Th. I. Bestrafung etc. Tit. IV. Ausschließung oder Milderung d. Strafe.
ein, wenn das Verbrechen wirklich begangen oder zu begehen versucht wird. Mit der letzteren Bezeichnung kann nur der Fall des strafbaren Versuchs gemeint sein; so lange Versuchshandlungen nicht unter diesen Begriff fallen, kommen sie für den Thäter, und also auch für den Theilnehmer, Begünstiger und für den zur Anzeige Verpflichteten nicht in Betracht.
Vierter Titel. Von den Gründen, welche die Strafe ausschließen oder mildern.
§. 40.
Ein Verbrechen oder Vergehen ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit der That wahnsinnig oder blödsinnig, oder die freie Willensbestimmung desselben durch Gewalt oder durch Drohungen ausgeschlossen war.
Die Ueberschrift dieses Titels scheint auf einen weiteren Inhalt desselben hinzuweisen, als er wirklich hat. Wenn namentlich zu den Gründen, welche die Strafe ausschließen, auch diejenigen gerechnet wer- den sollen, welche die Vollstreckung der rechtskräftig erkannten Strafe verhindern, so gehört auch die landesherrliche Begnadigung und, von den Geldbußen abgesehen, der Tod des Verbrechers hierher. Außerdem aber wird die Strafe ausgeschlossen durch ein freisprechendes richterliches Erkenntniß, und wenn eine Verurtheilung statt gefunden hat, durch die Abbüßung der erkannten Strafe. In den älteren Entwürfen, nament- lich in dem vom Jahre 1836. waren diese Thatsachen auch wirklich neben anderen als Gründe, welche die Strafbarkeit aufheben, in einer gewissen systematischen Vollständigkeit aufgeführt; d) man erkannte aber später, daß es auf eine solche Aufzählung im Gesetzbuch nicht ankomme, und beschränkte schon in dem Entwurf von 1847. den Titel im Wesent- lichen auf seinen gegenwärtigen Inhalt. e) -- Hätte man dagegen über die im Entwurf von 1850. vorkommenden mildernden Umstände eine allgemeine Bestimmung für nöthig gehalten, so würde hier die rechte Stelle dafür gewesen sein. Da aber bei jedem einzelnen Verbrechen und Vergehen, wo die mildernden Umstände berücksichtigt werden können, dieß ausdrücklich angeführt und für den Fall, daß ihr Vorhandensein
d)Entwurf von 1836. §. 76-100. -- Entwurf von 1843. §. 78-105.
e)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission I. S. 109 ff. -- Revision von 1845. I. S. 206. 226.
Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe.
ein, wenn das Verbrechen wirklich begangen oder zu begehen verſucht wird. Mit der letzteren Bezeichnung kann nur der Fall des ſtrafbaren Verſuchs gemeint ſein; ſo lange Verſuchshandlungen nicht unter dieſen Begriff fallen, kommen ſie für den Thäter, und alſo auch für den Theilnehmer, Begünſtiger und für den zur Anzeige Verpflichteten nicht in Betracht.
Vierter Titel. Von den Gründen, welche die Strafe ausſchließen oder mildern.
§. 40.
Ein Verbrechen oder Vergehen iſt nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit der That wahnſinnig oder blödſinnig, oder die freie Willensbeſtimmung deſſelben durch Gewalt oder durch Drohungen ausgeſchloſſen war.
Die Ueberſchrift dieſes Titels ſcheint auf einen weiteren Inhalt deſſelben hinzuweiſen, als er wirklich hat. Wenn namentlich zu den Gründen, welche die Strafe ausſchließen, auch diejenigen gerechnet wer- den ſollen, welche die Vollſtreckung der rechtskräftig erkannten Strafe verhindern, ſo gehört auch die landesherrliche Begnadigung und, von den Geldbußen abgeſehen, der Tod des Verbrechers hierher. Außerdem aber wird die Strafe ausgeſchloſſen durch ein freiſprechendes richterliches Erkenntniß, und wenn eine Verurtheilung ſtatt gefunden hat, durch die Abbüßung der erkannten Strafe. In den älteren Entwürfen, nament- lich in dem vom Jahre 1836. waren dieſe Thatſachen auch wirklich neben anderen als Gründe, welche die Strafbarkeit aufheben, in einer gewiſſen ſyſtematiſchen Vollſtändigkeit aufgeführt; d) man erkannte aber ſpäter, daß es auf eine ſolche Aufzählung im Geſetzbuch nicht ankomme, und beſchränkte ſchon in dem Entwurf von 1847. den Titel im Weſent- lichen auf ſeinen gegenwärtigen Inhalt. e) — Hätte man dagegen über die im Entwurf von 1850. vorkommenden mildernden Umſtände eine allgemeine Beſtimmung für nöthig gehalten, ſo würde hier die rechte Stelle dafür geweſen ſein. Da aber bei jedem einzelnen Verbrechen und Vergehen, wo die mildernden Umſtände berückſichtigt werden können, dieß ausdrücklich angeführt und für den Fall, daß ihr Vorhandenſein
d)Entwurf von 1836. §. 76-100. — Entwurf von 1843. §. 78-105.
e)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion I. S. 109 ff. — Reviſion von 1845. I. S. 206. 226.
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Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. IV. Ausſchließung oder Milderung d. Strafe.
ein, wenn das Verbrechen wirklich begangen oder zu begehen verſucht
wird. Mit der letzteren Bezeichnung kann nur der Fall des ſtrafbaren
Verſuchs gemeint ſein; ſo lange Verſuchshandlungen nicht unter dieſen
Begriff fallen, kommen ſie für den Thäter, und alſo auch für den
Theilnehmer, Begünſtiger und für den zur Anzeige Verpflichteten nicht
in Betracht.
Vierter Titel.
Von den Gründen, welche die Strafe ausſchließen oder
mildern.
§. 40.
Ein Verbrechen oder Vergehen iſt nicht vorhanden, wenn der Thäter zur
Zeit der That wahnſinnig oder blödſinnig, oder die freie Willensbeſtimmung
deſſelben durch Gewalt oder durch Drohungen ausgeſchloſſen war.
Die Ueberſchrift dieſes Titels ſcheint auf einen weiteren Inhalt
deſſelben hinzuweiſen, als er wirklich hat. Wenn namentlich zu den
Gründen, welche die Strafe ausſchließen, auch diejenigen gerechnet wer-
den ſollen, welche die Vollſtreckung der rechtskräftig erkannten Strafe
verhindern, ſo gehört auch die landesherrliche Begnadigung und, von
den Geldbußen abgeſehen, der Tod des Verbrechers hierher. Außerdem
aber wird die Strafe ausgeſchloſſen durch ein freiſprechendes richterliches
Erkenntniß, und wenn eine Verurtheilung ſtatt gefunden hat, durch die
Abbüßung der erkannten Strafe. In den älteren Entwürfen, nament-
lich in dem vom Jahre 1836. waren dieſe Thatſachen auch wirklich
neben anderen als Gründe, welche die Strafbarkeit aufheben, in einer
gewiſſen ſyſtematiſchen Vollſtändigkeit aufgeführt; d) man erkannte aber
ſpäter, daß es auf eine ſolche Aufzählung im Geſetzbuch nicht ankomme,
und beſchränkte ſchon in dem Entwurf von 1847. den Titel im Weſent-
lichen auf ſeinen gegenwärtigen Inhalt. e) — Hätte man dagegen über
die im Entwurf von 1850. vorkommenden mildernden Umſtände eine
allgemeine Beſtimmung für nöthig gehalten, ſo würde hier die rechte
Stelle dafür geweſen ſein. Da aber bei jedem einzelnen Verbrechen und
Vergehen, wo die mildernden Umſtände berückſichtigt werden können,
dieß ausdrücklich angeführt und für den Fall, daß ihr Vorhandenſein
d) Entwurf von 1836. §. 76-100. — Entwurf von 1843. §. 78-105.
e) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion I.
S. 109 ff. — Reviſion von 1845. I. S. 206. 226.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/184>, abgerufen am 16.02.2025.
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