Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVIII. Diebstahl u. Unterschlagung.
höfen wird man bis zur Ausbildung einer festen Praxis wohl daran
thun, die Aufmerksamkeit der Geschworenen besonders auf die Punkte
hinzulenken, welche bei der Auslegung des §. 222. und der daselbst ge-
brauchten Ausdrücke die entscheidenden sind.

IV. Der Diebstahl wird in den §. 218. Nr. 4. bezeichneten Fäl-
len durch die Anwendung falscher Schlüssel bewirkt. Die Erklärung
des Ausdrucks "falsche Schlüssel" findet sich §. 224.; rechte Schlüssel,
welche der Dieb sich vorher zur Verübung der That auf unrechtmäßige
Weise verschafft hat, werden nicht zu denselben gerechnet. Eine solche
Bestimmung wurde im Gegensatz zu früheren Beschlüssen b) später auf-
gegeben, weil der Thatbestand dadurch unsicher werde, indem sich na-
mentlich schwer ermessen lasse, wie viel Zeit zwischen der Wegnahme
des Schlüssels und der Begehung des Diebstahls verflossen sein müsse,
um anzunehmen, daß der Schlüssel vorher entwandt sei. Auch habe
ein solcher Fall mit dem durch Nachschlüssel bewirkten Diebstahl keine
wahre innere Verwandtschaft. c)

V. Diebstahl an Sachen, die zum Reisegepäck oder zu anderen
Gegenständen des Transports gehören, auf öffentlichen Wegen u. s. w.
Der Thatbestand des so erschwerten Diebstahls ergiebt sich aus der ge-
nau gefaßten Vorschrift des §. 218. Nr. 5.

VI. Sachen werden gestohlen, welche eine blödsinnige Person oder
ein Kind unter zwölf Jahren an oder bei sich führt. Der Grund des
Gesetzes hätte wohl eine Ausdehnung desselben auf andere, wegen Al-
ters oder Krankheit hülflose Personen gerechtfertigt. Gewalt oder Dro-
hungen, welche das Verbrechen zum Raube stempeln würden (§. 230.),
werden hier aber nicht vorausgesetzt.

VII. Der Dieb oder einer der Diebe oder ein Theilnehmer am
Diebstahle führt Waffen bei sich. -- Ueber die Fassung der Strafvor-
schrift wegen des bewaffneten Diebstahls hat man bei der Revision sehr
geschwankt. Der Entwurf von 1830. §. 343. Nr. 5. verlangte, daß
der Dieb sich zur Verübung des Diebstahls mit Waffen versehen habe,
obschon er davon keinen Gebrauch gemacht; die Staatsraths-Kommission
entschied sich für die Annahme des Grundsatzes, daß schon das bloße
Versehensein mit Waffen beim Diebstahl die Qualifikation des Verbre-
chens begründe, weil das Verbrechen dadurch schon zu einem gefähr-
lichen werde und jedenfalls zur Einschüchterung des Bestohlenen dienen

b) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. III.
S. 377. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 6. April 1842.
c) Revision von 1845. III. S. 14. -- Motive zum Entwurf von
1850. §. 207.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung.
höfen wird man bis zur Ausbildung einer feſten Praxis wohl daran
thun, die Aufmerkſamkeit der Geſchworenen beſonders auf die Punkte
hinzulenken, welche bei der Auslegung des §. 222. und der daſelbſt ge-
brauchten Ausdrücke die entſcheidenden ſind.

IV. Der Diebſtahl wird in den §. 218. Nr. 4. bezeichneten Fäl-
len durch die Anwendung falſcher Schlüſſel bewirkt. Die Erklärung
des Ausdrucks „falſche Schlüſſel“ findet ſich §. 224.; rechte Schlüſſel,
welche der Dieb ſich vorher zur Verübung der That auf unrechtmäßige
Weiſe verſchafft hat, werden nicht zu denſelben gerechnet. Eine ſolche
Beſtimmung wurde im Gegenſatz zu früheren Beſchlüſſen b) ſpäter auf-
gegeben, weil der Thatbeſtand dadurch unſicher werde, indem ſich na-
mentlich ſchwer ermeſſen laſſe, wie viel Zeit zwiſchen der Wegnahme
des Schlüſſels und der Begehung des Diebſtahls verfloſſen ſein müſſe,
um anzunehmen, daß der Schlüſſel vorher entwandt ſei. Auch habe
ein ſolcher Fall mit dem durch Nachſchlüſſel bewirkten Diebſtahl keine
wahre innere Verwandtſchaft. c)

V. Diebſtahl an Sachen, die zum Reiſegepäck oder zu anderen
Gegenſtänden des Transports gehören, auf öffentlichen Wegen u. ſ. w.
Der Thatbeſtand des ſo erſchwerten Diebſtahls ergiebt ſich aus der ge-
nau gefaßten Vorſchrift des §. 218. Nr. 5.

VI. Sachen werden geſtohlen, welche eine blödſinnige Perſon oder
ein Kind unter zwölf Jahren an oder bei ſich führt. Der Grund des
Geſetzes hätte wohl eine Ausdehnung deſſelben auf andere, wegen Al-
ters oder Krankheit hülfloſe Perſonen gerechtfertigt. Gewalt oder Dro-
hungen, welche das Verbrechen zum Raube ſtempeln würden (§. 230.),
werden hier aber nicht vorausgeſetzt.

VII. Der Dieb oder einer der Diebe oder ein Theilnehmer am
Diebſtahle führt Waffen bei ſich. — Ueber die Faſſung der Strafvor-
ſchrift wegen des bewaffneten Diebſtahls hat man bei der Reviſion ſehr
geſchwankt. Der Entwurf von 1830. §. 343. Nr. 5. verlangte, daß
der Dieb ſich zur Verübung des Diebſtahls mit Waffen verſehen habe,
obſchon er davon keinen Gebrauch gemacht; die Staatsraths-Kommiſſion
entſchied ſich für die Annahme des Grundſatzes, daß ſchon das bloße
Verſehenſein mit Waffen beim Diebſtahl die Qualifikation des Verbre-
chens begründe, weil das Verbrechen dadurch ſchon zu einem gefähr-
lichen werde und jedenfalls zur Einſchüchterung des Beſtohlenen dienen

b) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III.
S. 377. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 6. April 1842.
c) Reviſion von 1845. III. S. 14. — Motive zum Entwurf von
1850. §. 207.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0434" n="424"/><fw place="top" type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. &#xA75B;c. Tit. XVIII.           Dieb&#x017F;tahl u. Unter&#x017F;chlagung.</fw><lb/>
höfen wird man bis zur          Ausbildung einer fe&#x017F;ten Praxis wohl daran<lb/>
thun, die          Aufmerk&#x017F;amkeit der Ge&#x017F;chworenen be&#x017F;onders auf die          Punkte<lb/>
hinzulenken, welche bei der Auslegung des §. 222. und der          da&#x017F;elb&#x017F;t ge-<lb/>
brauchten Ausdrücke die ent&#x017F;cheidenden          &#x017F;ind.</p><lb/>
                <p>IV. Der Dieb&#x017F;tahl wird in den §. 218. Nr. 4. bezeichneten Fäl-<lb/>
len durch          die Anwendung fal&#x017F;cher Schlü&#x017F;&#x017F;el bewirkt. Die          Erklärung<lb/>
des Ausdrucks &#x201E;fal&#x017F;che          Schlü&#x017F;&#x017F;el&#x201C; findet &#x017F;ich §. 224.; rechte          Schlü&#x017F;&#x017F;el,<lb/>
welche der Dieb &#x017F;ich vorher zur Verübung          der That auf unrechtmäßige<lb/>
Wei&#x017F;e ver&#x017F;chafft hat, werden nicht zu          den&#x017F;elben gerechnet. Eine &#x017F;olche<lb/>
Be&#x017F;timmung wurde im          Gegen&#x017F;atz zu früheren Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="b)"><hi rendition="#g">Berathungs-Protokolle der            Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion</hi>. III.<lb/>
S. 377. &#x2014; <hi rendition="#g">Protokolle des Staatsraths</hi>, Sitzung vom 6. April 1842.</note>          &#x017F;päter auf-<lb/>
gegeben, weil der Thatbe&#x017F;tand dadurch          un&#x017F;icher werde, indem &#x017F;ich na-<lb/>
mentlich &#x017F;chwer          erme&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;e, wie viel Zeit          zwi&#x017F;chen der Wegnahme<lb/>
des Schlü&#x017F;&#x017F;els und der Begehung          des Dieb&#x017F;tahls verflo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ein          mü&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
um anzunehmen, daß der Schlü&#x017F;&#x017F;el          vorher entwandt &#x017F;ei. Auch habe<lb/>
ein &#x017F;olcher Fall mit dem durch          Nach&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;el bewirkten Dieb&#x017F;tahl          keine<lb/>
wahre innere Verwandt&#x017F;chaft. <note place="foot" n="c)"><hi rendition="#g">Revi&#x017F;ion von</hi> 1845. III. S. 14. &#x2014; <hi rendition="#g">Motive zum Entwurf von</hi><lb/>
1850. §. 207.</note>         </p><lb/>
                <p>V. Dieb&#x017F;tahl an Sachen, die zum Rei&#x017F;egepäck oder zu          anderen<lb/>
Gegen&#x017F;tänden des Transports gehören, auf öffentlichen Wegen u.          &#x017F;. w.<lb/>
Der Thatbe&#x017F;tand des &#x017F;o er&#x017F;chwerten          Dieb&#x017F;tahls ergiebt &#x017F;ich aus der ge-<lb/>
nau gefaßten          Vor&#x017F;chrift des §. 218. Nr. 5.</p><lb/>
                <p>VI. Sachen werden ge&#x017F;tohlen, welche eine blöd&#x017F;innige          Per&#x017F;on oder<lb/>
ein Kind unter zwölf Jahren an oder bei &#x017F;ich führt.          Der Grund des<lb/>
Ge&#x017F;etzes hätte wohl eine Ausdehnung          de&#x017F;&#x017F;elben auf andere, wegen Al-<lb/>
ters oder Krankheit          hülflo&#x017F;e Per&#x017F;onen gerechtfertigt. Gewalt oder Dro-<lb/>
hungen, welche          das Verbrechen zum Raube &#x017F;tempeln würden (§. 230.),<lb/>
werden hier aber nicht          vorausge&#x017F;etzt.</p><lb/>
                <p>VII. Der Dieb oder einer der Diebe oder ein Theilnehmer am<lb/>
Dieb&#x017F;tahle          führt Waffen bei &#x017F;ich. &#x2014; Ueber die Fa&#x017F;&#x017F;ung der          Strafvor-<lb/>
&#x017F;chrift wegen des bewaffneten Dieb&#x017F;tahls hat man bei          der Revi&#x017F;ion &#x017F;ehr<lb/>
ge&#x017F;chwankt. Der Entwurf von 1830. §.          343. Nr. 5. verlangte, daß<lb/>
der Dieb &#x017F;ich zur Verübung des          Dieb&#x017F;tahls mit Waffen ver&#x017F;ehen habe,<lb/>
ob&#x017F;chon er davon          keinen Gebrauch gemacht; die          Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion<lb/>
ent&#x017F;chied &#x017F;ich für          die Annahme des Grund&#x017F;atzes, daß &#x017F;chon das          bloße<lb/>
Ver&#x017F;ehen&#x017F;ein mit Waffen beim Dieb&#x017F;tahl die          Qualifikation des Verbre-<lb/>
chens begründe, weil das Verbrechen dadurch &#x017F;chon          zu einem gefähr-<lb/>
lichen werde und jedenfalls zur Ein&#x017F;chüchterung des          Be&#x017F;tohlenen dienen<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[424/0434] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung. höfen wird man bis zur Ausbildung einer feſten Praxis wohl daran thun, die Aufmerkſamkeit der Geſchworenen beſonders auf die Punkte hinzulenken, welche bei der Auslegung des §. 222. und der daſelbſt ge- brauchten Ausdrücke die entſcheidenden ſind. IV. Der Diebſtahl wird in den §. 218. Nr. 4. bezeichneten Fäl- len durch die Anwendung falſcher Schlüſſel bewirkt. Die Erklärung des Ausdrucks „falſche Schlüſſel“ findet ſich §. 224.; rechte Schlüſſel, welche der Dieb ſich vorher zur Verübung der That auf unrechtmäßige Weiſe verſchafft hat, werden nicht zu denſelben gerechnet. Eine ſolche Beſtimmung wurde im Gegenſatz zu früheren Beſchlüſſen b) ſpäter auf- gegeben, weil der Thatbeſtand dadurch unſicher werde, indem ſich na- mentlich ſchwer ermeſſen laſſe, wie viel Zeit zwiſchen der Wegnahme des Schlüſſels und der Begehung des Diebſtahls verfloſſen ſein müſſe, um anzunehmen, daß der Schlüſſel vorher entwandt ſei. Auch habe ein ſolcher Fall mit dem durch Nachſchlüſſel bewirkten Diebſtahl keine wahre innere Verwandtſchaft. c) V. Diebſtahl an Sachen, die zum Reiſegepäck oder zu anderen Gegenſtänden des Transports gehören, auf öffentlichen Wegen u. ſ. w. Der Thatbeſtand des ſo erſchwerten Diebſtahls ergiebt ſich aus der ge- nau gefaßten Vorſchrift des §. 218. Nr. 5. VI. Sachen werden geſtohlen, welche eine blödſinnige Perſon oder ein Kind unter zwölf Jahren an oder bei ſich führt. Der Grund des Geſetzes hätte wohl eine Ausdehnung deſſelben auf andere, wegen Al- ters oder Krankheit hülfloſe Perſonen gerechtfertigt. Gewalt oder Dro- hungen, welche das Verbrechen zum Raube ſtempeln würden (§. 230.), werden hier aber nicht vorausgeſetzt. VII. Der Dieb oder einer der Diebe oder ein Theilnehmer am Diebſtahle führt Waffen bei ſich. — Ueber die Faſſung der Strafvor- ſchrift wegen des bewaffneten Diebſtahls hat man bei der Reviſion ſehr geſchwankt. Der Entwurf von 1830. §. 343. Nr. 5. verlangte, daß der Dieb ſich zur Verübung des Diebſtahls mit Waffen verſehen habe, obſchon er davon keinen Gebrauch gemacht; die Staatsraths-Kommiſſion entſchied ſich für die Annahme des Grundſatzes, daß ſchon das bloße Verſehenſein mit Waffen beim Diebſtahl die Qualifikation des Verbre- chens begründe, weil das Verbrechen dadurch ſchon zu einem gefähr- lichen werde und jedenfalls zur Einſchüchterung des Beſtohlenen dienen b) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III. S. 377. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 6. April 1842. c) Reviſion von 1845. III. S. 14. — Motive zum Entwurf von 1850. §. 207.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/434
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/434>, abgerufen am 23.07.2024.