itiv<lb/>
aufge&#x017F;tellt worden;        &#x017F;ie diene nur zur Unterlage für die darin bezeichne-<lb/>
ten, dem <hi rendition="#aq">dolus directus</hi> verwandten Begriffe, welche beide (im        Gegen-<lb/>
&#x017F;atze zum <hi rendition="#aq">indeterminatus</hi>) be&#x017F;timmte        Gedanken und Ab&#x017F;ichten in &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chließen.        Charakteri&#x017F;irt aber &#x017F;ei dabei der Vor&#x017F;atz durch die        Richtung<lb/>
des Willens auf den eingetretenen ge&#x017F;etzwidrigen Erfolg. &#x2014;        In dem<lb/>
zweiten Ab&#x017F;atz habe man zur Bezeichnung des <hi rendition="#aq">dolus         indeterminatus</hi><lb/>
eine mehr objektive und weniger hypotheti&#x017F;che        Fa&#x017F;&#x017F;ung gewählt, wie<lb/>
früher. Das        Charakteri&#x017F;ti&#x017F;che &#x017F;ei dabei zunäch&#x017F;t die Richtung        des Wil-<lb/>
lens auf eine unbe&#x017F;timmte Rechtsverletzung, ein Moment, welches        kei-<lb/>
nesweges bloß bei dem Todt&#x017F;chlage, wie man wohl angenommen        habe,<lb/>
&#x017F;ondern auch bei der Brand&#x017F;tiftung und anderen        gemeingefährlichen Ver-<lb/>
brechen hervortreten könne. Die Handlung        &#x017F;elb&#x017F;t, das was der Thäter<lb/>
an dem Objekt thue, möge hierbei immer        etwas Be&#x017F;timmtes &#x017F;ein; die<lb/>
Rechtsverletzung, auf welche        &#x017F;ich der Wille richte, &#x017F;ei an &#x017F;ich        unbe&#x017F;timmt.<lb/>
Die&#x017F;e Rechtsverletzung mü&#x017F;&#x017F;e aber        demnäch&#x017F;t im Verhältni&#x017F;&#x017F;e zu ihrem<lb/>
wirklich        eingetretenen Erfolge aufgefaßt werden. <note place="foot" n="k)"><hi rendition="#g">Revi&#x017F;ion des Entwurfs des Strafge&#x017F;etzbuchs</hi> von 1843. I.<lb/>
S.         129, 130.</note>       </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0050] Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen. habe er von ſelbſt auch in den ſchwerſten Erfolg eingewilligt. In allen dieſen Fällen alſo, die eigentlich nur durch äußerliche Nüancen ver- ſchieden ſeien, liege voller ſtrafbarer Dolus vor. Nur ſtehen dolus al- ternativus und eventualis in ihrer Nüancirung eigentlich noch näher an dem dolus directus, als der vorzugsweiſe ſ. g. indeterminatus. h) Auf dieſe Erwägungen wurde der Vorſchlag geſtützt, einen Titel von dem Vorſatze in folgender Faſſung aufzunehmen: §. 41. „Ein Verbrechen iſt als ein vorſätzliches anzuſehen, nicht nur in dem Falle, wenn der Wille des Handelnden ausſchließlich auf den eingetretenen geſetzwidrigen Erfolg gerichtet war, ſondern auch dann, wenn der Handelnde dieſen Erfolg als einen von mehreren möglichen Erfolgen bezweckte, ſelbſt wenn er den einen oder den anderen derſelben vorzugsweiſe bewirken wollte. — Nicht minder iſt das Verbrechen als ein vorſätzliches anzuſehen, wenn der Wille des Handelnden auf eine unbeſtimmte Rechtsverletzung gerichtet war, inſofern dieſelbe nach dem allgemeinen oder dem Thäter beſonders bekannten Laufe der Dinge, von der Gefahr des wirklich eingetretenen Erfolges begleitet wurde.“ i) Zur Unterſtützung dieſes Vorſchlags wurde denn noch hinzugefügt, daß die Definition des dolus directus mehr vorausgeſetzt als dispoſitiv aufgeſtellt worden; ſie diene nur zur Unterlage für die darin bezeichne- ten, dem dolus directus verwandten Begriffe, welche beide (im Gegen- ſatze zum indeterminatus) beſtimmte Gedanken und Abſichten in ſich ſchließen. Charakteriſirt aber ſei dabei der Vorſatz durch die Richtung des Willens auf den eingetretenen geſetzwidrigen Erfolg. — In dem zweiten Abſatz habe man zur Bezeichnung des dolus indeterminatus eine mehr objektive und weniger hypothetiſche Faſſung gewählt, wie früher. Das Charakteriſtiſche ſei dabei zunächſt die Richtung des Wil- lens auf eine unbeſtimmte Rechtsverletzung, ein Moment, welches kei- nesweges bloß bei dem Todtſchlage, wie man wohl angenommen habe, ſondern auch bei der Brandſtiftung und anderen gemeingefährlichen Ver- brechen hervortreten könne. Die Handlung ſelbſt, das was der Thäter an dem Objekt thue, möge hierbei immer etwas Beſtimmtes ſein; die Rechtsverletzung, auf welche ſich der Wille richte, ſei an ſich unbeſtimmt. Dieſe Rechtsverletzung müſſe aber demnächſt im Verhältniſſe zu ihrem wirklich eingetretenen Erfolge aufgefaßt werden. k) h) a. a. O. S. 129. i) Revidirter Entwurf des Strafgeſetzbuchs für die Preuß. Staa- ten. Vorgelegt von dem Miniſterium der Geſetz-Reviſion (Berlin 1845). §. 41. k) Reviſion des Entwurfs des Strafgeſetzbuchs von 1843. I. S. 129, 130.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/50
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/50>, abgerufen am 22.12.2024.