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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung etc. Tit. IV. Ausschließung oder Milderung d. Strafe.
mit einer Heruntersetzung des ersten Termins etwa auf das vollendete
zehnte Lebensjahr ziemlich sicher vermeiden ließe. Auch das wäre zu
wünschen gewesen, daß man den Endtermin des jugendlichen Alters bis
zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre hinausgerückt hätte. Der Grund
wenigstens, der in den Motiven dagegen angeführt wird, daß die Mi-
litairdienstpflicht schon mit dem zurückgelegten siebzehnten Lebensjahre
beginnt, ist schon in dem vereinigten ständischen Ausschuß zurückgewiesen
worden. w)

Wenn übrigens das Gesetzbuch dem Systeme des Code
penal
ge-
folgt ist, so hat es doch im Einzelnen, namentlich in Beziehung auf
die Strafverwandlung, wenn das Unterscheidungsvermögen angenommen
worden, erhebliche Verbesserungen angebracht. x)

I. Die Frage, ob der Angeschuldigte noch nicht das sechszehnte
Lebensjahr zurückgelegt hat, ist von dem erkennenden Richter nach dem
zu seiner Kenntniß gekommenen Material zu entscheiden; a[n] e[in] be-
stimmtes Beweismittel, z. B. den Geburtsschein, ist der Richter bei
dieser Entscheidung nicht gebunden; y) ja in zweifelhaften Fällen wird
die dem Angeschuldigten günstige Annahme den Vorzug verdienen, so-
weit überhaupt die milde Regel: In dubiis pro reo! eine Geltung hat.
Von einer Beweisführung durch den Angeschuldigten im technischen Sinn
kann hier keine Rede mehr sein; die Berücksichtigung des jugendlichen
Alters bei der Bestrafung ist auch nicht bloß der einzelnen Personen
wegen, sondern aus allgemeinen Gründen der Strafgerechtigkeit vorge-
schrieben.

II. Wo noch keine Besserungsanstalten eingerichtet sind, da wird
der wegen jugendlichen Alters für unzurechnungsfähig erklärte Ange-
schuldigte seiner Familie zu überweisen sein. Eine Freiheitsstrafe darf
dafür nicht eintreten, weil überhaupt die Unterbringung in einer Besse-
rungsanstalt nicht als Strafe gilt, z) und der Zweck der Maaßregel im
Gefängniß nicht erreicht werden würde.

III. Das hohe Alter wird nach dem Strafgesetzbuch bei der Ver-
urtheilung in die gesetzliche Strafe nicht berücksichtigt. Die Nachahmung

w) Verhandlungen. II. S. 398. Fürst Wilhelm Radziwill. "Nach
den jetzigen Aushebungsgesetzen ist sowohl für den Frieden als den Krieg das zwan-
zigste Lebensjahr als das Jahr bestimmt, wo die Militairpflichtigkeit eintritt. Bei
denen, die mit dem siebzehnten Jahr schon freiwillig in die Armee eintreten, also
freiwillig dem Stande der Zurechnungsfähigkeit sich unterwerfen, würde eine gesetzliche
Ausnahme zu machen wohl nicht nöthig sein."
x) Ueber einzelne, in der Kommission der zweiten Kammer vorgenommene Ab-
änderungen bei der Strafverwandlung s. d. Bericht zu §. 41. (43.).
y) In Frankreich hat eine sehr einseitige Entscheidung des Kassationshofs diese
Frage verwirrt; s. Chauveau I. c. p. 197.
z) Vgl. Chauveau I. c. p. 198.

Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe.
mit einer Herunterſetzung des erſten Termins etwa auf das vollendete
zehnte Lebensjahr ziemlich ſicher vermeiden ließe. Auch das wäre zu
wünſchen geweſen, daß man den Endtermin des jugendlichen Alters bis
zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre hinausgerückt hätte. Der Grund
wenigſtens, der in den Motiven dagegen angeführt wird, daß die Mi-
litairdienſtpflicht ſchon mit dem zurückgelegten ſiebzehnten Lebensjahre
beginnt, iſt ſchon in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß zurückgewieſen
worden. w)

Wenn übrigens das Geſetzbuch dem Syſteme des Code
pénal
ge-
folgt iſt, ſo hat es doch im Einzelnen, namentlich in Beziehung auf
die Strafverwandlung, wenn das Unterſcheidungsvermögen angenommen
worden, erhebliche Verbeſſerungen angebracht. x)

I. Die Frage, ob der Angeſchuldigte noch nicht das ſechszehnte
Lebensjahr zurückgelegt hat, iſt von dem erkennenden Richter nach dem
zu ſeiner Kenntniß gekommenen Material zu entſcheiden; a[n] e[in] be-
ſtimmtes Beweismittel, z. B. den Geburtsſchein, iſt der Richter bei
dieſer Entſcheidung nicht gebunden; y) ja in zweifelhaften Fällen wird
die dem Angeſchuldigten günſtige Annahme den Vorzug verdienen, ſo-
weit überhaupt die milde Regel: In dubiis pro reo! eine Geltung hat.
Von einer Beweisführung durch den Angeſchuldigten im techniſchen Sinn
kann hier keine Rede mehr ſein; die Berückſichtigung des jugendlichen
Alters bei der Beſtrafung iſt auch nicht bloß der einzelnen Perſonen
wegen, ſondern aus allgemeinen Gründen der Strafgerechtigkeit vorge-
ſchrieben.

II. Wo noch keine Beſſerungsanſtalten eingerichtet ſind, da wird
der wegen jugendlichen Alters für unzurechnungsfähig erklärte Ange-
ſchuldigte ſeiner Familie zu überweiſen ſein. Eine Freiheitsſtrafe darf
dafür nicht eintreten, weil überhaupt die Unterbringung in einer Beſſe-
rungsanſtalt nicht als Strafe gilt, z) und der Zweck der Maaßregel im
Gefängniß nicht erreicht werden würde.

III. Das hohe Alter wird nach dem Strafgeſetzbuch bei der Ver-
urtheilung in die geſetzliche Strafe nicht berückſichtigt. Die Nachahmung

w) Verhandlungen. II. S. 398. Fürſt Wilhelm Radziwill. „Nach
den jetzigen Aushebungsgeſetzen iſt ſowohl für den Frieden als den Krieg das zwan-
zigſte Lebensjahr als das Jahr beſtimmt, wo die Militairpflichtigkeit eintritt. Bei
denen, die mit dem ſiebzehnten Jahr ſchon freiwillig in die Armee eintreten, alſo
freiwillig dem Stande der Zurechnungsfähigkeit ſich unterwerfen, würde eine geſetzliche
Ausnahme zu machen wohl nicht nöthig ſein.“
x) Ueber einzelne, in der Kommiſſion der zweiten Kammer vorgenommene Ab-
änderungen bei der Strafverwandlung ſ. d. Bericht zu §. 41. (43.).
y) In Frankreich hat eine ſehr einſeitige Entſcheidung des Kaſſationshofs dieſe
Frage verwirrt; ſ. Chauveau I. c. p. 197.
z) Vgl. Chauveau I. c. p. 198.
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[194/0204] Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe. mit einer Herunterſetzung des erſten Termins etwa auf das vollendete zehnte Lebensjahr ziemlich ſicher vermeiden ließe. Auch das wäre zu wünſchen geweſen, daß man den Endtermin des jugendlichen Alters bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre hinausgerückt hätte. Der Grund wenigſtens, der in den Motiven dagegen angeführt wird, daß die Mi- litairdienſtpflicht ſchon mit dem zurückgelegten ſiebzehnten Lebensjahre beginnt, iſt ſchon in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß zurückgewieſen worden. w) Wenn übrigens das Geſetzbuch dem Syſteme des Code pénal ge- folgt iſt, ſo hat es doch im Einzelnen, namentlich in Beziehung auf die Strafverwandlung, wenn das Unterſcheidungsvermögen angenommen worden, erhebliche Verbeſſerungen angebracht. x) I. Die Frage, ob der Angeſchuldigte noch nicht das ſechszehnte Lebensjahr zurückgelegt hat, iſt von dem erkennenden Richter nach dem zu ſeiner Kenntniß gekommenen Material zu entſcheiden; an ein be- ſtimmtes Beweismittel, z. B. den Geburtsſchein, iſt der Richter bei dieſer Entſcheidung nicht gebunden; y) ja in zweifelhaften Fällen wird die dem Angeſchuldigten günſtige Annahme den Vorzug verdienen, ſo- weit überhaupt die milde Regel: In dubiis pro reo! eine Geltung hat. Von einer Beweisführung durch den Angeſchuldigten im techniſchen Sinn kann hier keine Rede mehr ſein; die Berückſichtigung des jugendlichen Alters bei der Beſtrafung iſt auch nicht bloß der einzelnen Perſonen wegen, ſondern aus allgemeinen Gründen der Strafgerechtigkeit vorge- ſchrieben. II. Wo noch keine Beſſerungsanſtalten eingerichtet ſind, da wird der wegen jugendlichen Alters für unzurechnungsfähig erklärte Ange- ſchuldigte ſeiner Familie zu überweiſen ſein. Eine Freiheitsſtrafe darf dafür nicht eintreten, weil überhaupt die Unterbringung in einer Beſſe- rungsanſtalt nicht als Strafe gilt, z) und der Zweck der Maaßregel im Gefängniß nicht erreicht werden würde. III. Das hohe Alter wird nach dem Strafgeſetzbuch bei der Ver- urtheilung in die geſetzliche Strafe nicht berückſichtigt. Die Nachahmung w) Verhandlungen. II. S. 398. Fürſt Wilhelm Radziwill. „Nach den jetzigen Aushebungsgeſetzen iſt ſowohl für den Frieden als den Krieg das zwan- zigſte Lebensjahr als das Jahr beſtimmt, wo die Militairpflichtigkeit eintritt. Bei denen, die mit dem ſiebzehnten Jahr ſchon freiwillig in die Armee eintreten, alſo freiwillig dem Stande der Zurechnungsfähigkeit ſich unterwerfen, würde eine geſetzliche Ausnahme zu machen wohl nicht nöthig ſein.“ x) Ueber einzelne, in der Kommiſſion der zweiten Kammer vorgenommene Ab- änderungen bei der Strafverwandlung ſ. d. Bericht zu §. 41. (43.). y) In Frankreich hat eine ſehr einſeitige Entſcheidung des Kaſſationshofs dieſe Frage verwirrt; ſ. Chauveau I. c. p. 197. z) Vgl. Chauveau I. c. p. 198.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/204>, abgerufen am 28.11.2024.