Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVI. Körperverletzung.
desselben erfolgt ist. -- Das Allg. Landrecht enthält hierüber folgende Vorschrift:
Th. II. Tit. 20. §. 797. "Hat aber Jemand dem Andern schwere Beschädigungen, woraus für desselben Gesundheit oder Glied- maaßen ein erheblicher Nachtheil hätte entstehen können, vorsätzlich zu- gefügt, so soll allemal verhältnißmäßige Festungs- oder Zuchthausstrafe statt finden."
Schon der erste Revisor hat es sehr gut nachgewiesen, daß das Allg. Landrecht, welches den schweren Beschädigungen des angeführten Paragraphen nur die als Realinjurien behandelten geringen Verletzungen entgegenstellt, in seiner Klassifizirung unvollständig ist und kein festes fundamentum divisionis hat. k) Aber auch die Unbestimmtheit der Vorschrift an sich, namentlich in den Worten: "woraus ein erheb- licher Nachtheil hätte entstehen können," lag auf der Hand und bedurfte einer wesentlichen Verbesserung, welche denn auch in den ver- schiedenen Entwürfen mit manchen Abweichungen versucht wurde, bis es zu der Feststellung in §. 193. kam. Die einzelnen Fälle sind hier besonders zu betrachten.
I. Die vorsätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung hat eine Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von einer längeren als zwanzigtägigen Dauer zur Folge gehabt. Gegen diese dem Rheinischen Recht entlehnte Bestimmung l) hat sich lange eine entschiedene Opposition gezeigt, indem dagegen besonders angeführt wurde, daß ein rein äußerlicher und völlig zufälliger Unterschied in den Folgen der Handlung für die Strafbarkeit derselben nicht maaßgebend sein könne. m) Noch in dem Entwurf von 1847. §. 238. wurde daher nur allgemein bestimmt, daß eine schwere Körperverletzung anzunehmen sei, wenn dieselbe "mit erheblichen Nach- theilen für die Gesundheit oder die Gliedmaaßen des Verletzten verbun- den ist, oder eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat." Die zur Staatsraths-Kommission zugezogenen Rheinischen Juristen hatten es jedoch durchgesetzt, daß in dem Einführungsgesetz für die Rheinpro- vinz §. XXI. die bestimmte Frist einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwanzig Tagen als Merkmal der schweren Körperver- letzung angenommen war, indem sie besonders auf die Nothwendigkeit
k)Motive zum ersten Entwurf. III. 2. 225-27.
l)Code penal. Art. 309. Sera puni de la peine de la reclusion, tout individu qui aura fait des blessures ou porte des coups, s'il est resulte de ces actes de violence une maladie ou incapacite de travail personnel pen- dant plus de vingt jours.
m)Motive a. a. O. S. 230-32. -- Revision von 1845. II. S. 133. -- Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 120. Vgl. Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 176. (193.)
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.
Th. II. Tit. 20. §. 797. „Hat aber Jemand dem Andern ſchwere Beſchädigungen, woraus für deſſelben Geſundheit oder Glied- maaßen ein erheblicher Nachtheil hätte entſtehen können, vorſätzlich zu- gefügt, ſo ſoll allemal verhältnißmäßige Feſtungs- oder Zuchthausſtrafe ſtatt finden.“
Schon der erſte Reviſor hat es ſehr gut nachgewieſen, daß das Allg. Landrecht, welches den ſchweren Beſchädigungen des angeführten Paragraphen nur die als Realinjurien behandelten geringen Verletzungen entgegenſtellt, in ſeiner Klaſſifizirung unvollſtändig iſt und kein feſtes fundamentum diviſionis hat. k) Aber auch die Unbeſtimmtheit der Vorſchrift an ſich, namentlich in den Worten: „woraus ein erheb- licher Nachtheil hätte entſtehen können,“ lag auf der Hand und bedurfte einer weſentlichen Verbeſſerung, welche denn auch in den ver- ſchiedenen Entwürfen mit manchen Abweichungen verſucht wurde, bis es zu der Feſtſtellung in §. 193. kam. Die einzelnen Fälle ſind hier beſonders zu betrachten.
I. Die vorſätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung hat eine Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von einer längeren als zwanzigtägigen Dauer zur Folge gehabt. Gegen dieſe dem Rheiniſchen Recht entlehnte Beſtimmung l) hat ſich lange eine entſchiedene Oppoſition gezeigt, indem dagegen beſonders angeführt wurde, daß ein rein äußerlicher und völlig zufälliger Unterſchied in den Folgen der Handlung für die Strafbarkeit derſelben nicht maaßgebend ſein könne. m) Noch in dem Entwurf von 1847. §. 238. wurde daher nur allgemein beſtimmt, daß eine ſchwere Körperverletzung anzunehmen ſei, wenn dieſelbe „mit erheblichen Nach- theilen für die Geſundheit oder die Gliedmaaßen des Verletzten verbun- den iſt, oder eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.“ Die zur Staatsraths-Kommiſſion zugezogenen Rheiniſchen Juriſten hatten es jedoch durchgeſetzt, daß in dem Einführungsgeſetz für die Rheinpro- vinz §. XXI. die beſtimmte Friſt einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwanzig Tagen als Merkmal der ſchweren Körperver- letzung angenommen war, indem ſie beſonders auf die Nothwendigkeit
k)Motive zum erſten Entwurf. III. 2. 225-27.
l)Code pénal. Art. 309. Sera puni de la peine de la reclusion, tout individu qui aura fait des blessures ou porté des coups, ſ'il est résulté de ces actes de violence une maladie ou incapacité de travail personnel pen- dant plus de vingt jours.
m)Motive a. a. O. S. 230-32. — Reviſion von 1845. II. S. 133. — Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 120. Vgl. Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 176. (193.)
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVI. Körperverletzung.
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Vorſchrift:
Th. II. Tit. 20. §. 797. „Hat aber Jemand dem Andern
ſchwere Beſchädigungen, woraus für deſſelben Geſundheit oder Glied-
maaßen ein erheblicher Nachtheil hätte entſtehen können, vorſätzlich zu-
gefügt, ſo ſoll allemal verhältnißmäßige Feſtungs- oder Zuchthausſtrafe
ſtatt finden.“
Schon der erſte Reviſor hat es ſehr gut nachgewieſen, daß das
Allg. Landrecht, welches den ſchweren Beſchädigungen des angeführten
Paragraphen nur die als Realinjurien behandelten geringen Verletzungen
entgegenſtellt, in ſeiner Klaſſifizirung unvollſtändig iſt und kein feſtes
fundamentum diviſionis hat. k) Aber auch die Unbeſtimmtheit der
Vorſchrift an ſich, namentlich in den Worten: „woraus ein erheb-
licher Nachtheil hätte entſtehen können,“ lag auf der Hand und
bedurfte einer weſentlichen Verbeſſerung, welche denn auch in den ver-
ſchiedenen Entwürfen mit manchen Abweichungen verſucht wurde, bis
es zu der Feſtſtellung in §. 193. kam. Die einzelnen Fälle ſind hier
beſonders zu betrachten.
I. Die vorſätzliche Mißhandlung oder Körperverletzung hat eine
Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von einer längeren als zwanzigtägigen
Dauer zur Folge gehabt. Gegen dieſe dem Rheiniſchen Recht entlehnte
Beſtimmung l) hat ſich lange eine entſchiedene Oppoſition gezeigt, indem
dagegen beſonders angeführt wurde, daß ein rein äußerlicher und völlig
zufälliger Unterſchied in den Folgen der Handlung für die Strafbarkeit
derſelben nicht maaßgebend ſein könne. m) Noch in dem Entwurf von
1847. §. 238. wurde daher nur allgemein beſtimmt, daß eine ſchwere
Körperverletzung anzunehmen ſei, wenn dieſelbe „mit erheblichen Nach-
theilen für die Geſundheit oder die Gliedmaaßen des Verletzten verbun-
den iſt, oder eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.“
Die zur Staatsraths-Kommiſſion zugezogenen Rheiniſchen Juriſten hatten
es jedoch durchgeſetzt, daß in dem Einführungsgeſetz für die Rheinpro-
vinz §. XXI. die beſtimmte Friſt einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit
von mehr als zwanzig Tagen als Merkmal der ſchweren Körperver-
letzung angenommen war, indem ſie beſonders auf die Nothwendigkeit
k) Motive zum erſten Entwurf. III. 2. 225-27.
l) Code pénal. Art. 309. Sera puni de la peine de la reclusion, tout
individu qui aura fait des blessures ou porté des coups, ſ'il est résulté de
ces actes de violence une maladie ou incapacité de travail personnel pen-
dant plus de vingt jours.
m) Motive a. a. O. S. 230-32. — Reviſion von 1845. II. S. 133.
— Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 120.
Vgl. Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 176. (193.)
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/382>, abgerufen am 16.07.2024.
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