Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sah drei gute Stunden vor sich. Die Gesellschaft bestand nur aus den Brautleuten, da der Wagen bei den schlechten Wegen sonst zu sehr beladen worden wäre, auch konnte m[an sich] ja untereinander zu Zeugen dienen. Man war anfangs sehr munter, und Fritz und Lieschen bemühten sich, nicht durch ihre Traurigkeit aufzufallen; Gertraud sprach mehr als gewöhnlich, vielleicht, um diese den Uebrigen zu verbergen; endlich aber siegte ein Gefühl der Nüchternheit, des frühen Aufstehens, der kalten Frühluft, man ward stiller. Fritz und Lieschen freuten sich des Schweigens, das ihren Gedanken freien Lauf ließ, der schützenden Dunkelheit, die ihre heimlichen Thränen verbarg; noch hatten sie sich nur gehört, und sie fürchteten den Eindruck des Wiedersehens bei Tage und sehnten sich doch auch darnach, denn seit dem letzten Gespräch bei Gertrud hatte sie der Zufall nicht wieder zusammengeführt. Schon eine Weile waren alle verstummt, plötzlich hielt der Wagen, als theile er die allgemeine Pause. Was giebt's? fragte der Bäcker, aus seiner Lethargie erwachend. Ist doch nichts gebrochen? Der Fuhrmann antwortete nicht. Töffel wiederholte die Frage. I ne, sagte der Mann, den Kopf kratzend, gebrochen ist just nichts. Na, warum hält er denn auf ebenem Wege? Nun, meine Pferde standen nur ein bischen still. Was Teufel, schläft der Kerl? fragte der Bäcker. sah drei gute Stunden vor sich. Die Gesellschaft bestand nur aus den Brautleuten, da der Wagen bei den schlechten Wegen sonst zu sehr beladen worden wäre, auch konnte m[an sich] ja untereinander zu Zeugen dienen. Man war anfangs sehr munter, und Fritz und Lieschen bemühten sich, nicht durch ihre Traurigkeit aufzufallen; Gertraud sprach mehr als gewöhnlich, vielleicht, um diese den Uebrigen zu verbergen; endlich aber siegte ein Gefühl der Nüchternheit, des frühen Aufstehens, der kalten Frühluft, man ward stiller. Fritz und Lieschen freuten sich des Schweigens, das ihren Gedanken freien Lauf ließ, der schützenden Dunkelheit, die ihre heimlichen Thränen verbarg; noch hatten sie sich nur gehört, und sie fürchteten den Eindruck des Wiedersehens bei Tage und sehnten sich doch auch darnach, denn seit dem letzten Gespräch bei Gertrud hatte sie der Zufall nicht wieder zusammengeführt. Schon eine Weile waren alle verstummt, plötzlich hielt der Wagen, als theile er die allgemeine Pause. Was giebt's? fragte der Bäcker, aus seiner Lethargie erwachend. Ist doch nichts gebrochen? Der Fuhrmann antwortete nicht. Töffel wiederholte die Frage. I ne, sagte der Mann, den Kopf kratzend, gebrochen ist just nichts. Na, warum hält er denn auf ebenem Wege? Nun, meine Pferde standen nur ein bischen still. Was Teufel, schläft der Kerl? fragte der Bäcker. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0095"/> sah drei gute Stunden vor sich. Die Gesellschaft bestand nur aus den Brautleuten, da der Wagen bei den schlechten Wegen sonst zu sehr beladen worden wäre, auch konnte m<supplied>an sich</supplied> ja untereinander zu Zeugen dienen.</p><lb/> <p>Man war anfangs sehr munter, und Fritz und Lieschen bemühten sich, nicht durch ihre Traurigkeit aufzufallen; Gertraud sprach mehr als gewöhnlich, vielleicht, um diese den Uebrigen zu verbergen; endlich aber siegte ein Gefühl der Nüchternheit, des frühen Aufstehens, der kalten Frühluft, man ward stiller. Fritz und Lieschen freuten sich des Schweigens, das ihren Gedanken freien Lauf ließ, der schützenden Dunkelheit, die ihre heimlichen Thränen verbarg; noch hatten sie sich nur gehört, und sie fürchteten den Eindruck des Wiedersehens bei Tage und sehnten sich doch auch darnach, denn seit dem letzten Gespräch bei Gertrud hatte sie der Zufall nicht wieder zusammengeführt. Schon eine Weile waren alle verstummt, plötzlich hielt der Wagen, als theile er die allgemeine Pause.</p><lb/> <p>Was giebt's? fragte der Bäcker, aus seiner Lethargie erwachend. Ist doch nichts gebrochen? Der Fuhrmann antwortete nicht. Töffel wiederholte die Frage.</p><lb/> <p>I ne, sagte der Mann, den Kopf kratzend, gebrochen ist just nichts.</p><lb/> <p>Na, warum hält er denn auf ebenem Wege?</p><lb/> <p>Nun, meine Pferde standen nur ein bischen still.</p><lb/> <p>Was Teufel, schläft der Kerl? fragte der Bäcker.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
sah drei gute Stunden vor sich. Die Gesellschaft bestand nur aus den Brautleuten, da der Wagen bei den schlechten Wegen sonst zu sehr beladen worden wäre, auch konnte man sich ja untereinander zu Zeugen dienen.
Man war anfangs sehr munter, und Fritz und Lieschen bemühten sich, nicht durch ihre Traurigkeit aufzufallen; Gertraud sprach mehr als gewöhnlich, vielleicht, um diese den Uebrigen zu verbergen; endlich aber siegte ein Gefühl der Nüchternheit, des frühen Aufstehens, der kalten Frühluft, man ward stiller. Fritz und Lieschen freuten sich des Schweigens, das ihren Gedanken freien Lauf ließ, der schützenden Dunkelheit, die ihre heimlichen Thränen verbarg; noch hatten sie sich nur gehört, und sie fürchteten den Eindruck des Wiedersehens bei Tage und sehnten sich doch auch darnach, denn seit dem letzten Gespräch bei Gertrud hatte sie der Zufall nicht wieder zusammengeführt. Schon eine Weile waren alle verstummt, plötzlich hielt der Wagen, als theile er die allgemeine Pause.
Was giebt's? fragte der Bäcker, aus seiner Lethargie erwachend. Ist doch nichts gebrochen? Der Fuhrmann antwortete nicht. Töffel wiederholte die Frage.
I ne, sagte der Mann, den Kopf kratzend, gebrochen ist just nichts.
Na, warum hält er denn auf ebenem Wege?
Nun, meine Pferde standen nur ein bischen still.
Was Teufel, schläft der Kerl? fragte der Bäcker.
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/95>, abgerufen am 16.02.2025. |