mildere Behandlung fremder Theilnehmer, denen die Gunst der Fami- lienbande nicht zu statten kommt, der Grund des Gesetzes nicht unmit- telbar geltend werden kann; daß die Straflosigkeit derselben eine immer größere Abweichung von den allgemeinen Anforderungen der Straf- rechtspflege herbeiführen würde, und daß der Einwand, die Untersuchung könne nicht vollständig geführt werden, wenn sie sich nicht gegen alle Theilnehmer richte, nicht unbedingt zutreffend ist. Denn wenn aus den Verhandlungen nicht die vollständige Ueberzeugung von der Strafbarkeit des Angeschuldigten hervorgeht, so wird er nicht verurtheilt werden, und der Umstand, daß nicht alle Theilnehmer verfolgt werden, wird daher wenigstens ebenso häufig der Anklage, als der Vertheidigung zum Nach- theile gereichen.
Der Code penal hat diese Frage in Uebereinstimmung mit einem allgemeinen Princip der Französischen Jurisprudenz erledigt. Diese nimmt nämlich an, daß der Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen nicht verfolgt und bestraft werden kann, wenn das Verfahren sich nicht auch gegen den Hauptschuldigen richtet. In den, Art. 380. vorgesehenen Fällen wird daher überhaupt kein Diebstahl, sondern eine straflose Entwendung (soustraction) angenommen, und die Theilnahme an demselben vor oder während der That wird nicht bestraft. Hat aber eine dritte Person die gestohlene Sache verhehlt oder zu ihrem Nutzen verwandt, so tritt allerdings eine Strafe ein, und zwar die des Dieb- stahls, indem angenommen wird, daß der Schuldige dieses Verbrechen selbständig begangen habe. l)
Bei der Revision des Strafrechts wurden die einzelnen, oben an- geführten Momente, welche für und gegen die Bestrafung der Theil- nehmer sprechen, in den wiederholten Verhandlungen, welche diesem Gegenstande gewidmet waren, hervorgehoben und demgemäß die ent- sprechenden Anträge gestellt. Sowohl in der Staatsraths-Kommission wie im Staatsrathe entschied man sich aber für die Ansicht, daß die Bestrafung der Theilnehmer unter allen Umständen zulässig sein solle, daß es aber dazu eines Antrags des Verletzten bedürfe. m) Es wurde dabei jedoch der Fall, wo den Hauptschuldigen gar keine Strafe treffen soll, von demjenigen, wo er nur auf Antrag bestraft wird, nicht genau unterschieden, und namentlich der Entwurf von 1843. §. 403., welcher die Entwendungen unter Ehegatten für straflos erklärte, bestimmte über die Theilnehmer nichts, während §. 404., welcher über die Strafanträge des Bestohlenen bei dem Diebstahle unter Verwandten verfügt, in Abs. 3. die Bestimmung enthielt:
l)Chauveau et Helie Faustin. I. c. III. chap. LIX. p. 195-200.
m) S. oben Note g.
§§. 228. 229. Entwendungen unter Verwandten.
mildere Behandlung fremder Theilnehmer, denen die Gunſt der Fami- lienbande nicht zu ſtatten kommt, der Grund des Geſetzes nicht unmit- telbar geltend werden kann; daß die Strafloſigkeit derſelben eine immer größere Abweichung von den allgemeinen Anforderungen der Straf- rechtspflege herbeiführen würde, und daß der Einwand, die Unterſuchung könne nicht vollſtändig geführt werden, wenn ſie ſich nicht gegen alle Theilnehmer richte, nicht unbedingt zutreffend iſt. Denn wenn aus den Verhandlungen nicht die vollſtändige Ueberzeugung von der Strafbarkeit des Angeſchuldigten hervorgeht, ſo wird er nicht verurtheilt werden, und der Umſtand, daß nicht alle Theilnehmer verfolgt werden, wird daher wenigſtens ebenſo häufig der Anklage, als der Vertheidigung zum Nach- theile gereichen.
Der Code pénal hat dieſe Frage in Uebereinſtimmung mit einem allgemeinen Princip der Franzöſiſchen Jurisprudenz erledigt. Dieſe nimmt nämlich an, daß der Theilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen nicht verfolgt und beſtraft werden kann, wenn das Verfahren ſich nicht auch gegen den Hauptſchuldigen richtet. In den, Art. 380. vorgeſehenen Fällen wird daher überhaupt kein Diebſtahl, ſondern eine ſtrafloſe Entwendung (soustraction) angenommen, und die Theilnahme an demſelben vor oder während der That wird nicht beſtraft. Hat aber eine dritte Perſon die geſtohlene Sache verhehlt oder zu ihrem Nutzen verwandt, ſo tritt allerdings eine Strafe ein, und zwar die des Dieb- ſtahls, indem angenommen wird, daß der Schuldige dieſes Verbrechen ſelbſtändig begangen habe. l)
Bei der Reviſion des Strafrechts wurden die einzelnen, oben an- geführten Momente, welche für und gegen die Beſtrafung der Theil- nehmer ſprechen, in den wiederholten Verhandlungen, welche dieſem Gegenſtande gewidmet waren, hervorgehoben und demgemäß die ent- ſprechenden Anträge geſtellt. Sowohl in der Staatsraths-Kommiſſion wie im Staatsrathe entſchied man ſich aber für die Anſicht, daß die Beſtrafung der Theilnehmer unter allen Umſtänden zuläſſig ſein ſolle, daß es aber dazu eines Antrags des Verletzten bedürfe. m) Es wurde dabei jedoch der Fall, wo den Hauptſchuldigen gar keine Strafe treffen ſoll, von demjenigen, wo er nur auf Antrag beſtraft wird, nicht genau unterſchieden, und namentlich der Entwurf von 1843. §. 403., welcher die Entwendungen unter Ehegatten für ſtraflos erklärte, beſtimmte über die Theilnehmer nichts, während §. 404., welcher über die Strafanträge des Beſtohlenen bei dem Diebſtahle unter Verwandten verfügt, in Abſ. 3. die Beſtimmung enthielt:
l)Chauveau et Hélie Faustin. I. c. III. chap. LIX. p. 195-200.
m) S. oben Note g.
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mildere Behandlung fremder Theilnehmer, denen die Gunſt der Fami-
lienbande nicht zu ſtatten kommt, der Grund des Geſetzes nicht unmit-
telbar geltend werden kann; daß die Strafloſigkeit derſelben eine immer
größere Abweichung von den allgemeinen Anforderungen der Straf-
rechtspflege herbeiführen würde, und daß der Einwand, die Unterſuchung
könne nicht vollſtändig geführt werden, wenn ſie ſich nicht gegen alle
Theilnehmer richte, nicht unbedingt zutreffend iſt. Denn wenn aus den
Verhandlungen nicht die vollſtändige Ueberzeugung von der Strafbarkeit
des Angeſchuldigten hervorgeht, ſo wird er nicht verurtheilt werden, und
der Umſtand, daß nicht alle Theilnehmer verfolgt werden, wird daher
wenigſtens ebenſo häufig der Anklage, als der Vertheidigung zum Nach-
theile gereichen.
Der Code pénal hat dieſe Frage in Uebereinſtimmung mit einem
allgemeinen Princip der Franzöſiſchen Jurisprudenz erledigt. Dieſe
nimmt nämlich an, daß der Theilnehmer an einem Verbrechen oder
Vergehen nicht verfolgt und beſtraft werden kann, wenn das Verfahren
ſich nicht auch gegen den Hauptſchuldigen richtet. In den, Art. 380.
vorgeſehenen Fällen wird daher überhaupt kein Diebſtahl, ſondern eine
ſtrafloſe Entwendung (soustraction) angenommen, und die Theilnahme
an demſelben vor oder während der That wird nicht beſtraft. Hat aber
eine dritte Perſon die geſtohlene Sache verhehlt oder zu ihrem Nutzen
verwandt, ſo tritt allerdings eine Strafe ein, und zwar die des Dieb-
ſtahls, indem angenommen wird, daß der Schuldige dieſes Verbrechen
ſelbſtändig begangen habe. l)
Bei der Reviſion des Strafrechts wurden die einzelnen, oben an-
geführten Momente, welche für und gegen die Beſtrafung der Theil-
nehmer ſprechen, in den wiederholten Verhandlungen, welche dieſem
Gegenſtande gewidmet waren, hervorgehoben und demgemäß die ent-
ſprechenden Anträge geſtellt. Sowohl in der Staatsraths-Kommiſſion
wie im Staatsrathe entſchied man ſich aber für die Anſicht, daß die
Beſtrafung der Theilnehmer unter allen Umſtänden zuläſſig ſein ſolle,
daß es aber dazu eines Antrags des Verletzten bedürfe. m) Es wurde
dabei jedoch der Fall, wo den Hauptſchuldigen gar keine Strafe treffen
ſoll, von demjenigen, wo er nur auf Antrag beſtraft wird, nicht genau
unterſchieden, und namentlich der Entwurf von 1843. §. 403., welcher
die Entwendungen unter Ehegatten für ſtraflos erklärte, beſtimmte über
die Theilnehmer nichts, während §. 404., welcher über die Strafanträge
des Beſtohlenen bei dem Diebſtahle unter Verwandten verfügt, in Abſ. 3.
die Beſtimmung enthielt:
l) Chauveau et Hélie Faustin. I. c. III. chap. LIX. p. 195-200.
m) S. oben Note g.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/447>, abgerufen am 23.07.2024.
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