Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. X. Vergeh., welche sich a. d. Rel. bezieh.
habe, und daß es nicht angemessen sei, das bestehende Recht in dieser Hinsicht zu ändern. Der Antrag wurde nicht angenommen. r)
II. In Beziehung auf die andern in §. 135. bezeichneten Vergehen kam es in der Kommission der zweiten Kammer namentlich zur Erwä- gung, ob sie nur gegen die mit Korporationsrechten im Staate beste- henden Religionsgesellschaften sollten verübt werden können, oder ob auch andere Religionsgesellschaften durch Strafbestimmungen davor zu schützen seien. Der Kommissionsbericht enthält darüber folgende Mit- theilung:
"Ein anderer Antrag nahm den Schutz des §. 121. (135.) auch für diejenigen im Staate bestehenden Religionsgesellschaften in Anspruch, welche keine Korporationsrechte erlangt haben. Er stützte sich im We- sentlichen darauf, daß die Verfassung die Bildung der Religionsgesell- schaften frei gebe, daß die Erlangung von Korporationsrechten, welche besonderen Schwierigkeiten unterliege, nur den Sinn habe, die Gesellschaft als civilrechtliche Person anzuerkennen, um ihr die Erwerbung von Vermögensrechten möglich zu machen. Die Bestrafung der den Reli- gionsgesellschaften zugefügten Beleidigungen stehe also mit der Verlei- hung von Korporationsrechten in gar keinem Zusammenhange; -- nachdem den Staatsbürgern freigegeben worden, je nach ihren religiösen Ueberzeugungen neue Religionsgesellschaften zu bilden, enthalte es eine Ungerechtigkeit, und widerstrebe dem Geiste der Verfassung, die religiösen Ueberzeugungen der verschiedenen Religionsgesellschaften nicht gleich sehr gegen Verspottung zu sichern."
"Von der andern Seite wurde hiergegen geltend gemacht: es stehe jeder Religionsgesellschaft frei, Korporationsrechte zu erlangen, und sie werde sie erlangen, wenn sie den Faktoren der Gesetzgebung die Ueber- zeugung verschaffe, daß ihre Bildung nicht bloß aus einer flüchtigen Anregung des Augenblicks hervorgegangen, sondern daß ein dauerndes religiöses Bedürfniß ihr zu Grunde liege. -- Es sei die Möglichkeit gegeben, daß sich jede politische Vereinigung in eine Religionsgesellschaft einkleide. Der Strafrichter müsse ein festes Kriterium haben, um zu beurtheilen, ob die beleidigte Gesellschaft eine Religionsgesellschaft sei, und dies liege nur dann vor, wenn die Religionsgesellschaft als solche von der Gesetzgebung anerkannt sei. So lange dies nicht der Fall sei, habe sie keinen Anspruch darauf, daß Beleidigungen, gegen sie verübt, strenger als Beleidigungen aller andern Gesellschaften bestraft würden. Auch sei die freie Bildung neuer Religionsgesellschaften hierdurch nicht
r)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §§. 121. 122. (135. 136.)
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. X. Vergeh., welche ſich a. d. Rel. bezieh.
habe, und daß es nicht angemeſſen ſei, das beſtehende Recht in dieſer Hinſicht zu ändern. Der Antrag wurde nicht angenommen. r)
II. In Beziehung auf die andern in §. 135. bezeichneten Vergehen kam es in der Kommiſſion der zweiten Kammer namentlich zur Erwä- gung, ob ſie nur gegen die mit Korporationsrechten im Staate beſte- henden Religionsgeſellſchaften ſollten verübt werden können, oder ob auch andere Religionsgeſellſchaften durch Strafbeſtimmungen davor zu ſchützen ſeien. Der Kommiſſionsbericht enthält darüber folgende Mit- theilung:
„Ein anderer Antrag nahm den Schutz des §. 121. (135.) auch für diejenigen im Staate beſtehenden Religionsgeſellſchaften in Anſpruch, welche keine Korporationsrechte erlangt haben. Er ſtützte ſich im We- ſentlichen darauf, daß die Verfaſſung die Bildung der Religionsgeſell- ſchaften frei gebe, daß die Erlangung von Korporationsrechten, welche beſonderen Schwierigkeiten unterliege, nur den Sinn habe, die Geſellſchaft als civilrechtliche Perſon anzuerkennen, um ihr die Erwerbung von Vermögensrechten möglich zu machen. Die Beſtrafung der den Reli- gionsgeſellſchaften zugefügten Beleidigungen ſtehe alſo mit der Verlei- hung von Korporationsrechten in gar keinem Zuſammenhange; — nachdem den Staatsbürgern freigegeben worden, je nach ihren religiöſen Ueberzeugungen neue Religionsgeſellſchaften zu bilden, enthalte es eine Ungerechtigkeit, und widerſtrebe dem Geiſte der Verfaſſung, die religiöſen Ueberzeugungen der verſchiedenen Religionsgeſellſchaften nicht gleich ſehr gegen Verſpottung zu ſichern.“
„Von der andern Seite wurde hiergegen geltend gemacht: es ſtehe jeder Religionsgeſellſchaft frei, Korporationsrechte zu erlangen, und ſie werde ſie erlangen, wenn ſie den Faktoren der Geſetzgebung die Ueber- zeugung verſchaffe, daß ihre Bildung nicht bloß aus einer flüchtigen Anregung des Augenblicks hervorgegangen, ſondern daß ein dauerndes religiöſes Bedürfniß ihr zu Grunde liege. — Es ſei die Möglichkeit gegeben, daß ſich jede politiſche Vereinigung in eine Religionsgeſellſchaft einkleide. Der Strafrichter müſſe ein feſtes Kriterium haben, um zu beurtheilen, ob die beleidigte Geſellſchaft eine Religionsgeſellſchaft ſei, und dies liege nur dann vor, wenn die Religionsgeſellſchaft als ſolche von der Geſetzgebung anerkannt ſei. So lange dies nicht der Fall ſei, habe ſie keinen Anſpruch darauf, daß Beleidigungen, gegen ſie verübt, ſtrenger als Beleidigungen aller andern Geſellſchaften beſtraft würden. Auch ſei die freie Bildung neuer Religionsgeſellſchaften hierdurch nicht
r)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §§. 121. 122. (135. 136.)
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. X. Vergeh., welche ſich a. d. Rel. bezieh.
habe, und daß es nicht angemeſſen ſei, das beſtehende Recht in dieſer
Hinſicht zu ändern. Der Antrag wurde nicht angenommen. r)
II. In Beziehung auf die andern in §. 135. bezeichneten Vergehen
kam es in der Kommiſſion der zweiten Kammer namentlich zur Erwä-
gung, ob ſie nur gegen die mit Korporationsrechten im Staate beſte-
henden Religionsgeſellſchaften ſollten verübt werden können, oder ob
auch andere Religionsgeſellſchaften durch Strafbeſtimmungen davor zu
ſchützen ſeien. Der Kommiſſionsbericht enthält darüber folgende Mit-
theilung:
„Ein anderer Antrag nahm den Schutz des §. 121. (135.) auch
für diejenigen im Staate beſtehenden Religionsgeſellſchaften in Anſpruch,
welche keine Korporationsrechte erlangt haben. Er ſtützte ſich im We-
ſentlichen darauf, daß die Verfaſſung die Bildung der Religionsgeſell-
ſchaften frei gebe, daß die Erlangung von Korporationsrechten, welche
beſonderen Schwierigkeiten unterliege, nur den Sinn habe, die Geſellſchaft
als civilrechtliche Perſon anzuerkennen, um ihr die Erwerbung von
Vermögensrechten möglich zu machen. Die Beſtrafung der den Reli-
gionsgeſellſchaften zugefügten Beleidigungen ſtehe alſo mit der Verlei-
hung von Korporationsrechten in gar keinem Zuſammenhange; —
nachdem den Staatsbürgern freigegeben worden, je nach ihren religiöſen
Ueberzeugungen neue Religionsgeſellſchaften zu bilden, enthalte es eine
Ungerechtigkeit, und widerſtrebe dem Geiſte der Verfaſſung, die religiöſen
Ueberzeugungen der verſchiedenen Religionsgeſellſchaften nicht gleich ſehr
gegen Verſpottung zu ſichern.“
„Von der andern Seite wurde hiergegen geltend gemacht: es ſtehe
jeder Religionsgeſellſchaft frei, Korporationsrechte zu erlangen, und ſie
werde ſie erlangen, wenn ſie den Faktoren der Geſetzgebung die Ueber-
zeugung verſchaffe, daß ihre Bildung nicht bloß aus einer flüchtigen
Anregung des Augenblicks hervorgegangen, ſondern daß ein dauerndes
religiöſes Bedürfniß ihr zu Grunde liege. — Es ſei die Möglichkeit
gegeben, daß ſich jede politiſche Vereinigung in eine Religionsgeſellſchaft
einkleide. Der Strafrichter müſſe ein feſtes Kriterium haben, um zu
beurtheilen, ob die beleidigte Geſellſchaft eine Religionsgeſellſchaft ſei,
und dies liege nur dann vor, wenn die Religionsgeſellſchaft als ſolche
von der Geſetzgebung anerkannt ſei. So lange dies nicht der Fall ſei,
habe ſie keinen Anſpruch darauf, daß Beleidigungen, gegen ſie verübt,
ſtrenger als Beleidigungen aller andern Geſellſchaften beſtraft würden.
Auch ſei die freie Bildung neuer Religionsgeſellſchaften hierdurch nicht
r) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §§. 121. 122.
(135. 136.)
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/310>, abgerufen am 24.11.2024.
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