S. 19. 20.) aufgestellt hat. Doch sind folgende Abweichungen zu be- merken.
I. Die angedrohte Strafe ist bedeutend heruntergesetzt worden, das Minimum von sechs Wochen auf Eine Woche, und das höchste Maaß von sechs Monaten Strafarbeit auf drei Monate Gefängniß.
II. Die einfache Bettelei ist zu den Uebertretungen gestellt worden (§. 341.); die Strafe des Vergehens tritt erst nach dem zweiten Rück- fall ein (§. 118. Nr. 2.).
III. In den §. 119. aufgeführten Fällen des liederlichen Lebens u. s. w. tritt sofort die Strafe der Landstreicherei ein, und nicht erst, wie nach dem angeführten Gesetz §. 6., im Rückfalle. -- Ebend. Nr. 3. hat die Kommission der zweiten Kammer eine nothwendige Fassungs- änderung vorgenommen, indem sie statt: "kein derartiges Unterkommen verschaffen" gesetzt hat: "verschafft hat ",-- was dem Sinn der Gesetzesvorschrift allein entspricht.
IV. Die Einsperrung in ein Arbeitshaus und beziehungsweise die Landesverweisung ist im Straferkenntniß ausdrücklich auszusprechen (§. 120.). Die Dauer der Einsperrung innerhalb des gesetzlichen Straf- maaßes hängt jedoch von dem Ermessen der Landespolizei-Behörde ab; das Gericht würde sich nicht leicht in dem Stande befinden, die hierbei in Betracht kommenden persönlichen Verhältnisse des Eingesperrten mit voller Sachkunde zu erwägen.
Anmerkung. Am Schlusse dieses Titels wurde in der Kommis- sion der zweiten Kammer die Frage angeregt, ob es nicht zweckmäßig sei, hier eine Strafbestimmung gegen unerlaubte Selbsthülfe, insbeson- dere wenn sie einem richterlichen Verbote zuwider geübt worden, aufzu- nehmen.
Das Allgemeine Landrecht enthält darüber folgende Vorschriften:
Th. II. Tit. 20. §. 157. "Wer mit Vorbeigehung der Obrigkeit sich selbst, ohne besondere Zulassung der Gesetze, Recht zu verschaffen sucht, soll, wenn es ohne Gewalt an Personen oder Sachen geschieht, mit Geldbuße oder bürgerlichem Arreste gestraft; sonst aber, nach Ver- hältniß der ausgeübten Gewalt, mit zwei- bis sechsmonatlicher Gefäng- niß-, Festungs- oder Zuchthausstrafe belegt werden."
§. 158. "Wer dergleichen Selbsthülfe der schon erfolgten obrig- keitlichen Entscheidung zuwider verübt, ist, wenn es ohne Gewalt ge- schieht, mit sechswöchentlicher bis sechsmonatlicher, bei gebrauchter Ge- walt hingegen, mit sechsmonatlicher bis zweijähriger Festungs- oder Zuchthausstrafe zu belegen."
§§. 117-120. Landſtreicherei, Bettelei u. ſ. w.
S. 19. 20.) aufgeſtellt hat. Doch ſind folgende Abweichungen zu be- merken.
I. Die angedrohte Strafe iſt bedeutend heruntergeſetzt worden, das Minimum von ſechs Wochen auf Eine Woche, und das höchſte Maaß von ſechs Monaten Strafarbeit auf drei Monate Gefängniß.
II. Die einfache Bettelei iſt zu den Uebertretungen geſtellt worden (§. 341.); die Strafe des Vergehens tritt erſt nach dem zweiten Rück- fall ein (§. 118. Nr. 2.).
III. In den §. 119. aufgeführten Fällen des liederlichen Lebens u. ſ. w. tritt ſofort die Strafe der Landſtreicherei ein, und nicht erſt, wie nach dem angeführten Geſetz §. 6., im Rückfalle. — Ebend. Nr. 3. hat die Kommiſſion der zweiten Kammer eine nothwendige Faſſungs- änderung vorgenommen, indem ſie ſtatt: „kein derartiges Unterkommen verſchaffen“ geſetzt hat: „verſchafft hat “,— was dem Sinn der Geſetzesvorſchrift allein entſpricht.
IV. Die Einſperrung in ein Arbeitshaus und beziehungsweiſe die Landesverweiſung iſt im Straferkenntniß ausdrücklich auszuſprechen (§. 120.). Die Dauer der Einſperrung innerhalb des geſetzlichen Straf- maaßes hängt jedoch von dem Ermeſſen der Landespolizei-Behörde ab; das Gericht würde ſich nicht leicht in dem Stande befinden, die hierbei in Betracht kommenden perſönlichen Verhältniſſe des Eingeſperrten mit voller Sachkunde zu erwägen.
Anmerkung. Am Schluſſe dieſes Titels wurde in der Kommiſ- ſion der zweiten Kammer die Frage angeregt, ob es nicht zweckmäßig ſei, hier eine Strafbeſtimmung gegen unerlaubte Selbſthülfe, insbeſon- dere wenn ſie einem richterlichen Verbote zuwider geübt worden, aufzu- nehmen.
Das Allgemeine Landrecht enthält darüber folgende Vorſchriften:
Th. II. Tit. 20. §. 157. „Wer mit Vorbeigehung der Obrigkeit ſich ſelbſt, ohne beſondere Zulaſſung der Geſetze, Recht zu verſchaffen ſucht, ſoll, wenn es ohne Gewalt an Perſonen oder Sachen geſchieht, mit Geldbuße oder bürgerlichem Arreſte geſtraft; ſonſt aber, nach Ver- hältniß der ausgeübten Gewalt, mit zwei- bis ſechsmonatlicher Gefäng- niß-, Feſtungs- oder Zuchthausſtrafe belegt werden.“
§. 158. „Wer dergleichen Selbſthülfe der ſchon erfolgten obrig- keitlichen Entſcheidung zuwider verübt, iſt, wenn es ohne Gewalt ge- ſchieht, mit ſechswöchentlicher bis ſechsmonatlicher, bei gebrauchter Ge- walt hingegen, mit ſechsmonatlicher bis zweijähriger Feſtungs- oder Zuchthausſtrafe zu belegen.“
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§§. 117-120. Landſtreicherei, Bettelei u. ſ. w.
S. 19. 20.) aufgeſtellt hat. Doch ſind folgende Abweichungen zu be-
merken.
I. Die angedrohte Strafe iſt bedeutend heruntergeſetzt worden, das
Minimum von ſechs Wochen auf Eine Woche, und das höchſte Maaß
von ſechs Monaten Strafarbeit auf drei Monate Gefängniß.
II. Die einfache Bettelei iſt zu den Uebertretungen geſtellt worden
(§. 341.); die Strafe des Vergehens tritt erſt nach dem zweiten Rück-
fall ein (§. 118. Nr. 2.).
III. In den §. 119. aufgeführten Fällen des liederlichen Lebens
u. ſ. w. tritt ſofort die Strafe der Landſtreicherei ein, und nicht erſt,
wie nach dem angeführten Geſetz §. 6., im Rückfalle. — Ebend. Nr. 3.
hat die Kommiſſion der zweiten Kammer eine nothwendige Faſſungs-
änderung vorgenommen, indem ſie ſtatt: „kein derartiges Unterkommen
verſchaffen“ geſetzt hat: „verſchafft hat “,— was dem Sinn der
Geſetzesvorſchrift allein entſpricht.
IV. Die Einſperrung in ein Arbeitshaus und beziehungsweiſe die
Landesverweiſung iſt im Straferkenntniß ausdrücklich auszuſprechen
(§. 120.). Die Dauer der Einſperrung innerhalb des geſetzlichen Straf-
maaßes hängt jedoch von dem Ermeſſen der Landespolizei-Behörde ab;
das Gericht würde ſich nicht leicht in dem Stande befinden, die hierbei
in Betracht kommenden perſönlichen Verhältniſſe des Eingeſperrten mit
voller Sachkunde zu erwägen.
Anmerkung. Am Schluſſe dieſes Titels wurde in der Kommiſ-
ſion der zweiten Kammer die Frage angeregt, ob es nicht zweckmäßig
ſei, hier eine Strafbeſtimmung gegen unerlaubte Selbſthülfe, insbeſon-
dere wenn ſie einem richterlichen Verbote zuwider geübt worden, aufzu-
nehmen.
Das Allgemeine Landrecht enthält darüber folgende Vorſchriften:
Th. II. Tit. 20. §. 157. „Wer mit Vorbeigehung der Obrigkeit
ſich ſelbſt, ohne beſondere Zulaſſung der Geſetze, Recht zu verſchaffen
ſucht, ſoll, wenn es ohne Gewalt an Perſonen oder Sachen geſchieht,
mit Geldbuße oder bürgerlichem Arreſte geſtraft; ſonſt aber, nach Ver-
hältniß der ausgeübten Gewalt, mit zwei- bis ſechsmonatlicher Gefäng-
niß-, Feſtungs- oder Zuchthausſtrafe belegt werden.“
§. 158. „Wer dergleichen Selbſthülfe der ſchon erfolgten obrig-
keitlichen Entſcheidung zuwider verübt, iſt, wenn es ohne Gewalt ge-
ſchieht, mit ſechswöchentlicher bis ſechsmonatlicher, bei gebrauchter Ge-
walt hingegen, mit ſechsmonatlicher bis zweijähriger Feſtungs- oder
Zuchthausſtrafe zu belegen.“
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/289>, abgerufen am 24.11.2024.
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