Thl. I. Bestrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.
§. 12. erwähnten Rechte, mit demselben Ausnahmefall der §§. 63. und 64. Die Bestimmung des Rheinischen Rechts, u) daß der Richter die Aus- übung einzelner dieser Rechte untersagen kann, ist in das Strafgesetz- buch nicht übergegangen.
2) Für gewisse Rechte, welche einen Theil der bürgerlichen Ehre ausmachen, soll nach §. 22. nicht bloß während der Zeit, auf welche im Urtheile erkannt worden, die Ausübung untersagt sein, sondern sie werden in derselben Weise aufgehoben, wie es bei dem Verlust der bür- gerlichen Ehre der Fall ist, und nur die Möglichkeit, nach dem Ablauf der festgesetzten Strafzeit diese Rechte zu erlangen oder wieder zu erlan- gen, läßt die zeitige Untersagung als die mildere Strafe auch in dieser Beziehung erscheinen. Definitiv verloren gehen aber alle aus früheren öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte (§. 12. Nr. 3.), ingleichen die öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen, so wie der Adel (§. 12. Nr. 2.).
3) In Beziehung auf die §. 12. Nr. 5. genannten Rechte kann die Frage entstehen, ob derjenige, welchem die Ausübung der bürger- lichen Ehrenrechte untersagt ist, das Amt des Vormundes u. s. w., welches er zur Zeit der Verurtheilung schon inne hat, verliert, so daß ein Anderer an seine Stelle tritt, oder ob er bloß in der Ausübung seiner amtlichen Funktionen stille gestellt wird, und in der Zwischenzeit, bis zur Wiedererlangung seiner vollen Rechtsfähigkeit, von einem An- deren vertreten werden muß. Auf die letzte Annahme scheint die Fas- sung des §. 22. hinzuweisen, da unter den Rechten, die definitiv ver- loren gehen, die Fälle des §. 12. Nr. 5. nicht genannt werden, und neben den öffentlichen Aemtern die Funktionen eines Vormunds u. s. w. keine Erwähnung gefunden haben. Auf der andern Seite scheint es doch mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen unvereinbar, daß derjenige, wel- cher durch richterliches Erkenntniß für unfähig erklärt ist, während einer bestimmten Zeit das Amt eines Vormundes u. s. w. auszuüben, das- selbe auch nur nominell behalten könnte. Es kommt hinzu, daß es sich hier nicht bloß um das Recht des Verurtheilten, sondern eben so sehr um das Interesse des Mündels, Kuranden u. s. w. handelt, und daß es diesem nicht entsprechen würde, eine interimistische Geschäftsführung zu bestellen, um sie später dem Rehabilitirten wieder zu überlassen. Da- her darf wohl als Regel angenommen werden, daß, wer auch nur auf bestimmte Zeit unfähig geworden ist, eins der in §. 12. Nr. 5. ange-
u)Code penal. Art. 42. Les tribunaux, jugeant correctionellement, pourront dans certains cas, interdire en tout ou en partie, l'exercice des droits civiques, civils et de famille suivans etc.
Thl. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.
§. 12. erwähnten Rechte, mit demſelben Ausnahmefall der §§. 63. und 64. Die Beſtimmung des Rheiniſchen Rechts, u) daß der Richter die Aus- übung einzelner dieſer Rechte unterſagen kann, iſt in das Strafgeſetz- buch nicht übergegangen.
2) Für gewiſſe Rechte, welche einen Theil der bürgerlichen Ehre ausmachen, ſoll nach §. 22. nicht bloß während der Zeit, auf welche im Urtheile erkannt worden, die Ausübung unterſagt ſein, ſondern ſie werden in derſelben Weiſe aufgehoben, wie es bei dem Verluſt der bür- gerlichen Ehre der Fall iſt, und nur die Möglichkeit, nach dem Ablauf der feſtgeſetzten Strafzeit dieſe Rechte zu erlangen oder wieder zu erlan- gen, läßt die zeitige Unterſagung als die mildere Strafe auch in dieſer Beziehung erſcheinen. Definitiv verloren gehen aber alle aus früheren öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte (§. 12. Nr. 3.), ingleichen die öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen, ſo wie der Adel (§. 12. Nr. 2.).
3) In Beziehung auf die §. 12. Nr. 5. genannten Rechte kann die Frage entſtehen, ob derjenige, welchem die Ausübung der bürger- lichen Ehrenrechte unterſagt iſt, das Amt des Vormundes u. ſ. w., welches er zur Zeit der Verurtheilung ſchon inne hat, verliert, ſo daß ein Anderer an ſeine Stelle tritt, oder ob er bloß in der Ausübung ſeiner amtlichen Funktionen ſtille geſtellt wird, und in der Zwiſchenzeit, bis zur Wiedererlangung ſeiner vollen Rechtsfähigkeit, von einem An- deren vertreten werden muß. Auf die letzte Annahme ſcheint die Faſ- ſung des §. 22. hinzuweiſen, da unter den Rechten, die definitiv ver- loren gehen, die Fälle des §. 12. Nr. 5. nicht genannt werden, und neben den öffentlichen Aemtern die Funktionen eines Vormunds u. ſ. w. keine Erwähnung gefunden haben. Auf der andern Seite ſcheint es doch mit allgemeinen Rechtsgrundſätzen unvereinbar, daß derjenige, wel- cher durch richterliches Erkenntniß für unfähig erklärt iſt, während einer beſtimmten Zeit das Amt eines Vormundes u. ſ. w. auszuüben, das- ſelbe auch nur nominell behalten könnte. Es kommt hinzu, daß es ſich hier nicht bloß um das Recht des Verurtheilten, ſondern eben ſo ſehr um das Intereſſe des Mündels, Kuranden u. ſ. w. handelt, und daß es dieſem nicht entſprechen würde, eine interimiſtiſche Geſchäftsführung zu beſtellen, um ſie ſpäter dem Rehabilitirten wieder zu überlaſſen. Da- her darf wohl als Regel angenommen werden, daß, wer auch nur auf beſtimmte Zeit unfähig geworden iſt, eins der in §. 12. Nr. 5. ange-
u)Code pénal. Art. 42. Les tribunaux, jugeant correctionellement, pourront dans certains cas, interdire en tout ou en partie, l'exercice des droits civiques, civils et de famille suivans etc.
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Thl. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. I. Von d. Strafen.
§. 12. erwähnten Rechte, mit demſelben Ausnahmefall der §§. 63. und 64.
Die Beſtimmung des Rheiniſchen Rechts, u) daß der Richter die Aus-
übung einzelner dieſer Rechte unterſagen kann, iſt in das Strafgeſetz-
buch nicht übergegangen.
2) Für gewiſſe Rechte, welche einen Theil der bürgerlichen Ehre
ausmachen, ſoll nach §. 22. nicht bloß während der Zeit, auf welche
im Urtheile erkannt worden, die Ausübung unterſagt ſein, ſondern ſie
werden in derſelben Weiſe aufgehoben, wie es bei dem Verluſt der bür-
gerlichen Ehre der Fall iſt, und nur die Möglichkeit, nach dem Ablauf
der feſtgeſetzten Strafzeit dieſe Rechte zu erlangen oder wieder zu erlan-
gen, läßt die zeitige Unterſagung als die mildere Strafe auch in dieſer
Beziehung erſcheinen. Definitiv verloren gehen aber alle aus früheren
öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte (§. 12. Nr. 3.), ingleichen
die öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen, ſo wie
der Adel (§. 12. Nr. 2.).
3) In Beziehung auf die §. 12. Nr. 5. genannten Rechte kann
die Frage entſtehen, ob derjenige, welchem die Ausübung der bürger-
lichen Ehrenrechte unterſagt iſt, das Amt des Vormundes u. ſ. w.,
welches er zur Zeit der Verurtheilung ſchon inne hat, verliert, ſo daß
ein Anderer an ſeine Stelle tritt, oder ob er bloß in der Ausübung
ſeiner amtlichen Funktionen ſtille geſtellt wird, und in der Zwiſchenzeit,
bis zur Wiedererlangung ſeiner vollen Rechtsfähigkeit, von einem An-
deren vertreten werden muß. Auf die letzte Annahme ſcheint die Faſ-
ſung des §. 22. hinzuweiſen, da unter den Rechten, die definitiv ver-
loren gehen, die Fälle des §. 12. Nr. 5. nicht genannt werden, und
neben den öffentlichen Aemtern die Funktionen eines Vormunds u. ſ. w.
keine Erwähnung gefunden haben. Auf der andern Seite ſcheint es
doch mit allgemeinen Rechtsgrundſätzen unvereinbar, daß derjenige, wel-
cher durch richterliches Erkenntniß für unfähig erklärt iſt, während einer
beſtimmten Zeit das Amt eines Vormundes u. ſ. w. auszuüben, das-
ſelbe auch nur nominell behalten könnte. Es kommt hinzu, daß es ſich
hier nicht bloß um das Recht des Verurtheilten, ſondern eben ſo ſehr
um das Intereſſe des Mündels, Kuranden u. ſ. w. handelt, und daß
es dieſem nicht entſprechen würde, eine interimiſtiſche Geſchäftsführung
zu beſtellen, um ſie ſpäter dem Rehabilitirten wieder zu überlaſſen. Da-
her darf wohl als Regel angenommen werden, daß, wer auch nur auf
beſtimmte Zeit unfähig geworden iſt, eins der in §. 12. Nr. 5. ange-
u) Code pénal. Art. 42. Les tribunaux, jugeant correctionellement,
pourront dans certains cas, interdire en tout ou en partie, l'exercice des
droits civiques, civils et de famille suivans etc.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/138>, abgerufen am 04.12.2024.
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