Th. I. Bestraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
§. 37.
Wer nach Verübung eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter wis- sentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen, oder ihm die Vortheile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern, ist als Begünstiger mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre zu bestrafen.
Diese Strafe tritt nicht ein, wenn die Begünstigung dem Thäter, um ihn der Bestrafung zu entziehen, von leiblichen Verwandten in auf- oder abstei- gender Linie, von Geschwistern oder von dem Ehegatten gewährt worden ist.
§. 38.
Der Begünstiger soll gleich demjenigen, welcher Hülfe leistet, bestraft wer- den, wenn die Begünstigung in Folge einer vor der That genommenen Abrede gewährt worden ist.
Diese Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn der Begünstiger zu den Angehörigen des Thäters gehört.
Zu der Theilnahme an einem Verbrechen oder Vergehen im wei- teren Sinne gehört auch der Fall, wenn nach der Verübung der straf- baren Handlung dem Thäter wissentlich Vorschub geleistet wird. Das Strafgesetzbuch hat jedoch diese Art der Theilnahme in Uebereinstimmung mit den neueren Deutschen Gesetzgebungen r) als ein selbständiges Delikt ausgeschieden, und die Begünstigung unter besondere Strafbestim- mungen gestellt.
Insoweit diese Bestimmungen allgemeiner Natur sind, und auf alle Verbrechen und Vergehen angewandt werden können, haben sie hier ihre Stelle gefunden. Dieselben konnten hier aber kurz und einfach gefaßt werden, da die wichtigste Art der Begünstigung, die Hehlerei, im fol- genden Theil Tit. 20. ihre besondere Behandlung gefunden hat, und auch die Befreiung von Gefangenen, die wenigstens nach einigen Rech- ten, z. B. dem Englischen, nur als Art der Begünstigung betrachtet wird, von dem allgemeinen Vergehen ausgeschieden worden ist (§. 94. 95.). Dazu kommt, daß der Begriff der Begünstigung dadurch eine sehr wesentliche Beschränkung erfahren hat, daß das Strafgesetzbuch die einfache Theilnahme an den Vortheilen eines Verbrechens mit keiner Strafe bedroht. Das Allgemeine Landrecht hatte hierüber eine sehr harte Bestimmung:
Th. II. Tit. 20. §. 83. "Hat Jemand an den Vortheilen eines Verbrechens, nach dessen Ausführung, wissentlich und freiwillig Theil
Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
§. 37.
Wer nach Verübung eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter wiſ- ſentlich Beiſtand leiſtet, um denſelben der Beſtrafung zu entziehen, oder ihm die Vortheile des Verbrechens oder Vergehens zu ſichern, iſt als Begünſtiger mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre zu beſtrafen.
Dieſe Strafe tritt nicht ein, wenn die Begünſtigung dem Thäter, um ihn der Beſtrafung zu entziehen, von leiblichen Verwandten in auf- oder abſtei- gender Linie, von Geſchwiſtern oder von dem Ehegatten gewährt worden iſt.
§. 38.
Der Begünſtiger ſoll gleich demjenigen, welcher Hülfe leiſtet, beſtraft wer- den, wenn die Begünſtigung in Folge einer vor der That genommenen Abrede gewährt worden iſt.
Dieſe Vorſchrift iſt auch dann anzuwenden, wenn der Begünſtiger zu den Angehörigen des Thäters gehört.
Zu der Theilnahme an einem Verbrechen oder Vergehen im wei- teren Sinne gehört auch der Fall, wenn nach der Verübung der ſtraf- baren Handlung dem Thäter wiſſentlich Vorſchub geleiſtet wird. Das Strafgeſetzbuch hat jedoch dieſe Art der Theilnahme in Uebereinſtimmung mit den neueren Deutſchen Geſetzgebungen r) als ein ſelbſtändiges Delikt ausgeſchieden, und die Begünſtigung unter beſondere Strafbeſtim- mungen geſtellt.
Inſoweit dieſe Beſtimmungen allgemeiner Natur ſind, und auf alle Verbrechen und Vergehen angewandt werden können, haben ſie hier ihre Stelle gefunden. Dieſelben konnten hier aber kurz und einfach gefaßt werden, da die wichtigſte Art der Begünſtigung, die Hehlerei, im fol- genden Theil Tit. 20. ihre beſondere Behandlung gefunden hat, und auch die Befreiung von Gefangenen, die wenigſtens nach einigen Rech- ten, z. B. dem Engliſchen, nur als Art der Begünſtigung betrachtet wird, von dem allgemeinen Vergehen ausgeſchieden worden iſt (§. 94. 95.). Dazu kommt, daß der Begriff der Begünſtigung dadurch eine ſehr weſentliche Beſchränkung erfahren hat, daß das Strafgeſetzbuch die einfache Theilnahme an den Vortheilen eines Verbrechens mit keiner Strafe bedroht. Das Allgemeine Landrecht hatte hierüber eine ſehr harte Beſtimmung:
Th. II. Tit. 20. §. 83. „Hat Jemand an den Vortheilen eines Verbrechens, nach deſſen Ausführung, wiſſentlich und freiwillig Theil
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Th. I. Beſtraf. d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. III. V. d. Theilnahme.
§. 37.
Wer nach Verübung eines Verbrechens oder Vergehens dem Thäter wiſ-
ſentlich Beiſtand leiſtet, um denſelben der Beſtrafung zu entziehen, oder ihm
die Vortheile des Verbrechens oder Vergehens zu ſichern, iſt als Begünſtiger
mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu Einem
Jahre zu beſtrafen.
Dieſe Strafe tritt nicht ein, wenn die Begünſtigung dem Thäter, um ihn
der Beſtrafung zu entziehen, von leiblichen Verwandten in auf- oder abſtei-
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Der Begünſtiger ſoll gleich demjenigen, welcher Hülfe leiſtet, beſtraft wer-
den, wenn die Begünſtigung in Folge einer vor der That genommenen Abrede
gewährt worden iſt.
Dieſe Vorſchrift iſt auch dann anzuwenden, wenn der Begünſtiger zu den
Angehörigen des Thäters gehört.
Zu der Theilnahme an einem Verbrechen oder Vergehen im wei-
teren Sinne gehört auch der Fall, wenn nach der Verübung der ſtraf-
baren Handlung dem Thäter wiſſentlich Vorſchub geleiſtet wird. Das
Strafgeſetzbuch hat jedoch dieſe Art der Theilnahme in Uebereinſtimmung
mit den neueren Deutſchen Geſetzgebungen r) als ein ſelbſtändiges Delikt
ausgeſchieden, und die Begünſtigung unter beſondere Strafbeſtim-
mungen geſtellt.
Inſoweit dieſe Beſtimmungen allgemeiner Natur ſind, und auf alle
Verbrechen und Vergehen angewandt werden können, haben ſie hier ihre
Stelle gefunden. Dieſelben konnten hier aber kurz und einfach gefaßt
werden, da die wichtigſte Art der Begünſtigung, die Hehlerei, im fol-
genden Theil Tit. 20. ihre beſondere Behandlung gefunden hat, und
auch die Befreiung von Gefangenen, die wenigſtens nach einigen Rech-
ten, z. B. dem Engliſchen, nur als Art der Begünſtigung betrachtet
wird, von dem allgemeinen Vergehen ausgeſchieden worden iſt (§. 94. 95.).
Dazu kommt, daß der Begriff der Begünſtigung dadurch eine ſehr
weſentliche Beſchränkung erfahren hat, daß das Strafgeſetzbuch die
einfache Theilnahme an den Vortheilen eines Verbrechens mit keiner
Strafe bedroht. Das Allgemeine Landrecht hatte hierüber eine ſehr
harte Beſtimmung:
Th. II. Tit. 20. §. 83. „Hat Jemand an den Vortheilen eines
Verbrechens, nach deſſen Ausführung, wiſſentlich und freiwillig Theil
r) Württemb. Strafgeſetzb. Art. 89-92. — Hannov. Criminal-
geſetzb. Art. 74-76. — Heſſiſch. Strafgeſetzb. Art. 87-93. — Badiſch.
Strafgeſetzbuch. §. 142-45. — Thüringiſches Strafgeſetzb. Art. 36. 37.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/178>, abgerufen am 23.01.2025.
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