genommen: so trifft ihn eine solche Ahndung, die der ordentlichen Strafe desjenigen Verbrechens, von welchem er Nutzen gezogen hat, am nächsten kommt." Vgl. ebendas. §. 1218.
Von Anfang an fühlte man bei der Revision das Bedürfniß, sowohl wegen der Härte als auch wegen der Unbestimmtheit der Strafvorschrift eine Aenderung eintreten zu lassen; s) doch hielt man den Grundgedanken des Landrechts fest, und gelangte in dem Entwurf von 1843. zu fol- gender Fassung:
§. 72. "Wer Kenntniß von einem verübten Verbrechen hat, und dennoch an den Vortheilen desselben Theil nimmt, oder, in Beziehung auf das bereits vollendete Verbrechen, den Urheber oder dessen Mit- schuldige auf irgend eine Weise aus eignem Interesse begünstigt, hat, wenn nicht durch besondere Vorschriften eine härtere Strafe angeordnet worden ist, Geldbuße, Gefängnißstrafe oder Strafarbeit bis zu fünf Jahren verwirkt. Bei der Zumessung dieser Strafe ist auf die Größe und Schwere des begangenen Verbrechens, soweit der Theilnehmer oder Begünstiger dieselbe gekannt hat, Rücksicht zu nehmen."
Die gegen diese Bestimmung erhobenen Bedenken veranlaßten aber bei der Revision des Jahres 1845. eine wiederholte Prüfung, welche dahin führte, die einfache Theilnahme an den Vortheilen eines Verbre- chens nicht mit Strafe zu bedrohen. Die Gründe dieser Entschließung waren folgende: t)
"Die Bestrafung der bloßen Theilnahme an den Vortheilen eines verübten Verbrechens ist in der That bisher ohne eigentliche Diskussion auf die Autorität des Allgem. Landrechts (II. 20. §. 83. und 1218.) gleichsam durch Tradition übernommen worden. Andere Gesetzbücher haben eine solche Abstraktion nicht in sich aufgenommen, selbst nicht der sonst so strenge Code penal. (Er spricht nur vom receler, art. 62. ff., nicht vom Mitgenießen, und zwar sogar beim Diebstahl). Prüft man näher, was hier eigentlich bestraft werden soll, so ist es lediglich eine Unsittlichkeit, die ausnahmsweise einer Kriminalstrafe unterworfen wird. Das Mitgenießen der Vortheile, die sich ein Dritter durch Verbrechen verschafft hat, ist allerdings eine Sache der Unzartheit. Aber an Rechts- gründen zur Bestrafung fehlt es durchaus, und politische Gründe führen auch nicht dahin. Diejenigen Fälle, in welchen hier eine wirkliche Strafbarkeit anzunehmen ist, werden immer den Begriff einer wahren Begünstigung, oder sogar einer intellektuellen oder reellen Beihülfe in sich schließen, insbesondere, wenn vorher eine Verabredung oder Anrei-
s)Motive zu dem ersten Entwurf. I. S. 136-40.
t)Revision von 1845. I. S. 164-68.
§. 37. 38. Begünſtigung.
genommen: ſo trifft ihn eine ſolche Ahndung, die der ordentlichen Strafe desjenigen Verbrechens, von welchem er Nutzen gezogen hat, am nächſten kommt.“ Vgl. ebendaſ. §. 1218.
Von Anfang an fühlte man bei der Reviſion das Bedürfniß, ſowohl wegen der Härte als auch wegen der Unbeſtimmtheit der Strafvorſchrift eine Aenderung eintreten zu laſſen; s) doch hielt man den Grundgedanken des Landrechts feſt, und gelangte in dem Entwurf von 1843. zu fol- gender Faſſung:
§. 72. „Wer Kenntniß von einem verübten Verbrechen hat, und dennoch an den Vortheilen deſſelben Theil nimmt, oder, in Beziehung auf das bereits vollendete Verbrechen, den Urheber oder deſſen Mit- ſchuldige auf irgend eine Weiſe aus eignem Intereſſe begünſtigt, hat, wenn nicht durch beſondere Vorſchriften eine härtere Strafe angeordnet worden iſt, Geldbuße, Gefängnißſtrafe oder Strafarbeit bis zu fünf Jahren verwirkt. Bei der Zumeſſung dieſer Strafe iſt auf die Größe und Schwere des begangenen Verbrechens, ſoweit der Theilnehmer oder Begünſtiger dieſelbe gekannt hat, Rückſicht zu nehmen.“
Die gegen dieſe Beſtimmung erhobenen Bedenken veranlaßten aber bei der Reviſion des Jahres 1845. eine wiederholte Prüfung, welche dahin führte, die einfache Theilnahme an den Vortheilen eines Verbre- chens nicht mit Strafe zu bedrohen. Die Gründe dieſer Entſchließung waren folgende: t)
„Die Beſtrafung der bloßen Theilnahme an den Vortheilen eines verübten Verbrechens iſt in der That bisher ohne eigentliche Diskuſſion auf die Autorität des Allgem. Landrechts (II. 20. §. 83. und 1218.) gleichſam durch Tradition übernommen worden. Andere Geſetzbücher haben eine ſolche Abſtraktion nicht in ſich aufgenommen, ſelbſt nicht der ſonſt ſo ſtrenge Code pénal. (Er ſpricht nur vom recéler, art. 62. ff., nicht vom Mitgenießen, und zwar ſogar beim Diebſtahl). Prüft man näher, was hier eigentlich beſtraft werden ſoll, ſo iſt es lediglich eine Unſittlichkeit, die ausnahmsweiſe einer Kriminalſtrafe unterworfen wird. Das Mitgenießen der Vortheile, die ſich ein Dritter durch Verbrechen verſchafft hat, iſt allerdings eine Sache der Unzartheit. Aber an Rechts- gründen zur Beſtrafung fehlt es durchaus, und politiſche Gründe führen auch nicht dahin. Diejenigen Fälle, in welchen hier eine wirkliche Strafbarkeit anzunehmen iſt, werden immer den Begriff einer wahren Begünſtigung, oder ſogar einer intellektuellen oder reellen Beihülfe in ſich ſchließen, insbeſondere, wenn vorher eine Verabredung oder Anrei-
s)Motive zu dem erſten Entwurf. I. S. 136-40.
t)Reviſion von 1845. I. S. 164-68.
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§. 37. 38. Begünſtigung.
genommen: ſo trifft ihn eine ſolche Ahndung, die der ordentlichen Strafe
desjenigen Verbrechens, von welchem er Nutzen gezogen hat, am nächſten
kommt.“ Vgl. ebendaſ. §. 1218.
Von Anfang an fühlte man bei der Reviſion das Bedürfniß, ſowohl
wegen der Härte als auch wegen der Unbeſtimmtheit der Strafvorſchrift
eine Aenderung eintreten zu laſſen; s) doch hielt man den Grundgedanken
des Landrechts feſt, und gelangte in dem Entwurf von 1843. zu fol-
gender Faſſung:
§. 72. „Wer Kenntniß von einem verübten Verbrechen hat, und
dennoch an den Vortheilen deſſelben Theil nimmt, oder, in Beziehung
auf das bereits vollendete Verbrechen, den Urheber oder deſſen Mit-
ſchuldige auf irgend eine Weiſe aus eignem Intereſſe begünſtigt, hat,
wenn nicht durch beſondere Vorſchriften eine härtere Strafe angeordnet
worden iſt, Geldbuße, Gefängnißſtrafe oder Strafarbeit bis zu fünf
Jahren verwirkt. Bei der Zumeſſung dieſer Strafe iſt auf die Größe
und Schwere des begangenen Verbrechens, ſoweit der Theilnehmer oder
Begünſtiger dieſelbe gekannt hat, Rückſicht zu nehmen.“
Die gegen dieſe Beſtimmung erhobenen Bedenken veranlaßten aber
bei der Reviſion des Jahres 1845. eine wiederholte Prüfung, welche
dahin führte, die einfache Theilnahme an den Vortheilen eines Verbre-
chens nicht mit Strafe zu bedrohen. Die Gründe dieſer Entſchließung
waren folgende: t)
„Die Beſtrafung der bloßen Theilnahme an den Vortheilen eines
verübten Verbrechens iſt in der That bisher ohne eigentliche Diskuſſion
auf die Autorität des Allgem. Landrechts (II. 20. §. 83. und 1218.)
gleichſam durch Tradition übernommen worden. Andere Geſetzbücher
haben eine ſolche Abſtraktion nicht in ſich aufgenommen, ſelbſt nicht der
ſonſt ſo ſtrenge Code pénal. (Er ſpricht nur vom
recéler, art. 62. ff.,
nicht vom Mitgenießen, und zwar ſogar beim Diebſtahl). Prüft man
näher, was hier eigentlich beſtraft werden ſoll, ſo iſt es lediglich eine
Unſittlichkeit, die ausnahmsweiſe einer Kriminalſtrafe unterworfen wird.
Das Mitgenießen der Vortheile, die ſich ein Dritter durch Verbrechen
verſchafft hat, iſt allerdings eine Sache der Unzartheit. Aber an Rechts-
gründen zur Beſtrafung fehlt es durchaus, und politiſche Gründe führen
auch nicht dahin. Diejenigen Fälle, in welchen hier eine wirkliche
Strafbarkeit anzunehmen iſt, werden immer den Begriff einer wahren
Begünſtigung, oder ſogar einer intellektuellen oder reellen Beihülfe in
ſich ſchließen, insbeſondere, wenn vorher eine Verabredung oder Anrei-
s) Motive zu dem erſten Entwurf. I. S. 136-40.
t) Reviſion von 1845. I. S. 164-68.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/179>, abgerufen am 12.12.2024.
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