Werke geht, macht sich des Mordes schuldig, und ist mit dem Tode zu bestrafen."
In der Staatsraths-Kommission war man jedoch der Ansicht, daß die früher gegebene Definition den Begriff des Verbrechens hinreichend bezeichne, und entschloß sich nur mit Rücksicht auf die an die Geschwo- renen zu stellenden Fragen zu der formellen Abänderung, daß statt "mit überlegtem Vorsatze" gesagt werde "vorsätzlich und mit Ueberle- gung." l) Diese Fassung ist in dem Gesetzbuche auch beibehalten worden.
I. Der Ausdruck "mit Ueberlegung" ist also nicht wesentlich ver- schieden von dem entsprechenden "mit Vorbedacht," durch welchen das Rheinische Recht das Wesen des Mordes bezeichnet; m) es wird bei jener Bezeichnung nur nicht alles Gewicht auf die Zeit, welche zwischen dem Entschluß zur That und der That selbst verflossen ist, gelegt, son- dern die beiden oben unterschiedenen Fälle der Ueberlegung vor der That und bei der That werden gleichmäßig unter dem Begriff des Mordes befaßt. Daher besteht auch kein Unterschied zwischen dem That- bestand des Mordes nach dem Strafgesetzbuch und nach den anderen Deutschen Gesetzgebungen; im Staatsrathe wurde dieß bei der Wahl jenes Ausdrucks besonders hervorgehoben, und nur die weitere Exem- plifikation, welche später der Entwurf von 1845. doch vorschlug, für überflüssig erachtet. n)
II. Die Strafe des Mordes ist der Tod; bei dem Verwandten- morde soll zugleich auf den Verlust der bürgerlichen Ehre erkannt werden. Zu den Verwandten werden aber hier nur die leiblichen Ascen- denten und der Ehegatte gerechnet, während der Begriff des parricidium nach gemeinem Rechte ein weiterer ist.
III. In den älteren Entwürfen waren mehrere besondere Fälle, in denen über die Anwendung der gesetzlichen Strafe Zweifel zu bestehen schienen, zum Gegenstand eigener Vorschriften gemacht worden. Die- selben sind aber in Folge weiterer Erwägung später aus dem Straf- gesetzbuche weggelassen worden.
a. Der Entwurf von 1836. bestimmte:
§. 427. "Wer eine Mißgeburt eigenmächtig tödtet, hat sechswö- chentliche bis sechsmonatliche Gefängnißstrafe verwirkt."
l)Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 113. -- Fernere Verhandlungen von 1847. S. 43.
m)Code penal. Art. 296-98. Ergänzend kommt hierbei noch in Be- tracht die Bestimmung des Art. 303. Seront punis comme coupables d'assas- sinat, tous malfaiteurs, quelle que soit leur denomination, qui pour l'exe- cution de leurs crimes emploient des tortures ou commettent des actes de barbarie.
n) Vgl. Motive zum Entwurf von 1850. §. 161. 162.
23*
§. 175. Der Mord.
Werke geht, macht ſich des Mordes ſchuldig, und iſt mit dem Tode zu beſtrafen.“
In der Staatsraths-Kommiſſion war man jedoch der Anſicht, daß die früher gegebene Definition den Begriff des Verbrechens hinreichend bezeichne, und entſchloß ſich nur mit Rückſicht auf die an die Geſchwo- renen zu ſtellenden Fragen zu der formellen Abänderung, daß ſtatt „mit überlegtem Vorſatze“ geſagt werde „vorſätzlich und mit Ueberle- gung.“ l) Dieſe Faſſung iſt in dem Geſetzbuche auch beibehalten worden.
I. Der Ausdruck „mit Ueberlegung“ iſt alſo nicht weſentlich ver- ſchieden von dem entſprechenden „mit Vorbedacht,“ durch welchen das Rheiniſche Recht das Weſen des Mordes bezeichnet; m) es wird bei jener Bezeichnung nur nicht alles Gewicht auf die Zeit, welche zwiſchen dem Entſchluß zur That und der That ſelbſt verfloſſen iſt, gelegt, ſon- dern die beiden oben unterſchiedenen Fälle der Ueberlegung vor der That und bei der That werden gleichmäßig unter dem Begriff des Mordes befaßt. Daher beſteht auch kein Unterſchied zwiſchen dem That- beſtand des Mordes nach dem Strafgeſetzbuch und nach den anderen Deutſchen Geſetzgebungen; im Staatsrathe wurde dieß bei der Wahl jenes Ausdrucks beſonders hervorgehoben, und nur die weitere Exem- plifikation, welche ſpäter der Entwurf von 1845. doch vorſchlug, für überflüſſig erachtet. n)
II. Die Strafe des Mordes iſt der Tod; bei dem Verwandten- morde ſoll zugleich auf den Verluſt der bürgerlichen Ehre erkannt werden. Zu den Verwandten werden aber hier nur die leiblichen Aſcen- denten und der Ehegatte gerechnet, während der Begriff des parricidium nach gemeinem Rechte ein weiterer iſt.
III. In den älteren Entwürfen waren mehrere beſondere Fälle, in denen über die Anwendung der geſetzlichen Strafe Zweifel zu beſtehen ſchienen, zum Gegenſtand eigener Vorſchriften gemacht worden. Die- ſelben ſind aber in Folge weiterer Erwägung ſpäter aus dem Straf- geſetzbuche weggelaſſen worden.
a. Der Entwurf von 1836. beſtimmte:
§. 427. „Wer eine Mißgeburt eigenmächtig tödtet, hat ſechswö- chentliche bis ſechsmonatliche Gefängnißſtrafe verwirkt.“
l)Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 113. — Fernere Verhandlungen von 1847. S. 43.
m)Code pénal. Art. 296-98. Ergänzend kommt hierbei noch in Be- tracht die Beſtimmung des Art. 303. Seront punis comme coupables d'assas- sinat, tous malfaiteurs, quelle que soit leur dénomination, qui pour l'exé- cution de leurs crimes emploient des tortures ou commettent des actes de barbarie.
n) Vgl. Motive zum Entwurf von 1850. §. 161. 162.
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In der Staatsraths-Kommiſſion war man jedoch der Anſicht, daß
die früher gegebene Definition den Begriff des Verbrechens hinreichend
bezeichne, und entſchloß ſich nur mit Rückſicht auf die an die Geſchwo-
renen zu ſtellenden Fragen zu der formellen Abänderung, daß ſtatt
„mit überlegtem Vorſatze“ geſagt werde „vorſätzlich und mit Ueberle-
gung.“ l) Dieſe Faſſung iſt in dem Geſetzbuche auch beibehalten worden.
I. Der Ausdruck „mit Ueberlegung“ iſt alſo nicht weſentlich ver-
ſchieden von dem entſprechenden „mit Vorbedacht,“ durch welchen das
Rheiniſche Recht das Weſen des Mordes bezeichnet; m) es wird bei
jener Bezeichnung nur nicht alles Gewicht auf die Zeit, welche zwiſchen
dem Entſchluß zur That und der That ſelbſt verfloſſen iſt, gelegt, ſon-
dern die beiden oben unterſchiedenen Fälle der Ueberlegung vor der
That und bei der That werden gleichmäßig unter dem Begriff des
Mordes befaßt. Daher beſteht auch kein Unterſchied zwiſchen dem That-
beſtand des Mordes nach dem Strafgeſetzbuch und nach den anderen
Deutſchen Geſetzgebungen; im Staatsrathe wurde dieß bei der Wahl
jenes Ausdrucks beſonders hervorgehoben, und nur die weitere Exem-
plifikation, welche ſpäter der Entwurf von 1845. doch vorſchlug, für
überflüſſig erachtet. n)
II. Die Strafe des Mordes iſt der Tod; bei dem Verwandten-
morde ſoll zugleich auf den Verluſt der bürgerlichen Ehre erkannt
werden. Zu den Verwandten werden aber hier nur die leiblichen Aſcen-
denten und der Ehegatte gerechnet, während der Begriff des parricidium
nach gemeinem Rechte ein weiterer iſt.
III. In den älteren Entwürfen waren mehrere beſondere Fälle, in
denen über die Anwendung der geſetzlichen Strafe Zweifel zu beſtehen
ſchienen, zum Gegenſtand eigener Vorſchriften gemacht worden. Die-
ſelben ſind aber in Folge weiterer Erwägung ſpäter aus dem Straf-
geſetzbuche weggelaſſen worden.
a. Der Entwurf von 1836. beſtimmte:
§. 427. „Wer eine Mißgeburt eigenmächtig tödtet, hat ſechswö-
chentliche bis ſechsmonatliche Gefängnißſtrafe verwirkt.“
l) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846.
S. 113. — Fernere Verhandlungen von 1847. S. 43.
m) Code pénal. Art. 296-98. Ergänzend kommt hierbei noch in Be-
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sinat, tous malfaiteurs, quelle que soit leur dénomination, qui pour l'exé-
cution de leurs crimes emploient des tortures ou commettent des actes
de barbarie.
n) Vgl. Motive zum Entwurf von 1850. §. 161. 162.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/357>, abgerufen am 16.02.2025.
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