Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sie Gesang. Gesang, ein Ton der Wonne, und wäre es der rauhste gewesen. Zwei Stimmen, eine männliche und eine weibliche, ließen das: Guter Mond, du gehst so stille In den Abendwolken hin --. durch die Oede schallen. Das fromme, milde Lied, die menschliche Nähe, Alles wirkte so gewaltsam, daß der beabsichtigte Hülfeschrei in Fritzens Kehle stecken blieb und in ein Schluchzen überging. Aber Lieschen rief desto lauter, und Mariechen überstimmte sie fast noch. Man antwortete, und nun fand der fortgesetzte Ruf und Gegenruf statt, den Suchende sich zuzuschicken pflegen; dazwischen bellte der Hund. Jetzt erschienen zwei Personen, voraus lief ein Mittelding von Pudel und Spitz und umkreiste die armen Gefangenen. Ach, es ist Fiedler's Schnappauf, rief Lieschen, das Thier erkennend, helft uns, ihr guten Leute, hier sind zwei Menschen im Moor versunken. Sie eilte den Kommenden entgegen. Gertrud! rief sie plötzlich und warf sich dem Mädchen um den Hals, in dem sie ihre liebste Freundin erkannte; und dein Bruder! Wo kommt ihr her? -- Von Bagenbruch, wo ich meine Base im Wochenbett gepflegt habe, wie du wohl weißt; mein Bruder hat mich heute geholt; aber wie kommst du hierher, und wer ist denn das? -- Ach, es ist Unterberg's Fritz und Mariechen, die ist im Moor versunken, er hat sie herausziehen wollen und ist selbst zu Grunde gegangen; die Irrlichter haben uns getückt. -- Heinrich, rief sie Gesang. Gesang, ein Ton der Wonne, und wäre es der rauhste gewesen. Zwei Stimmen, eine männliche und eine weibliche, ließen das: Guter Mond, du gehst so stille In den Abendwolken hin —. durch die Oede schallen. Das fromme, milde Lied, die menschliche Nähe, Alles wirkte so gewaltsam, daß der beabsichtigte Hülfeschrei in Fritzens Kehle stecken blieb und in ein Schluchzen überging. Aber Lieschen rief desto lauter, und Mariechen überstimmte sie fast noch. Man antwortete, und nun fand der fortgesetzte Ruf und Gegenruf statt, den Suchende sich zuzuschicken pflegen; dazwischen bellte der Hund. Jetzt erschienen zwei Personen, voraus lief ein Mittelding von Pudel und Spitz und umkreiste die armen Gefangenen. Ach, es ist Fiedler's Schnappauf, rief Lieschen, das Thier erkennend, helft uns, ihr guten Leute, hier sind zwei Menschen im Moor versunken. Sie eilte den Kommenden entgegen. Gertrud! rief sie plötzlich und warf sich dem Mädchen um den Hals, in dem sie ihre liebste Freundin erkannte; und dein Bruder! Wo kommt ihr her? — Von Bagenbruch, wo ich meine Base im Wochenbett gepflegt habe, wie du wohl weißt; mein Bruder hat mich heute geholt; aber wie kommst du hierher, und wer ist denn das? — Ach, es ist Unterberg's Fritz und Mariechen, die ist im Moor versunken, er hat sie herausziehen wollen und ist selbst zu Grunde gegangen; die Irrlichter haben uns getückt. — Heinrich, rief <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0081"/> sie Gesang. Gesang, ein Ton der Wonne, und wäre es der rauhste gewesen. Zwei Stimmen, eine männliche und eine weibliche, ließen das:</p><lb/> <lg> <l>Guter Mond, du gehst so stille</l> <l>In den Abendwolken hin —.</l> </lg> <p>durch die Oede schallen. Das fromme, milde Lied, die menschliche Nähe, Alles wirkte so gewaltsam, daß der beabsichtigte Hülfeschrei in Fritzens Kehle stecken blieb und in ein Schluchzen überging. Aber Lieschen rief desto lauter, und Mariechen überstimmte sie fast noch. Man antwortete, und nun fand der fortgesetzte Ruf und Gegenruf statt, den Suchende sich zuzuschicken pflegen; dazwischen bellte der Hund. Jetzt erschienen zwei Personen, voraus lief ein Mittelding von Pudel und Spitz und umkreiste die armen Gefangenen. Ach, es ist Fiedler's Schnappauf, rief Lieschen, das Thier erkennend, helft uns, ihr guten Leute, hier sind zwei Menschen im Moor versunken. Sie eilte den Kommenden entgegen. Gertrud! rief sie plötzlich und warf sich dem Mädchen um den Hals, in dem sie ihre liebste Freundin erkannte; und dein Bruder! Wo kommt ihr her? — Von Bagenbruch, wo ich meine Base im Wochenbett gepflegt habe, wie du wohl weißt; mein Bruder hat mich heute geholt; aber wie kommst du hierher, und wer ist denn das? — Ach, es ist Unterberg's Fritz und Mariechen, die ist im Moor versunken, er hat sie herausziehen wollen und ist selbst zu Grunde gegangen; die Irrlichter haben uns getückt. — Heinrich, rief<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0081]
sie Gesang. Gesang, ein Ton der Wonne, und wäre es der rauhste gewesen. Zwei Stimmen, eine männliche und eine weibliche, ließen das:
Guter Mond, du gehst so stille In den Abendwolken hin —.
durch die Oede schallen. Das fromme, milde Lied, die menschliche Nähe, Alles wirkte so gewaltsam, daß der beabsichtigte Hülfeschrei in Fritzens Kehle stecken blieb und in ein Schluchzen überging. Aber Lieschen rief desto lauter, und Mariechen überstimmte sie fast noch. Man antwortete, und nun fand der fortgesetzte Ruf und Gegenruf statt, den Suchende sich zuzuschicken pflegen; dazwischen bellte der Hund. Jetzt erschienen zwei Personen, voraus lief ein Mittelding von Pudel und Spitz und umkreiste die armen Gefangenen. Ach, es ist Fiedler's Schnappauf, rief Lieschen, das Thier erkennend, helft uns, ihr guten Leute, hier sind zwei Menschen im Moor versunken. Sie eilte den Kommenden entgegen. Gertrud! rief sie plötzlich und warf sich dem Mädchen um den Hals, in dem sie ihre liebste Freundin erkannte; und dein Bruder! Wo kommt ihr her? — Von Bagenbruch, wo ich meine Base im Wochenbett gepflegt habe, wie du wohl weißt; mein Bruder hat mich heute geholt; aber wie kommst du hierher, und wer ist denn das? — Ach, es ist Unterberg's Fritz und Mariechen, die ist im Moor versunken, er hat sie herausziehen wollen und ist selbst zu Grunde gegangen; die Irrlichter haben uns getückt. — Heinrich, rief
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/81>, abgerufen am 19.07.2024. |