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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVIII. Diebstahl u. Unterschlagung.
eine einzelne Handlung unter den Begriff falle oder nicht. Wenn es
demnach nur darauf ankommt, die Begriffsbestimmung so zu geben, daß
zwar die Ausdehnung des Strafgesetzes auf Fälle, wofür es nicht ge-
geben ist, vermieden, aber auch die Anwendung auf die Fälle, welche
gemeint sind, möglichst gesichert wird, so muß man der Fassung des
Entwurfs den Vorzug geben. Die Aufnahme der gewinnsüchtigen Ab-
sicht in den Thatbestand des Diebstahls erzeugt einerseits Verlegenheiten
rücksichtlich des Beweises, und führt dadurch zu der Nothwendigkeit,
nach dem Vorgange des Allg. Landrechts (II. 20. §. 1112 ff.) Prä-
sumtionen aufzustellen, welche im Strafgesetzbuche immer sehr mißlich
und daher so viel als möglich zu beschränken sind, wenn sie sich auch
nicht ganz vermeiden lassen; andererseits ruft sie wiederum manche
Zweifel darüber hervor, was unter einer gewinnsüchtigen Absicht, die
neben der Absicht, das fremde Gut sich zuzueignen, als etwas Beson-
deres und Verschiedenes erfordert wird, zu verstehen sei. -- Diese
Unsicherheit wird ohne Noth und ohne Vortheil herbeigeführt. Denn,
wie Temme und Abegg mit Recht bemerken, ist auch bei der Fassung
des Entwurfs nicht zu befürchten, daß eine Handlung als Diebstahl
bestraft werde, die nach den bisher angenommenen Grundsätzen nicht
Diebstahl ist. Indem der Entwurf voraussetzt, daß der Entwendende
im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit seiner Handlung einen Anderen um
das Seinige bringen und sich dasselbe zueignen wolle, fordert er eben
denjenigen Dolus, welcher nach dem gemeinen Strafrecht zum Wesen
des Diebstahls gehört. Daß eigentliche Gewinnsucht, das heißt die
speziell auf Bereicherung gerichtete Absicht, das Motiv sein müsse,
läßt sich nicht behaupten. Auch andere Bestimmungsgründe, z. B. Neid,
Eitelkeit, können den Dieb leiten; es ist möglich, daß er die Sache ha-
ben will, nur damit sie der andere nicht habe. Wollte man in diesem
Falle theoretisch den Thatbestand des Diebstahls bezweifeln, so hat doch
der Zweifel keine praktische Bedeutung; denn auch da, wo man die
gewinnsüchtige Absicht erfordert, wird schwerlich jemals dem Entwen-
denden die Ausrede zu Statten kommen, daß er die Sache nur aus
Neid weggenommen habe. Will man dagegen auch die Befriedigung
jeder Leidenschaft des Neides, der Eitelkeit, der Gaunerlust u. s. w. als
einen solchen Gewinn betrachten, worauf die gewinnsüchtige Absicht
gerichtet sein könne, dann verliert sich die letztere so sehr ins Allgemeine,
daß sie gar nicht mehr zu fassen ist und am wenigsten ausdrücklich er-
wähnt zu werden braucht; denn irgend eine Befriedigung sucht jeder,
welcher sich fremdes Gut zueignet. In der That bezwecken auch die
anderen Gesetzgebungen mit der Erwähnung der gewinnsüchtigen Absicht
nur die Unterscheidung des Diebstahls von der bloßen Vermögensbe-

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung.
eine einzelne Handlung unter den Begriff falle oder nicht. Wenn es
demnach nur darauf ankommt, die Begriffsbeſtimmung ſo zu geben, daß
zwar die Ausdehnung des Strafgeſetzes auf Fälle, wofür es nicht ge-
geben iſt, vermieden, aber auch die Anwendung auf die Fälle, welche
gemeint ſind, möglichſt geſichert wird, ſo muß man der Faſſung des
Entwurfs den Vorzug geben. Die Aufnahme der gewinnſüchtigen Ab-
ſicht in den Thatbeſtand des Diebſtahls erzeugt einerſeits Verlegenheiten
rückſichtlich des Beweiſes, und führt dadurch zu der Nothwendigkeit,
nach dem Vorgange des Allg. Landrechts (II. 20. §. 1112 ff.) Prä-
ſumtionen aufzuſtellen, welche im Strafgeſetzbuche immer ſehr mißlich
und daher ſo viel als möglich zu beſchränken ſind, wenn ſie ſich auch
nicht ganz vermeiden laſſen; andererſeits ruft ſie wiederum manche
Zweifel darüber hervor, was unter einer gewinnſüchtigen Abſicht, die
neben der Abſicht, das fremde Gut ſich zuzueignen, als etwas Beſon-
deres und Verſchiedenes erfordert wird, zu verſtehen ſei. — Dieſe
Unſicherheit wird ohne Noth und ohne Vortheil herbeigeführt. Denn,
wie Temme und Abegg mit Recht bemerken, iſt auch bei der Faſſung
des Entwurfs nicht zu befürchten, daß eine Handlung als Diebſtahl
beſtraft werde, die nach den bisher angenommenen Grundſätzen nicht
Diebſtahl iſt. Indem der Entwurf vorausſetzt, daß der Entwendende
im Bewußtſein der Rechtswidrigkeit ſeiner Handlung einen Anderen um
das Seinige bringen und ſich daſſelbe zueignen wolle, fordert er eben
denjenigen Dolus, welcher nach dem gemeinen Strafrecht zum Weſen
des Diebſtahls gehört. Daß eigentliche Gewinnſucht, das heißt die
ſpeziell auf Bereicherung gerichtete Abſicht, das Motiv ſein müſſe,
läßt ſich nicht behaupten. Auch andere Beſtimmungsgründe, z. B. Neid,
Eitelkeit, können den Dieb leiten; es iſt möglich, daß er die Sache ha-
ben will, nur damit ſie der andere nicht habe. Wollte man in dieſem
Falle theoretiſch den Thatbeſtand des Diebſtahls bezweifeln, ſo hat doch
der Zweifel keine praktiſche Bedeutung; denn auch da, wo man die
gewinnſüchtige Abſicht erfordert, wird ſchwerlich jemals dem Entwen-
denden die Ausrede zu Statten kommen, daß er die Sache nur aus
Neid weggenommen habe. Will man dagegen auch die Befriedigung
jeder Leidenſchaft des Neides, der Eitelkeit, der Gaunerluſt u. ſ. w. als
einen ſolchen Gewinn betrachten, worauf die gewinnſüchtige Abſicht
gerichtet ſein könne, dann verliert ſich die letztere ſo ſehr ins Allgemeine,
daß ſie gar nicht mehr zu faſſen iſt und am wenigſten ausdrücklich er-
wähnt zu werden braucht; denn irgend eine Befriedigung ſucht jeder,
welcher ſich fremdes Gut zueignet. In der That bezwecken auch die
anderen Geſetzgebungen mit der Erwähnung der gewinnſüchtigen Abſicht
nur die Unterſcheidung des Diebſtahls von der bloßen Vermögensbe-

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[410/0420] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung. eine einzelne Handlung unter den Begriff falle oder nicht. Wenn es demnach nur darauf ankommt, die Begriffsbeſtimmung ſo zu geben, daß zwar die Ausdehnung des Strafgeſetzes auf Fälle, wofür es nicht ge- geben iſt, vermieden, aber auch die Anwendung auf die Fälle, welche gemeint ſind, möglichſt geſichert wird, ſo muß man der Faſſung des Entwurfs den Vorzug geben. Die Aufnahme der gewinnſüchtigen Ab- ſicht in den Thatbeſtand des Diebſtahls erzeugt einerſeits Verlegenheiten rückſichtlich des Beweiſes, und führt dadurch zu der Nothwendigkeit, nach dem Vorgange des Allg. Landrechts (II. 20. §. 1112 ff.) Prä- ſumtionen aufzuſtellen, welche im Strafgeſetzbuche immer ſehr mißlich und daher ſo viel als möglich zu beſchränken ſind, wenn ſie ſich auch nicht ganz vermeiden laſſen; andererſeits ruft ſie wiederum manche Zweifel darüber hervor, was unter einer gewinnſüchtigen Abſicht, die neben der Abſicht, das fremde Gut ſich zuzueignen, als etwas Beſon- deres und Verſchiedenes erfordert wird, zu verſtehen ſei. — Dieſe Unſicherheit wird ohne Noth und ohne Vortheil herbeigeführt. Denn, wie Temme und Abegg mit Recht bemerken, iſt auch bei der Faſſung des Entwurfs nicht zu befürchten, daß eine Handlung als Diebſtahl beſtraft werde, die nach den bisher angenommenen Grundſätzen nicht Diebſtahl iſt. Indem der Entwurf vorausſetzt, daß der Entwendende im Bewußtſein der Rechtswidrigkeit ſeiner Handlung einen Anderen um das Seinige bringen und ſich daſſelbe zueignen wolle, fordert er eben denjenigen Dolus, welcher nach dem gemeinen Strafrecht zum Weſen des Diebſtahls gehört. Daß eigentliche Gewinnſucht, das heißt die ſpeziell auf Bereicherung gerichtete Abſicht, das Motiv ſein müſſe, läßt ſich nicht behaupten. Auch andere Beſtimmungsgründe, z. B. Neid, Eitelkeit, können den Dieb leiten; es iſt möglich, daß er die Sache ha- ben will, nur damit ſie der andere nicht habe. Wollte man in dieſem Falle theoretiſch den Thatbeſtand des Diebſtahls bezweifeln, ſo hat doch der Zweifel keine praktiſche Bedeutung; denn auch da, wo man die gewinnſüchtige Abſicht erfordert, wird ſchwerlich jemals dem Entwen- denden die Ausrede zu Statten kommen, daß er die Sache nur aus Neid weggenommen habe. Will man dagegen auch die Befriedigung jeder Leidenſchaft des Neides, der Eitelkeit, der Gaunerluſt u. ſ. w. als einen ſolchen Gewinn betrachten, worauf die gewinnſüchtige Abſicht gerichtet ſein könne, dann verliert ſich die letztere ſo ſehr ins Allgemeine, daß ſie gar nicht mehr zu faſſen iſt und am wenigſten ausdrücklich er- wähnt zu werden braucht; denn irgend eine Befriedigung ſucht jeder, welcher ſich fremdes Gut zueignet. In der That bezwecken auch die anderen Geſetzgebungen mit der Erwähnung der gewinnſüchtigen Abſicht nur die Unterſcheidung des Diebſtahls von der bloßen Vermögensbe-

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/420>, abgerufen am 23.11.2024.