Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

§§. 72. 73. Gemeinsame Bestimmungen.
daher auch Beschlagnahme des Vermögens und die in Folge derselben
eintretende Verwaltung ihnen fern bleiben. Wo beide nothwendig wa-
ren, hat sie bisher die Regierung in den gesetzlichen Formen ausgeführt,
resp. beantragt, wo Letzteres nach den Gesetzen erforderlich ist
(cf. Verf.
des Justizministers vom 15. September 1826. und 16. Oktober 1827.
Lottner III. S. 65. 66. und 153.)."

Es wurde in diesem Sinn die Aufnahme einer Bestimmung in
das Einführungsgesetz für die Rheinprovinz vorgeschlagen, welche jedoch
die Staatsraths-Kommission für entbehrlich erachtete, da es sich von
selbst ergebe, daß die Anordnungen, wie sie für die vorläufige Beschlag-
nahme des Vermögens mit Rücksicht auf die Organisation der Rheini-
schen Gerichte gegenwärtig beständen, auch in der Folge fortdauerten,
wenn sie nicht ausdrücklich aufgehoben würden. l)

c. Die Beschlagnahme des Vermögens ist keine Strafe, sondern
nur eine vorläufige Sicherungsmaaßregel wie die Verhaftung. Sie hört
daher auf, wenn ein rechtskräftiges Erkenntniß über den Angeschuldigten
ergangen ist, und nur wenn derselbe in die Zuchthausstrafe verur-
theilt worden, treten die Bestimmungen des §. 11. Abs. 2. in Wirk-
samkeit. m)

III. Der wegen Hochverraths oder Landesverraths zum Tode
oder zu lebenslänglichem Zuchthaus rechtskräftig Verurtheilte verliert die
Fähigkeit, über sein Vermögen unter Lebenden und von Todeswegen zu
verfügen.

In dem Entwurf von 1850. §. 63. war diese Beschränkung der
Dispositionsfähigkeit des Verurtheilten auf dieselben Fälle ausgedehnt,
in denen eine vorläufige Beschlagnahme des Vermögens bei Eröffnung
der Untersuchung stattfinden soll. Außerdem war daselbst noch folgender
Satz hinzugefügt:

"Zugleich werden durch ein solches Urtheil alle früher von ihm
errichteten letztwilligen Verordnungen, so wie die unter Lebenden
nach Eröffnung der Untersuchung von ihm getroffenen Verfü-
gungen ungültig."

Dieser Zusatz wurde jedoch in der Kommission der zweiten Kammer
gestrichen, indem man namentlich erwog, daß darin unter Umständen,
z. B. bei wechselseitigen Testamenten der Ehegatten, ein ungerechtfer-
tigter Eingriff in die erworbenen Eingriffe Dritter liegen könne. Aber
auch der erste Satz wurde von verschiedenen Seiten angefochten, indem
man ihn als einen Ueberrest der c. 5. C. ad. Leg. Jul. Maj. bezeich-

l) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von
1847. S. 40. -- Vierte Beilage S. 5. 29.
m) Vgl. Revision von 1845. II. S. 12.

§§. 72. 73. Gemeinſame Beſtimmungen.
daher auch Beſchlagnahme des Vermögens und die in Folge derſelben
eintretende Verwaltung ihnen fern bleiben. Wo beide nothwendig wa-
ren, hat ſie bisher die Regierung in den geſetzlichen Formen ausgeführt,
resp. beantragt, wo Letzteres nach den Geſetzen erforderlich iſt
(cf. Verf.
des Juſtizminiſters vom 15. September 1826. und 16. Oktober 1827.
Lottner III. S. 65. 66. und 153.).“

Es wurde in dieſem Sinn die Aufnahme einer Beſtimmung in
das Einführungsgeſetz für die Rheinprovinz vorgeſchlagen, welche jedoch
die Staatsraths-Kommiſſion für entbehrlich erachtete, da es ſich von
ſelbſt ergebe, daß die Anordnungen, wie ſie für die vorläufige Beſchlag-
nahme des Vermögens mit Rückſicht auf die Organiſation der Rheini-
ſchen Gerichte gegenwärtig beſtänden, auch in der Folge fortdauerten,
wenn ſie nicht ausdrücklich aufgehoben würden. l)

c. Die Beſchlagnahme des Vermögens iſt keine Strafe, ſondern
nur eine vorläufige Sicherungsmaaßregel wie die Verhaftung. Sie hört
daher auf, wenn ein rechtskräftiges Erkenntniß über den Angeſchuldigten
ergangen iſt, und nur wenn derſelbe in die Zuchthausſtrafe verur-
theilt worden, treten die Beſtimmungen des §. 11. Abſ. 2. in Wirk-
ſamkeit. m)

III. Der wegen Hochverraths oder Landesverraths zum Tode
oder zu lebenslänglichem Zuchthaus rechtskräftig Verurtheilte verliert die
Fähigkeit, über ſein Vermögen unter Lebenden und von Todeswegen zu
verfügen.

In dem Entwurf von 1850. §. 63. war dieſe Beſchränkung der
Dispoſitionsfähigkeit des Verurtheilten auf dieſelben Fälle ausgedehnt,
in denen eine vorläufige Beſchlagnahme des Vermögens bei Eröffnung
der Unterſuchung ſtattfinden ſoll. Außerdem war daſelbſt noch folgender
Satz hinzugefügt:

„Zugleich werden durch ein ſolches Urtheil alle früher von ihm
errichteten letztwilligen Verordnungen, ſo wie die unter Lebenden
nach Eröffnung der Unterſuchung von ihm getroffenen Verfü-
gungen ungültig.“

Dieſer Zuſatz wurde jedoch in der Kommiſſion der zweiten Kammer
geſtrichen, indem man namentlich erwog, daß darin unter Umſtänden,
z. B. bei wechſelſeitigen Teſtamenten der Ehegatten, ein ungerechtfer-
tigter Eingriff in die erworbenen Eingriffe Dritter liegen könne. Aber
auch der erſte Satz wurde von verſchiedenen Seiten angefochten, indem
man ihn als einen Ueberreſt der c. 5. C. ad. Leg. Jul. Maj. bezeich-

l) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von
1847. S. 40. — Vierte Beilage S. 5. 29.
m) Vgl. Reviſion von 1845. II. S. 12.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0251" n="241"/><fw place="top" type="header">§§. 72. 73. Gemein&#x017F;ame          Be&#x017F;timmungen.</fw><lb/>
daher auch Be&#x017F;chlagnahme des Vermögens und die         in Folge der&#x017F;elben<lb/>
eintretende Verwaltung ihnen fern bleiben. Wo beide         nothwendig wa-<lb/>
ren, hat &#x017F;ie bisher die Regierung in den         ge&#x017F;etzlichen Formen ausgeführt,<lb/><hi rendition="#aq">resp.</hi> beantragt, wo         Letzteres nach den Ge&#x017F;etzen erforderlich i&#x017F;t<lb/>
(<hi rendition="#aq">cf.</hi> Verf.<lb/>
des Ju&#x017F;tizmini&#x017F;ters vom 15. September 1826. und         16. Oktober 1827.<lb/><hi rendition="#g">Lottner</hi> III. S. 65. 66. und         153.).&#x201C;</p><lb/>
              <p>Es wurde in die&#x017F;em Sinn die Aufnahme einer Be&#x017F;timmung in<lb/>
das         Einführungsge&#x017F;etz für die Rheinprovinz vorge&#x017F;chlagen, welche         jedoch<lb/>
die Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion für entbehrlich erachtete, da es         &#x017F;ich von<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ergebe, daß die Anordnungen, wie         &#x017F;ie für die vorläufige Be&#x017F;chlag-<lb/>
nahme des Vermögens mit         Rück&#x017F;icht auf die Organi&#x017F;ation der Rheini-<lb/>
&#x017F;chen         Gerichte gegenwärtig be&#x017F;tänden, auch in der Folge fortdauerten,<lb/>
wenn         &#x017F;ie nicht ausdrücklich aufgehoben würden. <note place="foot" n="l)"><hi rendition="#g">Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion           von</hi><lb/>
1847. S. 40. &#x2014; <hi rendition="#g">Vierte Beilage</hi> S. 5.          29.</note>        </p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">c.</hi> Die Be&#x017F;chlagnahme des Vermögens i&#x017F;t         keine Strafe, &#x017F;ondern<lb/>
nur eine vorläufige Sicherungsmaaßregel wie die         Verhaftung. Sie hört<lb/>
daher auf, wenn ein rechtskräftiges Erkenntniß über den         Ange&#x017F;chuldigten<lb/>
ergangen i&#x017F;t, und nur wenn der&#x017F;elbe in         die Zuchthaus&#x017F;trafe verur-<lb/>
theilt worden, treten die Be&#x017F;timmungen         des §. 11. Ab&#x017F;. 2. in Wirk-<lb/>
&#x017F;amkeit. <note place="foot" n="m)">Vgl. <hi rendition="#g">Revi&#x017F;ion von</hi> 1845. II. S. 12.</note>        </p><lb/>
              <p>III. Der wegen Hochverraths oder Landesverraths zum Tode<lb/>
oder zu lebenslänglichem         Zuchthaus rechtskräftig Verurtheilte verliert die<lb/>
Fähigkeit, über &#x017F;ein         Vermögen unter Lebenden und von Todeswegen zu<lb/>
verfügen.</p><lb/>
              <p>In dem Entwurf von 1850. §. 63. war die&#x017F;e Be&#x017F;chränkung         der<lb/>
Dispo&#x017F;itionsfähigkeit des Verurtheilten auf die&#x017F;elben Fälle         ausgedehnt,<lb/>
in denen eine vorläufige Be&#x017F;chlagnahme des Vermögens bei         Eröffnung<lb/>
der Unter&#x017F;uchung &#x017F;tattfinden &#x017F;oll. Außerdem         war da&#x017F;elb&#x017F;t noch folgender<lb/>
Satz hinzugefügt:</p><lb/>
              <p> <hi rendition="#et">&#x201E;Zugleich werden durch ein &#x017F;olches Urtheil alle          früher von ihm<lb/>
errichteten letztwilligen Verordnungen, &#x017F;o wie die unter          Lebenden<lb/>
nach Eröffnung der Unter&#x017F;uchung von ihm getroffenen          Verfü-<lb/>
gungen ungültig.&#x201C;</hi> </p><lb/>
              <p>Die&#x017F;er Zu&#x017F;atz wurde jedoch in der Kommi&#x017F;&#x017F;ion         der zweiten Kammer<lb/>
ge&#x017F;trichen, indem man namentlich erwog, daß darin unter         Um&#x017F;tänden,<lb/>
z. B. bei wech&#x017F;el&#x017F;eitigen         Te&#x017F;tamenten der Ehegatten, ein ungerechtfer-<lb/>
tigter Eingriff in die         erworbenen Eingriffe Dritter liegen könne. Aber<lb/>
auch der er&#x017F;te Satz wurde von         ver&#x017F;chiedenen Seiten angefochten, indem<lb/>
man ihn als einen         Ueberre&#x017F;t der <hi rendition="#aq">c. 5. C. ad. Leg. Jul. Maj.</hi> bezeich-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0251] §§. 72. 73. Gemeinſame Beſtimmungen. daher auch Beſchlagnahme des Vermögens und die in Folge derſelben eintretende Verwaltung ihnen fern bleiben. Wo beide nothwendig wa- ren, hat ſie bisher die Regierung in den geſetzlichen Formen ausgeführt, resp. beantragt, wo Letzteres nach den Geſetzen erforderlich iſt (cf. Verf. des Juſtizminiſters vom 15. September 1826. und 16. Oktober 1827. Lottner III. S. 65. 66. und 153.).“ Es wurde in dieſem Sinn die Aufnahme einer Beſtimmung in das Einführungsgeſetz für die Rheinprovinz vorgeſchlagen, welche jedoch die Staatsraths-Kommiſſion für entbehrlich erachtete, da es ſich von ſelbſt ergebe, daß die Anordnungen, wie ſie für die vorläufige Beſchlag- nahme des Vermögens mit Rückſicht auf die Organiſation der Rheini- ſchen Gerichte gegenwärtig beſtänden, auch in der Folge fortdauerten, wenn ſie nicht ausdrücklich aufgehoben würden. l) c. Die Beſchlagnahme des Vermögens iſt keine Strafe, ſondern nur eine vorläufige Sicherungsmaaßregel wie die Verhaftung. Sie hört daher auf, wenn ein rechtskräftiges Erkenntniß über den Angeſchuldigten ergangen iſt, und nur wenn derſelbe in die Zuchthausſtrafe verur- theilt worden, treten die Beſtimmungen des §. 11. Abſ. 2. in Wirk- ſamkeit. m) III. Der wegen Hochverraths oder Landesverraths zum Tode oder zu lebenslänglichem Zuchthaus rechtskräftig Verurtheilte verliert die Fähigkeit, über ſein Vermögen unter Lebenden und von Todeswegen zu verfügen. In dem Entwurf von 1850. §. 63. war dieſe Beſchränkung der Dispoſitionsfähigkeit des Verurtheilten auf dieſelben Fälle ausgedehnt, in denen eine vorläufige Beſchlagnahme des Vermögens bei Eröffnung der Unterſuchung ſtattfinden ſoll. Außerdem war daſelbſt noch folgender Satz hinzugefügt: „Zugleich werden durch ein ſolches Urtheil alle früher von ihm errichteten letztwilligen Verordnungen, ſo wie die unter Lebenden nach Eröffnung der Unterſuchung von ihm getroffenen Verfü- gungen ungültig.“ Dieſer Zuſatz wurde jedoch in der Kommiſſion der zweiten Kammer geſtrichen, indem man namentlich erwog, daß darin unter Umſtänden, z. B. bei wechſelſeitigen Teſtamenten der Ehegatten, ein ungerechtfer- tigter Eingriff in die erworbenen Eingriffe Dritter liegen könne. Aber auch der erſte Satz wurde von verſchiedenen Seiten angefochten, indem man ihn als einen Ueberreſt der c. 5. C. ad. Leg. Jul. Maj. bezeich- l) Fernere Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1847. S. 40. — Vierte Beilage S. 5. 29. m) Vgl. Reviſion von 1845. II. S. 12.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/251
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/251>, abgerufen am 22.11.2024.