wurde zwischen den verschiedenen Arten der Verwandten unterschieden, und für einige jede Bestrafung ausgeschlossen, für andere die Bestrafung nur auf Antrag zugelassen; g) der Entwurf von 1850. beschränkte die Zahl der ausgenommenen Personen, setzte für diese aber volle Straf- losigkeit fest, indem er bestimmte:
§. 211. "Entwendungen oder Unterschlagungen, welche von einem Ehegatten gegen den andern, oder von Eltern oder Großeltern gegen ihre Kinder oder Enkel, oder von Kindern oder Enkeln gegen ihre Eltern oder Großeltern begangen werden, sind straflos."
"Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf andere Personen, welche als Theilnehmer oder Hehler schuldig sind."
Die Kommission der zweiten Kammer verließ wieder diesen Stand- punkt. Sie war freilich der Ansicht, daß es der Pietät widerspreche, Kinder zu Strafanträgen gegen ihre Eltern zuzulassen, und daß gleich- falls unter Ehegatten ein solches Recht nicht bestehen könne, ohne die Bande der Ehe und manche besondere Güterrechtsverhältnisse zu verletzen. Aber bei andern Verwandten glaubte sie eine unbedingte Straflosigkeit nicht aussprechen zu dürfen, war aber der Meinung, daß diese Kategorie nach dem Vorgange der früheren Entwürfe auch auf Entwendungen gegen Pflegeeltern, Vormünder und Erzieher auszudehnen sei. Sie kehrte daher im Wesentlichen zu den Vorschriften des Entwurfs von 1847. §. 277. 278. zurück.
I. Entwendungen oder Unterschlagungen, welche von Eltern oder Großeltern gegen ihre Kinder oder Enkel, oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen werden, bleiben straflos (§. 228.).
a. Unter Eltern und Großeltern sind nur die leiblichen zu ver- stehen. Daß die Stiefeltern und Schwiegereltern hier nicht gemeint sind, ergiebt sich aus der Fassung des §. 229., in welchem sie sich auf- geführt finden; Zweifel sind daher nur wegen der Adoptiveltern möglich, welche der Entwurf von 1847. §. 278. zugleich mit den Adoptivkindern zwischen den Geschwistern und Pflegeeltern aufgeführt hatte, das Gesetz- buch aber gar nicht nennt. Diese Auslassung konnte auf zwei Gründen beruhen; entweder wollte man die Adoptiveltern den leiblichen gleich- stellen, was freilich den übrigen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über die Berücksichtigung verwandtschaftlicher Verhältnisse nicht entsprechen würde, oder man wollte sie gar nicht zu den im Gesetz ausgenommenen
g) (v. Kamptz) Revidirter Entwurf. S. 291-94. -- Entwurf von 1836. §. 544-48. -- Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kom- mission. III. S. 351-54. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. März 1842. -- Entwurf von 1843. §. 403. 404. -- Revision von 1845. III. S. 20. 21. -- Entwurf von 1847. §. 277. 278.
§§. 228. 229. Entwendungen unter Verwandten.
wurde zwiſchen den verſchiedenen Arten der Verwandten unterſchieden, und für einige jede Beſtrafung ausgeſchloſſen, für andere die Beſtrafung nur auf Antrag zugelaſſen; g) der Entwurf von 1850. beſchränkte die Zahl der ausgenommenen Perſonen, ſetzte für dieſe aber volle Straf- loſigkeit feſt, indem er beſtimmte:
§. 211. „Entwendungen oder Unterſchlagungen, welche von einem Ehegatten gegen den andern, oder von Eltern oder Großeltern gegen ihre Kinder oder Enkel, oder von Kindern oder Enkeln gegen ihre Eltern oder Großeltern begangen werden, ſind ſtraflos.“
„Dieſe Beſtimmung findet keine Anwendung auf andere Perſonen, welche als Theilnehmer oder Hehler ſchuldig ſind.“
Die Kommiſſion der zweiten Kammer verließ wieder dieſen Stand- punkt. Sie war freilich der Anſicht, daß es der Pietät widerſpreche, Kinder zu Strafanträgen gegen ihre Eltern zuzulaſſen, und daß gleich- falls unter Ehegatten ein ſolches Recht nicht beſtehen könne, ohne die Bande der Ehe und manche beſondere Güterrechtsverhältniſſe zu verletzen. Aber bei andern Verwandten glaubte ſie eine unbedingte Strafloſigkeit nicht ausſprechen zu dürfen, war aber der Meinung, daß dieſe Kategorie nach dem Vorgange der früheren Entwürfe auch auf Entwendungen gegen Pflegeeltern, Vormünder und Erzieher auszudehnen ſei. Sie kehrte daher im Weſentlichen zu den Vorſchriften des Entwurfs von 1847. §. 277. 278. zurück.
I. Entwendungen oder Unterſchlagungen, welche von Eltern oder Großeltern gegen ihre Kinder oder Enkel, oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen werden, bleiben ſtraflos (§. 228.).
a. Unter Eltern und Großeltern ſind nur die leiblichen zu ver- ſtehen. Daß die Stiefeltern und Schwiegereltern hier nicht gemeint ſind, ergiebt ſich aus der Faſſung des §. 229., in welchem ſie ſich auf- geführt finden; Zweifel ſind daher nur wegen der Adoptiveltern möglich, welche der Entwurf von 1847. §. 278. zugleich mit den Adoptivkindern zwiſchen den Geſchwiſtern und Pflegeeltern aufgeführt hatte, das Geſetz- buch aber gar nicht nennt. Dieſe Auslaſſung konnte auf zwei Gründen beruhen; entweder wollte man die Adoptiveltern den leiblichen gleich- ſtellen, was freilich den übrigen Beſtimmungen des Strafgeſetzbuchs über die Berückſichtigung verwandtſchaftlicher Verhältniſſe nicht entſprechen würde, oder man wollte ſie gar nicht zu den im Geſetz ausgenommenen
g) (v. Kamptz) Revidirter Entwurf. S. 291-94. — Entwurf von 1836. §. 544-48. — Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kom- miſſion. III. S. 351-54. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. März 1842. — Entwurf von 1843. §. 403. 404. — Reviſion von 1845. III. S. 20. 21. — Entwurf von 1847. §. 277. 278.
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§§. 228. 229. Entwendungen unter Verwandten.
wurde zwiſchen den verſchiedenen Arten der Verwandten unterſchieden,
und für einige jede Beſtrafung ausgeſchloſſen, für andere die Beſtrafung
nur auf Antrag zugelaſſen; g) der Entwurf von 1850. beſchränkte die
Zahl der ausgenommenen Perſonen, ſetzte für dieſe aber volle Straf-
loſigkeit feſt, indem er beſtimmte:
§. 211. „Entwendungen oder Unterſchlagungen, welche von einem
Ehegatten gegen den andern, oder von Eltern oder Großeltern gegen
ihre Kinder oder Enkel, oder von Kindern oder Enkeln gegen ihre Eltern
oder Großeltern begangen werden, ſind ſtraflos.“
„Dieſe Beſtimmung findet keine Anwendung auf andere Perſonen,
welche als Theilnehmer oder Hehler ſchuldig ſind.“
Die Kommiſſion der zweiten Kammer verließ wieder dieſen Stand-
punkt. Sie war freilich der Anſicht, daß es der Pietät widerſpreche,
Kinder zu Strafanträgen gegen ihre Eltern zuzulaſſen, und daß gleich-
falls unter Ehegatten ein ſolches Recht nicht beſtehen könne, ohne die
Bande der Ehe und manche beſondere Güterrechtsverhältniſſe zu verletzen.
Aber bei andern Verwandten glaubte ſie eine unbedingte Strafloſigkeit
nicht ausſprechen zu dürfen, war aber der Meinung, daß dieſe Kategorie
nach dem Vorgange der früheren Entwürfe auch auf Entwendungen
gegen Pflegeeltern, Vormünder und Erzieher auszudehnen ſei. Sie
kehrte daher im Weſentlichen zu den Vorſchriften des Entwurfs von
1847. §. 277. 278. zurück.
I. Entwendungen oder Unterſchlagungen, welche von Eltern oder
Großeltern gegen ihre Kinder oder Enkel, oder von einem Ehegatten
gegen den anderen begangen werden, bleiben ſtraflos (§. 228.).
a. Unter Eltern und Großeltern ſind nur die leiblichen zu ver-
ſtehen. Daß die Stiefeltern und Schwiegereltern hier nicht gemeint
ſind, ergiebt ſich aus der Faſſung des §. 229., in welchem ſie ſich auf-
geführt finden; Zweifel ſind daher nur wegen der Adoptiveltern möglich,
welche der Entwurf von 1847. §. 278. zugleich mit den Adoptivkindern
zwiſchen den Geſchwiſtern und Pflegeeltern aufgeführt hatte, das Geſetz-
buch aber gar nicht nennt. Dieſe Auslaſſung konnte auf zwei Gründen
beruhen; entweder wollte man die Adoptiveltern den leiblichen gleich-
ſtellen, was freilich den übrigen Beſtimmungen des Strafgeſetzbuchs
über die Berückſichtigung verwandtſchaftlicher Verhältniſſe nicht entſprechen
würde, oder man wollte ſie gar nicht zu den im Geſetz ausgenommenen
g) (v. Kamptz) Revidirter Entwurf. S. 291-94. — Entwurf von
1836. §. 544-48. — Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kom-
miſſion. III. S. 351-54. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom
23. März 1842. — Entwurf von 1843. §. 403. 404. — Reviſion von 1845.
III. S. 20. 21. — Entwurf von 1847. §. 277. 278.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/445>, abgerufen am 23.07.2024.
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