Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gelobt, Gott sei gelobt, stammelte Lieschen, o wenn's nur fest bleibt! Es schien wirklich fest bleiben zu wollen; was war aber dabei zu thun? Beide, Fritz und Mariechen, steckten im Sumpf und konnten sich nicht rühren, und wenn Lieschen einen Schritt that, war sie gleichfalls verloren; sie schlug vor, zu gehen und Hülfe zu suchen, aber sie wußte ja nicht, wohin sich wenden, ob rechts ob links, und wie war sie sicher, die Stelle wieder zu finden, wo jene wie verzaubert standen, wer sagte ihr, daß sie nicht selbst in Untiefen gerathe, eh' sie Hülfe fände, eh' sie aus dem Moor herauskäme? Nein, rief sie, ich kann euch nicht verlassen; ach, und wenn ich bleibe, kann ich euch nicht helfen! Gott, Gott! flehte sie und warf sich auf die Kniee, hilf du uns, rette uns! Fritz hörte sie laut beten, sein Herz wurde ihm wie zermalmt, er ging in sich. Ach, Lieschen, sagte er, ich bin ein arger Sünder, und wenn ich hier sterben sollte im Moor, wo ich das Haar und das Gold mit dem Immeker vergraben wollte, hätte ich nur meinen gerechten Lohn; aber Gott rette dich, und er rette mich auch um deines Gebetes willen. -- Und mich, warum soll er mich denn nicht retten? denkt doch auch an mich, rief Mariechen; Lieschen, bete doch auch für mich! -- Bete du auch, erwiderte Lieschen, und Mariechen fing an, einen Vers aus dem Gesangbuche nach dem andern, und all ihre Konfirmationssprüche, die sie in der Kinderlehre gelernt, wie an der Schnur herzubeten, wobei gelobt, Gott sei gelobt, stammelte Lieschen, o wenn's nur fest bleibt! Es schien wirklich fest bleiben zu wollen; was war aber dabei zu thun? Beide, Fritz und Mariechen, steckten im Sumpf und konnten sich nicht rühren, und wenn Lieschen einen Schritt that, war sie gleichfalls verloren; sie schlug vor, zu gehen und Hülfe zu suchen, aber sie wußte ja nicht, wohin sich wenden, ob rechts ob links, und wie war sie sicher, die Stelle wieder zu finden, wo jene wie verzaubert standen, wer sagte ihr, daß sie nicht selbst in Untiefen gerathe, eh' sie Hülfe fände, eh' sie aus dem Moor herauskäme? Nein, rief sie, ich kann euch nicht verlassen; ach, und wenn ich bleibe, kann ich euch nicht helfen! Gott, Gott! flehte sie und warf sich auf die Kniee, hilf du uns, rette uns! Fritz hörte sie laut beten, sein Herz wurde ihm wie zermalmt, er ging in sich. Ach, Lieschen, sagte er, ich bin ein arger Sünder, und wenn ich hier sterben sollte im Moor, wo ich das Haar und das Gold mit dem Immeker vergraben wollte, hätte ich nur meinen gerechten Lohn; aber Gott rette dich, und er rette mich auch um deines Gebetes willen. — Und mich, warum soll er mich denn nicht retten? denkt doch auch an mich, rief Mariechen; Lieschen, bete doch auch für mich! — Bete du auch, erwiderte Lieschen, und Mariechen fing an, einen Vers aus dem Gesangbuche nach dem andern, und all ihre Konfirmationssprüche, die sie in der Kinderlehre gelernt, wie an der Schnur herzubeten, wobei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0079"/> gelobt, Gott sei gelobt, stammelte Lieschen, o wenn's nur fest bleibt!</p><lb/> <p>Es schien wirklich fest bleiben zu wollen; was war aber dabei zu thun? Beide, Fritz und Mariechen, steckten im Sumpf und konnten sich nicht rühren, und wenn Lieschen einen Schritt that, war sie gleichfalls verloren; sie schlug vor, zu gehen und Hülfe zu suchen, aber sie wußte ja nicht, wohin sich wenden, ob rechts ob links, und wie war sie sicher, die Stelle wieder zu finden, wo jene wie verzaubert standen, wer sagte ihr, daß sie nicht selbst in Untiefen gerathe, eh' sie Hülfe fände, eh' sie aus dem Moor herauskäme? Nein, rief sie, ich kann euch nicht verlassen; ach, und wenn ich bleibe, kann ich euch nicht helfen! Gott, Gott! flehte sie und warf sich auf die Kniee, hilf du uns, rette uns! Fritz hörte sie laut beten, sein Herz wurde ihm wie zermalmt, er ging in sich. Ach, Lieschen, sagte er, ich bin ein arger Sünder, und wenn ich hier sterben sollte im Moor, wo ich das Haar und das Gold mit dem Immeker vergraben wollte, hätte ich nur meinen gerechten Lohn; aber Gott rette dich, und er rette mich auch um deines Gebetes willen. — Und mich, warum soll er mich denn nicht retten? denkt doch auch an mich, rief Mariechen; Lieschen, bete doch auch für mich! — Bete du auch, erwiderte Lieschen, und Mariechen fing an, einen Vers aus dem Gesangbuche nach dem andern, und all ihre Konfirmationssprüche, die sie in der Kinderlehre gelernt, wie an der Schnur herzubeten, wobei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
gelobt, Gott sei gelobt, stammelte Lieschen, o wenn's nur fest bleibt!
Es schien wirklich fest bleiben zu wollen; was war aber dabei zu thun? Beide, Fritz und Mariechen, steckten im Sumpf und konnten sich nicht rühren, und wenn Lieschen einen Schritt that, war sie gleichfalls verloren; sie schlug vor, zu gehen und Hülfe zu suchen, aber sie wußte ja nicht, wohin sich wenden, ob rechts ob links, und wie war sie sicher, die Stelle wieder zu finden, wo jene wie verzaubert standen, wer sagte ihr, daß sie nicht selbst in Untiefen gerathe, eh' sie Hülfe fände, eh' sie aus dem Moor herauskäme? Nein, rief sie, ich kann euch nicht verlassen; ach, und wenn ich bleibe, kann ich euch nicht helfen! Gott, Gott! flehte sie und warf sich auf die Kniee, hilf du uns, rette uns! Fritz hörte sie laut beten, sein Herz wurde ihm wie zermalmt, er ging in sich. Ach, Lieschen, sagte er, ich bin ein arger Sünder, und wenn ich hier sterben sollte im Moor, wo ich das Haar und das Gold mit dem Immeker vergraben wollte, hätte ich nur meinen gerechten Lohn; aber Gott rette dich, und er rette mich auch um deines Gebetes willen. — Und mich, warum soll er mich denn nicht retten? denkt doch auch an mich, rief Mariechen; Lieschen, bete doch auch für mich! — Bete du auch, erwiderte Lieschen, und Mariechen fing an, einen Vers aus dem Gesangbuche nach dem andern, und all ihre Konfirmationssprüche, die sie in der Kinderlehre gelernt, wie an der Schnur herzubeten, wobei
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/79>, abgerufen am 18.07.2024. |