Th. I. Bestrafung etc. Tit. V. Zusammentreffen d. Verbrechen. Rückfall.
brechen hinzuweisen, ohne eine Begriffsbestimmung hinzuzufügen (Entw. von 1843. §. 118.); und endlich wurde mit Rücksicht auf die Unbe- stimmtheit dieser doktrinellen Kategorie jede Bezugnahme auf dieselbe im Gesetzbuch aufgegeben. q)
II. Jemand hat durch verschiedene selbständige Handlungen meh- rere Verbrechen oder Vergehen begangen (s. g. reale oder materiale Kon- kurrenz, concursus delictorum successivus). In diesem Fall ist auf sämmtliche, dadurch begründete Strafen zu erkennen (§. 56.), und also der Grundsatz des Rheinischen Rechts, daß nur die schwerste Strafe zur Anwendung gebracht werden soll, zurückgewiesen. Der Entwurf von 1850. hatte denselben zwar angenommen; die Kommission der zweiten Kammer kehrte aber zu der Vorschrift zurück, welchen die früheren Ent- würfe in Uebereinstimmung mit sämmtlichen neueren Deutschen Straf- gesetzbüchern aufgestellt hatten. Man verkannte nicht die Schwierigkei- ten, welche für das Verfahren, namentlich vor den Schwurgerichtshöfen, damit verbunden sind; aber theils glaubte man denselben ein als gerecht erkanntes Princip nicht opfern zu dürfen; theils vermißte man in der Aufstellung des entgegenstehenden Grundsatzes die Konsequenz, da der- selbe nicht zur Anwendung kommen soll, wenn nach der Fällung des Strafurtheils über die Eine strafbare Handlung eine andere derselben Person bekannt wird; theils glaubte man endlich die formellen Schwie- rigkeiten durch angemessene prozessualische Bestimmungen, wenn auch nicht ganz beseitigen, doch vermindern zu können. r) Zu diesem Behuf wurde vorläufig schon in das Einführungsgesetz eine entsprechende Vor- schrift aufgenommen. s)
III. Die Strafen der verschiedenen Verbrechen und Vergehen kön- nen natürlich nur dann neben einander zur Anwendung kommen, wenn sie mit einander vereinbar (compatibel) sind. Ist dieß nicht der Fall, so bedarf es einer Strafverwandlung, und über diese hat das Gesetzbuch §. 57. in Beziehung auf die Freiheitsstrafe einige Bestimmungen gege- ben. Die allgemeinen Regeln über die Strafverwandlung (§. 16. 17.) behalten dabei ihre Geltung, und ergänzen jene Bestimmungen. Die Todesstrafe schließt natürlich jede Freiheitsstrafe aus; Geldbußen aber bleiben neben ihr bestehen, was unter Umständen allerdings kleinlich er- scheinen kann. Indessen wird doch auch in dieser Beziehung die oben erwähnte Vorschrift des Einführungsgesetzes in der Regel sich wirksam erweisen.
q)Revision von 1845. I. S. 234. 335.
r)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 48. (56.)
s)Einführungsgesetz vom 14. April 1851. Art. XXIII.
Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. V. Zuſammentreffen d. Verbrechen. Rückfall.
brechen hinzuweiſen, ohne eine Begriffsbeſtimmung hinzuzufügen (Entw. von 1843. §. 118.); und endlich wurde mit Rückſicht auf die Unbe- ſtimmtheit dieſer doktrinellen Kategorie jede Bezugnahme auf dieſelbe im Geſetzbuch aufgegeben. q)
II. Jemand hat durch verſchiedene ſelbſtändige Handlungen meh- rere Verbrechen oder Vergehen begangen (ſ. g. reale oder materiale Kon- kurrenz, concursus delictorum successivus). In dieſem Fall iſt auf ſämmtliche, dadurch begründete Strafen zu erkennen (§. 56.), und alſo der Grundſatz des Rheiniſchen Rechts, daß nur die ſchwerſte Strafe zur Anwendung gebracht werden ſoll, zurückgewieſen. Der Entwurf von 1850. hatte denſelben zwar angenommen; die Kommiſſion der zweiten Kammer kehrte aber zu der Vorſchrift zurück, welchen die früheren Ent- würfe in Uebereinſtimmung mit ſämmtlichen neueren Deutſchen Straf- geſetzbüchern aufgeſtellt hatten. Man verkannte nicht die Schwierigkei- ten, welche für das Verfahren, namentlich vor den Schwurgerichtshöfen, damit verbunden ſind; aber theils glaubte man denſelben ein als gerecht erkanntes Princip nicht opfern zu dürfen; theils vermißte man in der Aufſtellung des entgegenſtehenden Grundſatzes die Konſequenz, da der- ſelbe nicht zur Anwendung kommen ſoll, wenn nach der Fällung des Strafurtheils über die Eine ſtrafbare Handlung eine andere derſelben Perſon bekannt wird; theils glaubte man endlich die formellen Schwie- rigkeiten durch angemeſſene prozeſſualiſche Beſtimmungen, wenn auch nicht ganz beſeitigen, doch vermindern zu können. r) Zu dieſem Behuf wurde vorläufig ſchon in das Einführungsgeſetz eine entſprechende Vor- ſchrift aufgenommen. s)
III. Die Strafen der verſchiedenen Verbrechen und Vergehen kön- nen natürlich nur dann neben einander zur Anwendung kommen, wenn ſie mit einander vereinbar (compatibel) ſind. Iſt dieß nicht der Fall, ſo bedarf es einer Strafverwandlung, und über dieſe hat das Geſetzbuch §. 57. in Beziehung auf die Freiheitsſtrafe einige Beſtimmungen gege- ben. Die allgemeinen Regeln über die Strafverwandlung (§. 16. 17.) behalten dabei ihre Geltung, und ergänzen jene Beſtimmungen. Die Todesſtrafe ſchließt natürlich jede Freiheitsſtrafe aus; Geldbußen aber bleiben neben ihr beſtehen, was unter Umſtänden allerdings kleinlich er- ſcheinen kann. Indeſſen wird doch auch in dieſer Beziehung die oben erwähnte Vorſchrift des Einführungsgeſetzes in der Regel ſich wirkſam erweiſen.
q)Reviſion von 1845. I. S. 234. 335.
r)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 48. (56.)
s)Einführungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XXIII.
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von 1843. §. 118.); und endlich wurde mit Rückſicht auf die Unbe-
ſtimmtheit dieſer doktrinellen Kategorie jede Bezugnahme auf dieſelbe im
Geſetzbuch aufgegeben. q)
II. Jemand hat durch verſchiedene ſelbſtändige Handlungen meh-
rere Verbrechen oder Vergehen begangen (ſ. g. reale oder materiale Kon-
kurrenz, concursus delictorum successivus). In dieſem Fall iſt auf
ſämmtliche, dadurch begründete Strafen zu erkennen (§. 56.), und alſo
der Grundſatz des Rheiniſchen Rechts, daß nur die ſchwerſte Strafe zur
Anwendung gebracht werden ſoll, zurückgewieſen. Der Entwurf von
1850. hatte denſelben zwar angenommen; die Kommiſſion der zweiten
Kammer kehrte aber zu der Vorſchrift zurück, welchen die früheren Ent-
würfe in Uebereinſtimmung mit ſämmtlichen neueren Deutſchen Straf-
geſetzbüchern aufgeſtellt hatten. Man verkannte nicht die Schwierigkei-
ten, welche für das Verfahren, namentlich vor den Schwurgerichtshöfen,
damit verbunden ſind; aber theils glaubte man denſelben ein als gerecht
erkanntes Princip nicht opfern zu dürfen; theils vermißte man in der
Aufſtellung des entgegenſtehenden Grundſatzes die Konſequenz, da der-
ſelbe nicht zur Anwendung kommen ſoll, wenn nach der Fällung des
Strafurtheils über die Eine ſtrafbare Handlung eine andere derſelben
Perſon bekannt wird; theils glaubte man endlich die formellen Schwie-
rigkeiten durch angemeſſene prozeſſualiſche Beſtimmungen, wenn auch
nicht ganz beſeitigen, doch vermindern zu können. r) Zu dieſem Behuf
wurde vorläufig ſchon in das Einführungsgeſetz eine entſprechende Vor-
ſchrift aufgenommen. s)
III. Die Strafen der verſchiedenen Verbrechen und Vergehen kön-
nen natürlich nur dann neben einander zur Anwendung kommen, wenn
ſie mit einander vereinbar (compatibel) ſind. Iſt dieß nicht der Fall,
ſo bedarf es einer Strafverwandlung, und über dieſe hat das Geſetzbuch
§. 57. in Beziehung auf die Freiheitsſtrafe einige Beſtimmungen gege-
ben. Die allgemeinen Regeln über die Strafverwandlung (§. 16. 17.)
behalten dabei ihre Geltung, und ergänzen jene Beſtimmungen. Die
Todesſtrafe ſchließt natürlich jede Freiheitsſtrafe aus; Geldbußen aber
bleiben neben ihr beſtehen, was unter Umſtänden allerdings kleinlich er-
ſcheinen kann. Indeſſen wird doch auch in dieſer Beziehung die oben
erwähnte Vorſchrift des Einführungsgeſetzes in der Regel ſich wirkſam
erweiſen.
q) Reviſion von 1845. I. S. 234. 335.
r) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 48. (56.)
s) Einführungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XXIII.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/220>, abgerufen am 24.11.2024.
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