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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 197. Vergiftung.

Hat die Handlung eine schwere Körperverletzung (§. 193.) zur Folge ge-
habt, so besteht die Strafe in Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren.

Hat die Handlung den Tod zur Folge gehabt, so tritt lebenslängliche
Zuchthausstrafe ein.

Diese Bestimmungen berühren nicht den Fall, wo der Thäter die Absicht
zu tödten hatte.



Das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20. §. 856-72.) stellt nach
dem Vorgange der Karolina b) die Vergiftung als ein selbständiges
Verbrechen auf, dessen Bestrafung nicht allein nach der Absicht des
Thäters und dem Erfolge der Handlung, sondern auch nach der Ge-
fährlichkeit des gewählten Mittels bestimmt wird. In ähnlicher Weise
behandelt der Code penal das Verbrechen, nur daß er die Absicht der
Tödtung (attentat a la vie) zu dem Thatbestande desselben verlangt. c)

Bei der Revision des Strafrechts haben verschiedene Ansichten über
die Behandlung dieses Verbrechens obgewaltet. Anfangs schloß man
sich im Wesentlichen an die Vorschriften des Allgem. Landrechts an; d)
der Entwurf von 1836. enthielt dagegen nichts über die Vergiftung;
die Staatsraths-Kommission nahm aber die früheren Bestimmungen
wieder auf und faßte die Strafsatzung in erhöhter Strenge. e) Demgemäß
verfügte der Entwurf von 1843.

§. 307. "Wer einem Andern vorsätzlich Gift beigebracht und da-
durch den Tod desselben bewirkt hat, soll mit dem Tode bestraft wer-
den, ohne Rücksicht ob er die Tödtung beabsichtigt hatte, oder nicht."

Gegen diese Auffassung machten sich aber später verschiedene Be-
denken geltend. Es wurde namentlich dagegen angeführt, daß weder
die Schlechtigkeit des Motivs noch die Gefährlichkeit des Verbrechens
eine so anomale Bestimmung rechtfertige; daß eine Vergiftung im Affekt
nicht gerade undenkbar sei; daß der Arzt oft nur Wahrscheinlichkeit,
nicht Gewißheit des Thatbestandes bezeugen könne. Die gehörige Be-
rücksichtigung des dolus indeterminatus reiche vollkommen hin, die-

b) P. G. O. Art. 130. Item wer jemandt durch gifft oder venen, an leib
oder leben beschedigt, ist es ein mannßbild, der soll eynem fürgesatztem mörder gleich
mit dem rath zum todt gestrafft werden. Thet aber eyn solche mißthat eyn weibß-
bild, die soll man erdrencken, oder inn andere weg vom leben zum todt richten. -- --
c) Code penal. Art. 301. Est qualifie empoisonnement tout attentat
a la vie d'une personne, par l'effet de substances qui peuvent donner la
mort plus ou moins promptement, de quelque maniere que ces substances
aient ete employees ou administrees, et quelles qu'en aient ete les suites.
-- Art. 302. Tout coupable -- -- d'empoisonnent sera puni de mort --
d) Motive zum ersten Entwurf. III. 2. S. 114-24. -- Entwurf von
1830. §. 225-29.
e) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II.
S. 182. 211. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. April 1841.
25*
§. 197. Vergiftung.

Hat die Handlung eine ſchwere Körperverletzung (§. 193.) zur Folge ge-
habt, ſo beſteht die Strafe in Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren.

Hat die Handlung den Tod zur Folge gehabt, ſo tritt lebenslängliche
Zuchthausſtrafe ein.

Dieſe Beſtimmungen berühren nicht den Fall, wo der Thäter die Abſicht
zu tödten hatte.



Das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20. §. 856-72.) ſtellt nach
dem Vorgange der Karolina b) die Vergiftung als ein ſelbſtändiges
Verbrechen auf, deſſen Beſtrafung nicht allein nach der Abſicht des
Thäters und dem Erfolge der Handlung, ſondern auch nach der Ge-
fährlichkeit des gewählten Mittels beſtimmt wird. In ähnlicher Weiſe
behandelt der Code pénal das Verbrechen, nur daß er die Abſicht der
Tödtung (attentat à la vie) zu dem Thatbeſtande deſſelben verlangt. c)

Bei der Reviſion des Strafrechts haben verſchiedene Anſichten über
die Behandlung dieſes Verbrechens obgewaltet. Anfangs ſchloß man
ſich im Weſentlichen an die Vorſchriften des Allgem. Landrechts an; d)
der Entwurf von 1836. enthielt dagegen nichts über die Vergiftung;
die Staatsraths-Kommiſſion nahm aber die früheren Beſtimmungen
wieder auf und faßte die Strafſatzung in erhöhter Strenge. e) Demgemäß
verfügte der Entwurf von 1843.

§. 307. „Wer einem Andern vorſätzlich Gift beigebracht und da-
durch den Tod deſſelben bewirkt hat, ſoll mit dem Tode beſtraft wer-
den, ohne Rückſicht ob er die Tödtung beabſichtigt hatte, oder nicht.“

Gegen dieſe Auffaſſung machten ſich aber ſpäter verſchiedene Be-
denken geltend. Es wurde namentlich dagegen angeführt, daß weder
die Schlechtigkeit des Motivs noch die Gefährlichkeit des Verbrechens
eine ſo anomale Beſtimmung rechtfertige; daß eine Vergiftung im Affekt
nicht gerade undenkbar ſei; daß der Arzt oft nur Wahrſcheinlichkeit,
nicht Gewißheit des Thatbeſtandes bezeugen könne. Die gehörige Be-
rückſichtigung des dolus indeterminatus reiche vollkommen hin, die-

b) P. G. O. Art. 130. Item wer jemandt durch gifft oder venen, an leib
oder leben beſchedigt, iſt es ein mannßbild, der ſoll eynem fürgeſatztem mörder gleich
mit dem rath zum todt geſtrafft werden. Thet aber eyn ſolche mißthat eyn weibß-
bild, die ſoll man erdrencken, oder inn andere weg vom leben zum todt richten. — —
c) Code pénal. Art. 301. Est qualifié empoisonnement tout attentat
à la vie d'une personne, par l'effet de substances qui peuvent donner la
mort plus ou moins promptement, de quelque manière que ces substances
aient été employées ou administrées, et quelles qu'en aient été les suites.
— Art. 302. Tout coupable — — d'empoisonnent sera puni de mort —
d) Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 114-24. — Entwurf von
1830. §. 225-29.
e) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II.
S. 182. 211. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. April 1841.
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[379/0389] §. 197. Vergiftung. Hat die Handlung eine ſchwere Körperverletzung (§. 193.) zur Folge ge- habt, ſo beſteht die Strafe in Zuchthaus von zehn bis zu zwanzig Jahren. Hat die Handlung den Tod zur Folge gehabt, ſo tritt lebenslängliche Zuchthausſtrafe ein. Dieſe Beſtimmungen berühren nicht den Fall, wo der Thäter die Abſicht zu tödten hatte. Das Allg. Landrecht (Th. II. Tit. 20. §. 856-72.) ſtellt nach dem Vorgange der Karolina b) die Vergiftung als ein ſelbſtändiges Verbrechen auf, deſſen Beſtrafung nicht allein nach der Abſicht des Thäters und dem Erfolge der Handlung, ſondern auch nach der Ge- fährlichkeit des gewählten Mittels beſtimmt wird. In ähnlicher Weiſe behandelt der Code pénal das Verbrechen, nur daß er die Abſicht der Tödtung (attentat à la vie) zu dem Thatbeſtande deſſelben verlangt. c) Bei der Reviſion des Strafrechts haben verſchiedene Anſichten über die Behandlung dieſes Verbrechens obgewaltet. Anfangs ſchloß man ſich im Weſentlichen an die Vorſchriften des Allgem. Landrechts an; d) der Entwurf von 1836. enthielt dagegen nichts über die Vergiftung; die Staatsraths-Kommiſſion nahm aber die früheren Beſtimmungen wieder auf und faßte die Strafſatzung in erhöhter Strenge. e) Demgemäß verfügte der Entwurf von 1843. §. 307. „Wer einem Andern vorſätzlich Gift beigebracht und da- durch den Tod deſſelben bewirkt hat, ſoll mit dem Tode beſtraft wer- den, ohne Rückſicht ob er die Tödtung beabſichtigt hatte, oder nicht.“ Gegen dieſe Auffaſſung machten ſich aber ſpäter verſchiedene Be- denken geltend. Es wurde namentlich dagegen angeführt, daß weder die Schlechtigkeit des Motivs noch die Gefährlichkeit des Verbrechens eine ſo anomale Beſtimmung rechtfertige; daß eine Vergiftung im Affekt nicht gerade undenkbar ſei; daß der Arzt oft nur Wahrſcheinlichkeit, nicht Gewißheit des Thatbeſtandes bezeugen könne. Die gehörige Be- rückſichtigung des dolus indeterminatus reiche vollkommen hin, die- b) P. G. O. Art. 130. Item wer jemandt durch gifft oder venen, an leib oder leben beſchedigt, iſt es ein mannßbild, der ſoll eynem fürgeſatztem mörder gleich mit dem rath zum todt geſtrafft werden. Thet aber eyn ſolche mißthat eyn weibß- bild, die ſoll man erdrencken, oder inn andere weg vom leben zum todt richten. — — c) Code pénal. Art. 301. Est qualifié empoisonnement tout attentat à la vie d'une personne, par l'effet de substances qui peuvent donner la mort plus ou moins promptement, de quelque manière que ces substances aient été employées ou administrées, et quelles qu'en aient été les suites. — Art. 302. Tout coupable — — d'empoisonnent sera puni de mort — d) Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 114-24. — Entwurf von 1830. §. 225-29. e) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 182. 211. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. April 1841. 25*

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/389>, abgerufen am 22.11.2024.