Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVIII. Diebstahl u. Unterschlagung.
"Wenn andere Mitschuldige vorhanden sind, ist auch gegen diese die Untersuchung nur auf Antrag zu eröffnen."
In Beziehung auf diese Vorschrift äußerte der Justizminister von Savigny in der Staatsraths-Kommission: "Der Zweck dieser Bestim- mung sei offenbar, aus Schonung der Familienverhältnisse die ganze Sache der Kenntniß des Richters und des Publikums zu entziehen. Hierbei werde stillschweigend vorausgesetzt, daß die Komplizität von Anfang an sowohl dem Bestohlenen, als dem Richter völlig bekannt sei. In vielen Fällen komme dieselbe aber erst im Laufe der Unter- suchung zur Sprache und insbesondere könne auch der fremde Ange- schuldigte die Komplizität blos vorgeben, um sich dadurch der Unter- suchung zu entziehen. Wenn also z. B. ein Hausdiebstahl zur Anzeige komme, so werde zunächst der Richter unzweifelhaft die Untersuchung gegen den verdächtigen Dienstboten einleiten müssen, ohne Rücksicht darauf, daß vielleicht späterhin die Komplizität eines nahen Verwandten des Bestohlenen zur Sprache kommen könne. Wenn nun dies in der That geschehe, so könne man höchstens dadurch zu helfen suchen, daß man dem Bestohlenen das Recht einräume, die Aufhebung der Unter- suchung zu fordern. Dies liege aber nicht in der Vorschrift des §. 404., müßte also erst hinzugefügt werden. Angemessener dürfte es jedoch sein, den Schlußsatz des §. 404. ganz wegzulassen, so wie es in dem revi- dirten Entwurfe geschehen sei. Werde dieser Vorschlag angenommen, so würde im Fall eines Diebstahls, welchen der Sohn des Bestohlenen gemeinschaftlich mit dem Dienstboten begehe, die Folge eintreten, daß gegen den Dienstboten der Richter von Amtswegen zu verfahren habe, gegen den Sohn aber die Untersuchung und Bestrafung nur auf den Antrag des Vaters eintrete. Die Ehre des Sohnes könne durch die Untersuchung gegen den Dienstboten allerdings gefährdet werden; allein gegen diese Gefahr gewähre auch die Maaßregel des §. 404., wie eben gezeigt worden, keinen sicheren Schutz. Faktisch stelle sich indeß auch in dieser Hinsicht die Sache weniger bedenklich, als es scheine. Denn bei weitem die meisten Hausdiebstähle kämen ohnehin nur durch die An- zeige des Bestohlenen zur Kenntniß der Obrigkeit, so daß es in seiner Macht stehe, die Anzeige zu unterlassen und dadurch alle Betheiligten zu schonen. Der gegenwärtige Antrag sei übrigens ganz unabhängig von dem noch vorbehaltenen definitiven Beschluß über den §. 75. des revidirten Entwurfs" (§. 52. des Strafgesetzbuchs.). n)
Die Staatsraths-Kommission erklärte sich mit dieser Ausführung
n)Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 150-52.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung.
„Wenn andere Mitſchuldige vorhanden ſind, iſt auch gegen dieſe die Unterſuchung nur auf Antrag zu eröffnen.“
In Beziehung auf dieſe Vorſchrift äußerte der Juſtizminiſter von Savigny in der Staatsraths-Kommiſſion: „Der Zweck dieſer Beſtim- mung ſei offenbar, aus Schonung der Familienverhältniſſe die ganze Sache der Kenntniß des Richters und des Publikums zu entziehen. Hierbei werde ſtillſchweigend vorausgeſetzt, daß die Komplizität von Anfang an ſowohl dem Beſtohlenen, als dem Richter völlig bekannt ſei. In vielen Fällen komme dieſelbe aber erſt im Laufe der Unter- ſuchung zur Sprache und insbeſondere könne auch der fremde Ange- ſchuldigte die Komplizität blos vorgeben, um ſich dadurch der Unter- ſuchung zu entziehen. Wenn alſo z. B. ein Hausdiebſtahl zur Anzeige komme, ſo werde zunächſt der Richter unzweifelhaft die Unterſuchung gegen den verdächtigen Dienſtboten einleiten müſſen, ohne Rückſicht darauf, daß vielleicht ſpäterhin die Komplizität eines nahen Verwandten des Beſtohlenen zur Sprache kommen könne. Wenn nun dies in der That geſchehe, ſo könne man höchſtens dadurch zu helfen ſuchen, daß man dem Beſtohlenen das Recht einräume, die Aufhebung der Unter- ſuchung zu fordern. Dies liege aber nicht in der Vorſchrift des §. 404., müßte alſo erſt hinzugefügt werden. Angemeſſener dürfte es jedoch ſein, den Schlußſatz des §. 404. ganz wegzulaſſen, ſo wie es in dem revi- dirten Entwurfe geſchehen ſei. Werde dieſer Vorſchlag angenommen, ſo würde im Fall eines Diebſtahls, welchen der Sohn des Beſtohlenen gemeinſchaftlich mit dem Dienſtboten begehe, die Folge eintreten, daß gegen den Dienſtboten der Richter von Amtswegen zu verfahren habe, gegen den Sohn aber die Unterſuchung und Beſtrafung nur auf den Antrag des Vaters eintrete. Die Ehre des Sohnes könne durch die Unterſuchung gegen den Dienſtboten allerdings gefährdet werden; allein gegen dieſe Gefahr gewähre auch die Maaßregel des §. 404., wie eben gezeigt worden, keinen ſicheren Schutz. Faktiſch ſtelle ſich indeß auch in dieſer Hinſicht die Sache weniger bedenklich, als es ſcheine. Denn bei weitem die meiſten Hausdiebſtähle kämen ohnehin nur durch die An- zeige des Beſtohlenen zur Kenntniß der Obrigkeit, ſo daß es in ſeiner Macht ſtehe, die Anzeige zu unterlaſſen und dadurch alle Betheiligten zu ſchonen. Der gegenwärtige Antrag ſei übrigens ganz unabhängig von dem noch vorbehaltenen definitiven Beſchluß über den §. 75. des revidirten Entwurfs“ (§. 52. des Strafgeſetzbuchs.). n)
Die Staatsraths-Kommiſſion erklärte ſich mit dieſer Ausführung
n)Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 150-52.
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„Wenn andere Mitſchuldige vorhanden ſind, iſt auch gegen dieſe
die Unterſuchung nur auf Antrag zu eröffnen.“
In Beziehung auf dieſe Vorſchrift äußerte der Juſtizminiſter von
Savigny in der Staatsraths-Kommiſſion: „Der Zweck dieſer Beſtim-
mung ſei offenbar, aus Schonung der Familienverhältniſſe die ganze
Sache der Kenntniß des Richters und des Publikums zu entziehen.
Hierbei werde ſtillſchweigend vorausgeſetzt, daß die Komplizität von
Anfang an ſowohl dem Beſtohlenen, als dem Richter völlig bekannt
ſei. In vielen Fällen komme dieſelbe aber erſt im Laufe der Unter-
ſuchung zur Sprache und insbeſondere könne auch der fremde Ange-
ſchuldigte die Komplizität blos vorgeben, um ſich dadurch der Unter-
ſuchung zu entziehen. Wenn alſo z. B. ein Hausdiebſtahl zur Anzeige
komme, ſo werde zunächſt der Richter unzweifelhaft die Unterſuchung
gegen den verdächtigen Dienſtboten einleiten müſſen, ohne Rückſicht
darauf, daß vielleicht ſpäterhin die Komplizität eines nahen Verwandten
des Beſtohlenen zur Sprache kommen könne. Wenn nun dies in der
That geſchehe, ſo könne man höchſtens dadurch zu helfen ſuchen, daß
man dem Beſtohlenen das Recht einräume, die Aufhebung der Unter-
ſuchung zu fordern. Dies liege aber nicht in der Vorſchrift des §. 404.,
müßte alſo erſt hinzugefügt werden. Angemeſſener dürfte es jedoch ſein,
den Schlußſatz des §. 404. ganz wegzulaſſen, ſo wie es in dem revi-
dirten Entwurfe geſchehen ſei. Werde dieſer Vorſchlag angenommen,
ſo würde im Fall eines Diebſtahls, welchen der Sohn des Beſtohlenen
gemeinſchaftlich mit dem Dienſtboten begehe, die Folge eintreten, daß
gegen den Dienſtboten der Richter von Amtswegen zu verfahren habe,
gegen den Sohn aber die Unterſuchung und Beſtrafung nur auf den
Antrag des Vaters eintrete. Die Ehre des Sohnes könne durch die
Unterſuchung gegen den Dienſtboten allerdings gefährdet werden; allein
gegen dieſe Gefahr gewähre auch die Maaßregel des §. 404., wie eben
gezeigt worden, keinen ſicheren Schutz. Faktiſch ſtelle ſich indeß auch in
dieſer Hinſicht die Sache weniger bedenklich, als es ſcheine. Denn bei
weitem die meiſten Hausdiebſtähle kämen ohnehin nur durch die An-
zeige des Beſtohlenen zur Kenntniß der Obrigkeit, ſo daß es in ſeiner
Macht ſtehe, die Anzeige zu unterlaſſen und dadurch alle Betheiligten
zu ſchonen. Der gegenwärtige Antrag ſei übrigens ganz unabhängig
von dem noch vorbehaltenen definitiven Beſchluß über den §. 75. des
revidirten Entwurfs“ (§. 52. des Strafgeſetzbuchs.). n)
Die Staatsraths-Kommiſſion erklärte ſich mit dieſer Ausführung
n) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846.
S. 150-52.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/448>, abgerufen am 17.09.2024.
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