das Requisit der Gewaltsamkeit, soweit letztere überhaupt nothwendig, sei, statt durch die allgemeine Bezeichnung der Handlung, vielmehr da- durch auszudrücken, daß es bei den in den Nr. 1. 2. und 3. des Al. 1. im §. 61. angegebenen Richtungen der Handlung mit aufgenommen werde. Demgemäß wurde von der Kommission dieser Antrag abge- lehnt." h)
Diese hier angedeutete Wiederholung der Bezeichnung des hochver- rätherischen Unternehmens als eines gewaltsamen in den unter Nr. 1. und 3. des §. 61. aufgeführten Fällen wurde später aber nicht für nothwendig gehalten, weil die Fälle unter Nr. 1. wie die unter Nr. 3. der Natur der Sache nach eine andere Art der Verübung als durch Gewalt nicht wohl denken lassen. i)
Ganz anders freilich würde es sich verhalten, wenn die Fassung beibehalten worden wäre, welche sich in dem Entwurf von 1836. §. 144. findet; hier ist nämlich unter Nr. 2. statt des Ausdrucks "ge- waltsam" die viel weitere Bezeichnung "eigenmächtig" gebraucht worden. Diese Aenderung wurde jedoch schon in der Staatsraths-Kommission zurückgewiesen, indem dabei die folgenden Motive maaßgebend waren. k)
"Was den objektiven Thatbestand des Hochverraths und die Art der Handlung, durch welche derselbe verübt wird, betrifft, so wurde be- merkt, daß das Beiwort "eigenmächtig", welches der Entwurf in Nr. 2. des §. 144. statt des im Landrecht und in allen andern Gesetzgebungen gebrauchten Ausdrucks "gewaltsam" gewählt habe, das hier vorliegende Verbrechen nicht gehörig bezeichne, indem es nur die Widerrechtlichkeit des Zwecks oder den dolus des Thäters ausdrücke, während das Wort "gewaltsam" außerdem noch andeute, daß die Veränderung keine ruhig und im organischen Wege vorgenommene, sondern eine durch physische oder moralische Gewalt erzwungene, das Bestehende plötzlich umstür- zende gewesen sein müsse. Nothwendig sei es, das Wort "gewaltsam" beizubehalten, weil auch in dem Sinne des §. 92. (Th. II. Tit. 20.) des Allg. Landrechts Hochverrath nur da anzunehmen sei, wo das Un- ternehmen des Thäters auf eine, wenigstens im letzten Augenblick der Entscheidung durch Gewalt zu bewirkende Umwälzung der Staatsver- fassung abzwecke, nicht aber auch da, wo diese Umgestaltung durch bloß geistige oder moralische Mittel bewirkt werden solle."
h)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §§. 52. 53. (61. 62.). Vgl. auch Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II. S. 4-6. 154. 155.
i)Kommissionsbericht a. a. O. -- Rede des Abgeord. Bürgers in der Sitzung der zweiten Kammer vom 27. März 1851.
k)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II. S. 3. 4.
§§. 61. 62. Der vollendete Hochverrath.
das Requiſit der Gewaltſamkeit, ſoweit letztere überhaupt nothwendig, ſei, ſtatt durch die allgemeine Bezeichnung der Handlung, vielmehr da- durch auszudrücken, daß es bei den in den Nr. 1. 2. und 3. des Al. 1. im §. 61. angegebenen Richtungen der Handlung mit aufgenommen werde. Demgemäß wurde von der Kommiſſion dieſer Antrag abge- lehnt.“ h)
Dieſe hier angedeutete Wiederholung der Bezeichnung des hochver- rätheriſchen Unternehmens als eines gewaltſamen in den unter Nr. 1. und 3. des §. 61. aufgeführten Fällen wurde ſpäter aber nicht für nothwendig gehalten, weil die Fälle unter Nr. 1. wie die unter Nr. 3. der Natur der Sache nach eine andere Art der Verübung als durch Gewalt nicht wohl denken laſſen. i)
Ganz anders freilich würde es ſich verhalten, wenn die Faſſung beibehalten worden wäre, welche ſich in dem Entwurf von 1836. §. 144. findet; hier iſt nämlich unter Nr. 2. ſtatt des Ausdrucks „ge- waltſam“ die viel weitere Bezeichnung „eigenmächtig“ gebraucht worden. Dieſe Aenderung wurde jedoch ſchon in der Staatsraths-Kommiſſion zurückgewieſen, indem dabei die folgenden Motive maaßgebend waren. k)
„Was den objektiven Thatbeſtand des Hochverraths und die Art der Handlung, durch welche derſelbe verübt wird, betrifft, ſo wurde be- merkt, daß das Beiwort „eigenmächtig“, welches der Entwurf in Nr. 2. des §. 144. ſtatt des im Landrecht und in allen andern Geſetzgebungen gebrauchten Ausdrucks „gewaltſam“ gewählt habe, das hier vorliegende Verbrechen nicht gehörig bezeichne, indem es nur die Widerrechtlichkeit des Zwecks oder den dolus des Thäters ausdrücke, während das Wort „gewaltſam“ außerdem noch andeute, daß die Veränderung keine ruhig und im organiſchen Wege vorgenommene, ſondern eine durch phyſiſche oder moraliſche Gewalt erzwungene, das Beſtehende plötzlich umſtür- zende geweſen ſein müſſe. Nothwendig ſei es, das Wort „gewaltſam“ beizubehalten, weil auch in dem Sinne des §. 92. (Th. II. Tit. 20.) des Allg. Landrechts Hochverrath nur da anzunehmen ſei, wo das Un- ternehmen des Thäters auf eine, wenigſtens im letzten Augenblick der Entſcheidung durch Gewalt zu bewirkende Umwälzung der Staatsver- faſſung abzwecke, nicht aber auch da, wo dieſe Umgeſtaltung durch bloß geiſtige oder moraliſche Mittel bewirkt werden ſolle.“
h)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §§. 52. 53. (61. 62.). Vgl. auch Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 4-6. 154. 155.
i)Kommiſſionsbericht a. a. O. — Rede des Abgeord. Bürgers in der Sitzung der zweiten Kammer vom 27. März 1851.
k)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 3. 4.
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das Requiſit der Gewaltſamkeit, ſoweit letztere überhaupt nothwendig,
ſei, ſtatt durch die allgemeine Bezeichnung der Handlung, vielmehr da-
durch auszudrücken, daß es bei den in den Nr. 1. 2. und 3. des Al. 1.
im §. 61. angegebenen Richtungen der Handlung mit aufgenommen
werde. Demgemäß wurde von der Kommiſſion dieſer Antrag abge-
lehnt.“ h)
Dieſe hier angedeutete Wiederholung der Bezeichnung des hochver-
rätheriſchen Unternehmens als eines gewaltſamen in den unter Nr. 1.
und 3. des §. 61. aufgeführten Fällen wurde ſpäter aber nicht für
nothwendig gehalten, weil die Fälle unter Nr. 1. wie die unter Nr. 3.
der Natur der Sache nach eine andere Art der Verübung als durch
Gewalt nicht wohl denken laſſen. i)
Ganz anders freilich würde es ſich verhalten, wenn die Faſſung
beibehalten worden wäre, welche ſich in dem Entwurf von 1836.
§. 144. findet; hier iſt nämlich unter Nr. 2. ſtatt des Ausdrucks „ge-
waltſam“ die viel weitere Bezeichnung „eigenmächtig“ gebraucht worden.
Dieſe Aenderung wurde jedoch ſchon in der Staatsraths-Kommiſſion
zurückgewieſen, indem dabei die folgenden Motive maaßgebend waren. k)
„Was den objektiven Thatbeſtand des Hochverraths und die Art
der Handlung, durch welche derſelbe verübt wird, betrifft, ſo wurde be-
merkt, daß das Beiwort „eigenmächtig“, welches der Entwurf in Nr. 2.
des §. 144. ſtatt des im Landrecht und in allen andern Geſetzgebungen
gebrauchten Ausdrucks „gewaltſam“ gewählt habe, das hier vorliegende
Verbrechen nicht gehörig bezeichne, indem es nur die Widerrechtlichkeit
des Zwecks oder den dolus des Thäters ausdrücke, während das Wort
„gewaltſam“ außerdem noch andeute, daß die Veränderung keine ruhig
und im organiſchen Wege vorgenommene, ſondern eine durch phyſiſche
oder moraliſche Gewalt erzwungene, das Beſtehende plötzlich umſtür-
zende geweſen ſein müſſe. Nothwendig ſei es, das Wort „gewaltſam“
beizubehalten, weil auch in dem Sinne des §. 92. (Th. II. Tit. 20.)
des Allg. Landrechts Hochverrath nur da anzunehmen ſei, wo das Un-
ternehmen des Thäters auf eine, wenigſtens im letzten Augenblick der
Entſcheidung durch Gewalt zu bewirkende Umwälzung der Staatsver-
faſſung abzwecke, nicht aber auch da, wo dieſe Umgeſtaltung durch bloß
geiſtige oder moraliſche Mittel bewirkt werden ſolle.“
h) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §§. 52. 53. (61.
62.). Vgl. auch Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion.
II. S. 4-6. 154. 155.
i) Kommiſſionsbericht a. a. O. — Rede des Abgeord. Bürgers in der
Sitzung der zweiten Kammer vom 27. März 1851.
k) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II.
S. 3. 4.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/231>, abgerufen am 17.07.2024.
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