§. 409. "Als Einsteigen von Außen ist anzusehen, wenn einge- drungen wird:
1) in Gebäude oder umschlossene Hofräume über Dachwerk, Thü- ren, Mauern, oder andere zur Schutzwehr gegen das Eindringen von Menschen bestimmte Einfriedigungen, oder
2) in Gebäude durch Fenster, Kellerlöcher oder andere dergleichen nicht zum Eingange bestimmte, unter oder über der Erde befind- liche Oeffnungen."
Der Zusatz "andere zur Schutzwehr gegen das Eindringen von Menschen bestimmte Einfriedigungen" zeigte hier deutlich an, daß der Thäter gewisse Hindernisse zu überwinden haben muß, wenn er sich auch durch deren Beseitigung noch nicht im Sinne der Karolina (Art. 159.) als einen gefährlichen Dieb darstellt. Auch war dadurch ange- deutet, daß Einfriedigungen, welche zu andern Zwecken, z. B. um die Grenze zu bezeichnen, um fremdes Vieh abzuhalten, gemacht sind, nicht zu denjenigen gerechnet werden sollten, deren Uebersteigen einen Diebstahl qualifizire. Aber selbst in dieser Beschränkung fand man später die Bestimmungen des §. 409. noch zu weit. Es müsse darnach jedes Ueberschreiten einer niedrigen Einfriedigung, so wie jedes ungehinderte Eintreten durch irgend eine, nicht gerade zum Eingang bestimmte Oeff- nung einer solchen Einfriedigung als Einsteigen bestraft werden, und das gehe über die Absicht des Gesetzgebers hinaus. Die Staatsraths- Kommission habe jedes Eingehen auf einem nicht zum Eingange be- stimmten Wege als Einsteigen behandeln wollen, weil sie dasselbe als Hausfriedensbruch betrachtet und eben hierin den Charakter des gewalt- samen Diebstahls gefunden habe. Allein in diesem Sinne könne man auch das durch den gewöhnlichen Eingang in diebischer Absicht gesche- hene Eingehen als eine Verletzung des Hausfriedens betrachten. Am Richtigsten sei es, die nähere Erklärung des Einsteigens wie des Ein- brechens aus dem Gesetzbuche ganz wegzulassen, und dem richterlichen Ermessen auch in dieser Hinsicht freien Spielraum zu gewähren. v)
In der That waren die betreffenden Bestimmungen in dem Ent- wurf von 1847. nicht enthalten, obgleich die Staatsraths-Kommission die für die Rheinprovinz vorgeschlagene Vorschrift des Einführungs- gesetzes (§. XXIII.) zu generalisiren und in das Gesetzbuch aufzunehmen beschlossen hatte. w) Der vereinigte ständische Ausschuß wiederholte aber
v)Revision von 1845. III. S. 12. 13.
w)Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1847. S. 44. -- Die vorgeschlagene Bestimmung lautete: "Einsteigen ist vorhanden, wenn der Eintritt in Gebäude durch Fenster, Kellerlöcher oder andere nicht zum Ein- gang bestimmte unter oder über der Erde befindliche Oeffnungen bewirkt wird."
§§. 218-224. Schwerer Diebſtahl; Rückfall.
§. 409. „Als Einſteigen von Außen iſt anzuſehen, wenn einge- drungen wird:
1) in Gebäude oder umſchloſſene Hofräume über Dachwerk, Thü- ren, Mauern, oder andere zur Schutzwehr gegen das Eindringen von Menſchen beſtimmte Einfriedigungen, oder
2) in Gebäude durch Fenſter, Kellerlöcher oder andere dergleichen nicht zum Eingange beſtimmte, unter oder über der Erde befind- liche Oeffnungen.“
Der Zuſatz „andere zur Schutzwehr gegen das Eindringen von Menſchen beſtimmte Einfriedigungen“ zeigte hier deutlich an, daß der Thäter gewiſſe Hinderniſſe zu überwinden haben muß, wenn er ſich auch durch deren Beſeitigung noch nicht im Sinne der Karolina (Art. 159.) als einen gefährlichen Dieb darſtellt. Auch war dadurch ange- deutet, daß Einfriedigungen, welche zu andern Zwecken, z. B. um die Grenze zu bezeichnen, um fremdes Vieh abzuhalten, gemacht ſind, nicht zu denjenigen gerechnet werden ſollten, deren Ueberſteigen einen Diebſtahl qualifizire. Aber ſelbſt in dieſer Beſchränkung fand man ſpäter die Beſtimmungen des §. 409. noch zu weit. Es müſſe darnach jedes Ueberſchreiten einer niedrigen Einfriedigung, ſo wie jedes ungehinderte Eintreten durch irgend eine, nicht gerade zum Eingang beſtimmte Oeff- nung einer ſolchen Einfriedigung als Einſteigen beſtraft werden, und das gehe über die Abſicht des Geſetzgebers hinaus. Die Staatsraths- Kommiſſion habe jedes Eingehen auf einem nicht zum Eingange be- ſtimmten Wege als Einſteigen behandeln wollen, weil ſie daſſelbe als Hausfriedensbruch betrachtet und eben hierin den Charakter des gewalt- ſamen Diebſtahls gefunden habe. Allein in dieſem Sinne könne man auch das durch den gewöhnlichen Eingang in diebiſcher Abſicht geſche- hene Eingehen als eine Verletzung des Hausfriedens betrachten. Am Richtigſten ſei es, die nähere Erklärung des Einſteigens wie des Ein- brechens aus dem Geſetzbuche ganz wegzulaſſen, und dem richterlichen Ermeſſen auch in dieſer Hinſicht freien Spielraum zu gewähren. v)
In der That waren die betreffenden Beſtimmungen in dem Ent- wurf von 1847. nicht enthalten, obgleich die Staatsraths-Kommiſſion die für die Rheinprovinz vorgeſchlagene Vorſchrift des Einführungs- geſetzes (§. XXIII.) zu generaliſiren und in das Geſetzbuch aufzunehmen beſchloſſen hatte. w) Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß wiederholte aber
v)Reviſion von 1845. III. S. 12. 13.
w)Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847. S. 44. — Die vorgeſchlagene Beſtimmung lautete: „Einſteigen iſt vorhanden, wenn der Eintritt in Gebäude durch Fenſter, Kellerlöcher oder andere nicht zum Ein- gang beſtimmte unter oder über der Erde befindliche Oeffnungen bewirkt wird.“
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drungen wird:
1) in Gebäude oder umſchloſſene Hofräume über Dachwerk, Thü-
ren, Mauern, oder andere zur Schutzwehr gegen das Eindringen
von Menſchen beſtimmte Einfriedigungen, oder
2) in Gebäude durch Fenſter, Kellerlöcher oder andere dergleichen
nicht zum Eingange beſtimmte, unter oder über der Erde befind-
liche Oeffnungen.“
Der Zuſatz „andere zur Schutzwehr gegen das Eindringen von
Menſchen beſtimmte Einfriedigungen“ zeigte hier deutlich an, daß der
Thäter gewiſſe Hinderniſſe zu überwinden haben muß, wenn er ſich
auch durch deren Beſeitigung noch nicht im Sinne der Karolina (Art.
159.) als einen gefährlichen Dieb darſtellt. Auch war dadurch ange-
deutet, daß Einfriedigungen, welche zu andern Zwecken, z. B. um die
Grenze zu bezeichnen, um fremdes Vieh abzuhalten, gemacht ſind, nicht
zu denjenigen gerechnet werden ſollten, deren Ueberſteigen einen Diebſtahl
qualifizire. Aber ſelbſt in dieſer Beſchränkung fand man ſpäter die
Beſtimmungen des §. 409. noch zu weit. Es müſſe darnach jedes
Ueberſchreiten einer niedrigen Einfriedigung, ſo wie jedes ungehinderte
Eintreten durch irgend eine, nicht gerade zum Eingang beſtimmte Oeff-
nung einer ſolchen Einfriedigung als Einſteigen beſtraft werden, und
das gehe über die Abſicht des Geſetzgebers hinaus. Die Staatsraths-
Kommiſſion habe jedes Eingehen auf einem nicht zum Eingange be-
ſtimmten Wege als Einſteigen behandeln wollen, weil ſie daſſelbe als
Hausfriedensbruch betrachtet und eben hierin den Charakter des gewalt-
ſamen Diebſtahls gefunden habe. Allein in dieſem Sinne könne man
auch das durch den gewöhnlichen Eingang in diebiſcher Abſicht geſche-
hene Eingehen als eine Verletzung des Hausfriedens betrachten. Am
Richtigſten ſei es, die nähere Erklärung des Einſteigens wie des Ein-
brechens aus dem Geſetzbuche ganz wegzulaſſen, und dem richterlichen
Ermeſſen auch in dieſer Hinſicht freien Spielraum zu gewähren. v)
In der That waren die betreffenden Beſtimmungen in dem Ent-
wurf von 1847. nicht enthalten, obgleich die Staatsraths-Kommiſſion
die für die Rheinprovinz vorgeſchlagene Vorſchrift des Einführungs-
geſetzes (§. XXIII.) zu generaliſiren und in das Geſetzbuch aufzunehmen
beſchloſſen hatte. w) Der vereinigte ſtändiſche Ausſchuß wiederholte aber
v) Reviſion von 1845. III. S. 12. 13.
w) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von
1847. S. 44. — Die vorgeſchlagene Beſtimmung lautete: „Einſteigen iſt vorhanden,
wenn der Eintritt in Gebäude durch Fenſter, Kellerlöcher oder andere nicht zum Ein-
gang beſtimmte unter oder über der Erde befindliche Oeffnungen bewirkt wird.“
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/431>, abgerufen am 23.07.2024.
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