§§. 254-258. Fälschung von Reisepässen, Zeugnissen u. s. w.
sich dazu der von Andern verfälschten oder auch ächter Schriften, die für einen Andern bestimmt sind, wissentlich bedient, hat Gefängnißstrafe verwirkt."
In der Staatsraths-Kommission fand man den Thatbestand dieser Vergehen jedoch nicht glücklich bezeichnet und beschloß, nach dem Vor- gange des dem Französischen Recht folgenden Hessischen Strafgesetzbuchs (Art. 388. 389.) die Fälschung der hier erwähnten Papiere von der Strafbestimmung über die Urkundenfälschung auszunehmen, und in Ansehung derselben eine eigene, besondere Strafe festzusetzen. e) Im Staatsrathe machte sich aber die Ansicht geltend, daß eine solche beson- dere Strafe sich nur dann rechtfertige, wenn nicht die allgemeinen Voraussetzungen der Fälschung oder des Betrugs vorliegen, f) und der Entwurf von 1843. §. 469. wurde in diesem Sinne mit einem Vor- behalt versehen, was später dahin führte, die ganze Vorschrift auf die ohne betrügerische Absicht erfolgten Fälschungen der bezeichneten Papiere zu beschränken. g) Der Entwurf von 1847. lautete daher
§. 318. "Wer ohne die Absicht, sich oder Anderen Gewinn zu verschaffen oder Anderen Schaden zuzufügen, jedoch zu dem Zwecke, Behörden oder Privatpersonen über sich und seine Angelegenheiten zu täuschen, einen Reisepaß, einen Legitimationsschein, ein Wanderbuch oder eine andere öffentliche Urkunde, oder ein Führungs- oder Fähig- keitszeugniß falsch anfertigt oder verfälscht, oder von einer solchen fal- schen oder verfälschten Urkunde wissentlich Gebrauch macht, ist mit Ge- fängniß oder mit Strafarbeit bis zu zwei Jahren zu bestrafen."
"Auf dieselbe Strafe ist gegen Den zu erkennen, welcher zu gleichem Zwecke von solchen für einen Andern ausgestellten ächten Urkunden, als seien sie für ihn ausgestellt worden, Gebrauch macht, oder welcher solche für ihn ausgestellte Urkunden einem Andern zu dem gedachten Zweck überläßt."
Der vereinigte ständische Ausschuß erklärte sich mit dieser Bestim- mung einverstanden, und setzte nur die Dauer der Gefängnißstrafe auf Ein Jahr herunter; h) der Entwurf von 1850. ist aber zu der ursprüng- lichen Ansicht der Staatsraths-Kommission zurückgekehrt, und hat in Nachahmung des Code penal die bezeichneten Handlungen neben der Urkundenfälschung als besondere Vergehen aufgestellt. Die gerin- gere Strafbarkeit der Handlung ist von dem Gesetzgeber principiell an- erkannt worden. i)
e)Berathungs-Protokolle. III. S. 404.
f)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842.
g)Revision von 1845. III. S. 45.
h)Verhandlungen. IV. S. 308-10.
i) Vgl. Code penal. Art. 153-62. -- Chauveau et Helie Fau- stin. l. c. chap. XXVII.
§§. 254-258. Fälſchung von Reiſepäſſen, Zeugniſſen u. ſ. w.
ſich dazu der von Andern verfälſchten oder auch ächter Schriften, die für einen Andern beſtimmt ſind, wiſſentlich bedient, hat Gefängnißſtrafe verwirkt.“
In der Staatsraths-Kommiſſion fand man den Thatbeſtand dieſer Vergehen jedoch nicht glücklich bezeichnet und beſchloß, nach dem Vor- gange des dem Franzöſiſchen Recht folgenden Heſſiſchen Strafgeſetzbuchs (Art. 388. 389.) die Fälſchung der hier erwähnten Papiere von der Strafbeſtimmung über die Urkundenfälſchung auszunehmen, und in Anſehung derſelben eine eigene, beſondere Strafe feſtzuſetzen. e) Im Staatsrathe machte ſich aber die Anſicht geltend, daß eine ſolche beſon- dere Strafe ſich nur dann rechtfertige, wenn nicht die allgemeinen Vorausſetzungen der Fälſchung oder des Betrugs vorliegen, f) und der Entwurf von 1843. §. 469. wurde in dieſem Sinne mit einem Vor- behalt verſehen, was ſpäter dahin führte, die ganze Vorſchrift auf die ohne betrügeriſche Abſicht erfolgten Fälſchungen der bezeichneten Papiere zu beſchränken. g) Der Entwurf von 1847. lautete daher
§. 318. „Wer ohne die Abſicht, ſich oder Anderen Gewinn zu verſchaffen oder Anderen Schaden zuzufügen, jedoch zu dem Zwecke, Behörden oder Privatperſonen über ſich und ſeine Angelegenheiten zu täuſchen, einen Reiſepaß, einen Legitimationsſchein, ein Wanderbuch oder eine andere öffentliche Urkunde, oder ein Führungs- oder Fähig- keitszeugniß falſch anfertigt oder verfälſcht, oder von einer ſolchen fal- ſchen oder verfälſchten Urkunde wiſſentlich Gebrauch macht, iſt mit Ge- fängniß oder mit Strafarbeit bis zu zwei Jahren zu beſtrafen.“
„Auf dieſelbe Strafe iſt gegen Den zu erkennen, welcher zu gleichem Zwecke von ſolchen für einen Andern ausgeſtellten ächten Urkunden, als ſeien ſie für ihn ausgeſtellt worden, Gebrauch macht, oder welcher ſolche für ihn ausgeſtellte Urkunden einem Andern zu dem gedachten Zweck überläßt.“
Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß erklärte ſich mit dieſer Beſtim- mung einverſtanden, und ſetzte nur die Dauer der Gefängnißſtrafe auf Ein Jahr herunter; h) der Entwurf von 1850. iſt aber zu der urſprüng- lichen Anſicht der Staatsraths-Kommiſſion zurückgekehrt, und hat in Nachahmung des Code pénal die bezeichneten Handlungen neben der Urkundenfälſchung als beſondere Vergehen aufgeſtellt. Die gerin- gere Strafbarkeit der Handlung iſt von dem Geſetzgeber principiell an- erkannt worden. i)
e)Berathungs-Protokolle. III. S. 404.
f)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842.
g)Reviſion von 1845. III. S. 45.
h)Verhandlungen. IV. S. 308-10.
i) Vgl. Code pénal. Art. 153-62. — Chauveau et Hélie Fau- stin. l. c. chap. XXVII.
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ſich dazu der von Andern verfälſchten oder auch ächter Schriften, die
für einen Andern beſtimmt ſind, wiſſentlich bedient, hat Gefängnißſtrafe
verwirkt.“
In der Staatsraths-Kommiſſion fand man den Thatbeſtand dieſer
Vergehen jedoch nicht glücklich bezeichnet und beſchloß, nach dem Vor-
gange des dem Franzöſiſchen Recht folgenden Heſſiſchen Strafgeſetzbuchs
(Art. 388. 389.) die Fälſchung der hier erwähnten Papiere von der
Strafbeſtimmung über die Urkundenfälſchung auszunehmen, und in
Anſehung derſelben eine eigene, beſondere Strafe feſtzuſetzen. e) Im
Staatsrathe machte ſich aber die Anſicht geltend, daß eine ſolche beſon-
dere Strafe ſich nur dann rechtfertige, wenn nicht die allgemeinen
Vorausſetzungen der Fälſchung oder des Betrugs vorliegen, f) und der
Entwurf von 1843. §. 469. wurde in dieſem Sinne mit einem Vor-
behalt verſehen, was ſpäter dahin führte, die ganze Vorſchrift auf die
ohne betrügeriſche Abſicht erfolgten Fälſchungen der bezeichneten Papiere
zu beſchränken. g) Der Entwurf von 1847. lautete daher
§. 318. „Wer ohne die Abſicht, ſich oder Anderen Gewinn zu
verſchaffen oder Anderen Schaden zuzufügen, jedoch zu dem Zwecke,
Behörden oder Privatperſonen über ſich und ſeine Angelegenheiten zu
täuſchen, einen Reiſepaß, einen Legitimationsſchein, ein Wanderbuch
oder eine andere öffentliche Urkunde, oder ein Führungs- oder Fähig-
keitszeugniß falſch anfertigt oder verfälſcht, oder von einer ſolchen fal-
ſchen oder verfälſchten Urkunde wiſſentlich Gebrauch macht, iſt mit Ge-
fängniß oder mit Strafarbeit bis zu zwei Jahren zu beſtrafen.“
„Auf dieſelbe Strafe iſt gegen Den zu erkennen, welcher zu gleichem
Zwecke von ſolchen für einen Andern ausgeſtellten ächten Urkunden, als
ſeien ſie für ihn ausgeſtellt worden, Gebrauch macht, oder welcher ſolche
für ihn ausgeſtellte Urkunden einem Andern zu dem gedachten Zweck überläßt.“
Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß erklärte ſich mit dieſer Beſtim-
mung einverſtanden, und ſetzte nur die Dauer der Gefängnißſtrafe auf
Ein Jahr herunter; h) der Entwurf von 1850. iſt aber zu der urſprüng-
lichen Anſicht der Staatsraths-Kommiſſion zurückgekehrt, und hat in
Nachahmung des Code pénal die bezeichneten Handlungen neben
der Urkundenfälſchung als beſondere Vergehen aufgeſtellt. Die gerin-
gere Strafbarkeit der Handlung iſt von dem Geſetzgeber principiell an-
erkannt worden. i)
e) Berathungs-Protokolle. III. S. 404.
f) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 11. Mai 1842.
g) Reviſion von 1845. III. S. 45.
h) Verhandlungen. IV. S. 308-10.
i) Vgl. Code pénal. Art. 153-62. — Chauveau et Hélie Fau-
stin. l. c. chap. XXVII.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/493>, abgerufen am 23.07.2024.
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