Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.steckens gespielt. Ihr hättet mich nur rufen sollen, ich war die ganze Zeit hinter dem Zaun! Sobald der Vater und der Bräutigam Abschied genommen hatten, suchte Lieschen Mariechen auf; sie faßte sie auf der Treppe. Was hast du mit den Haaren gemacht? fragte sie. Mariechen wollte entwischen[,] aber Lieschen zog sie gewaltsam in ihre Kammer. Mariechen erhub ein Zetergeschrei. Schrei nur, sagte Lieschen, es ist kein Mensch zu Hause, die Mutter geht ein Stück Weges mit den Männern, sie will nach dem Kartoffellande sehen. Als Mariechen hörte, daß ihr Geschrei umsonst sei, schwieg sie, wie eine Glocke, die man anhält, zu schlagen aufhört. I, so laß mich auch! brummte sie nur noch und begleitete die Worte mit Ellenbogenstößen. Gieb mir die Haare, sprach Lieschen, so sollst du gehen. Ich habe sie nicht mehr, erwiderte die Kleine. -- Wer hat sie denn? fragte Lieschen. -- Ei, wenn du's wissen willst, der Fritz hat sie! -- Der Fritz? rief Lieschen -- also wirklich! -- und zu was? -- Was weiß ich's! warf Mariechen hin. -- Was hat er dir denn gesagt? fragte die Schwester. -- Das hat er mir gesagt! rief Mariechen hastig, indem sie einen blanken Thaler aus dem Brusttuch zog und ihn einen Augenblick im Strahl der sinkenden Sonne blitzen ließ, um ihn gleich wieder in ihrem Latz zu verbergen. Es ist nicht möglich! rief Lieschen, und ohne weiter etwas zu bedenken, ließ sie die Schwester fahren und schlug den Weg zu Fritzens Hause ein. steckens gespielt. Ihr hättet mich nur rufen sollen, ich war die ganze Zeit hinter dem Zaun! Sobald der Vater und der Bräutigam Abschied genommen hatten, suchte Lieschen Mariechen auf; sie faßte sie auf der Treppe. Was hast du mit den Haaren gemacht? fragte sie. Mariechen wollte entwischen[,] aber Lieschen zog sie gewaltsam in ihre Kammer. Mariechen erhub ein Zetergeschrei. Schrei nur, sagte Lieschen, es ist kein Mensch zu Hause, die Mutter geht ein Stück Weges mit den Männern, sie will nach dem Kartoffellande sehen. Als Mariechen hörte, daß ihr Geschrei umsonst sei, schwieg sie, wie eine Glocke, die man anhält, zu schlagen aufhört. I, so laß mich auch! brummte sie nur noch und begleitete die Worte mit Ellenbogenstößen. Gieb mir die Haare, sprach Lieschen, so sollst du gehen. Ich habe sie nicht mehr, erwiderte die Kleine. — Wer hat sie denn? fragte Lieschen. — Ei, wenn du's wissen willst, der Fritz hat sie! — Der Fritz? rief Lieschen — also wirklich! — und zu was? — Was weiß ich's! warf Mariechen hin. — Was hat er dir denn gesagt? fragte die Schwester. — Das hat er mir gesagt! rief Mariechen hastig, indem sie einen blanken Thaler aus dem Brusttuch zog und ihn einen Augenblick im Strahl der sinkenden Sonne blitzen ließ, um ihn gleich wieder in ihrem Latz zu verbergen. Es ist nicht möglich! rief Lieschen, und ohne weiter etwas zu bedenken, ließ sie die Schwester fahren und schlug den Weg zu Fritzens Hause ein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0068"/> steckens gespielt. Ihr hättet mich nur rufen sollen, ich war die ganze Zeit hinter dem Zaun!</p><lb/> <p>Sobald der Vater und der Bräutigam Abschied genommen hatten, suchte Lieschen Mariechen auf; sie faßte sie auf der Treppe. Was hast du mit den Haaren gemacht? fragte sie. Mariechen wollte entwischen<supplied>,</supplied> aber Lieschen zog sie gewaltsam in ihre Kammer. Mariechen erhub ein Zetergeschrei. Schrei nur, sagte Lieschen, es ist kein Mensch zu Hause, die Mutter geht ein Stück Weges mit den Männern, sie will nach dem Kartoffellande sehen. Als Mariechen hörte, daß ihr Geschrei umsonst sei, schwieg sie, wie eine Glocke, die man anhält, zu schlagen aufhört. I, so laß mich auch! brummte sie nur noch und begleitete die Worte mit Ellenbogenstößen. Gieb mir die Haare, sprach Lieschen, so sollst du gehen. Ich habe sie nicht mehr, erwiderte die Kleine. — Wer hat sie denn? fragte Lieschen. — Ei, wenn du's wissen willst, der Fritz hat sie! — Der Fritz? rief Lieschen — also wirklich! — und zu was? — Was weiß ich's! warf Mariechen hin. — Was hat er dir denn gesagt? fragte die Schwester. — Das hat er mir gesagt! rief Mariechen hastig, indem sie einen blanken Thaler aus dem Brusttuch zog und ihn einen Augenblick im Strahl der sinkenden Sonne blitzen ließ, um ihn gleich wieder in ihrem Latz zu verbergen. Es ist nicht möglich! rief Lieschen, und ohne weiter etwas zu bedenken, ließ sie die Schwester fahren und schlug den Weg zu Fritzens Hause ein.</p><lb/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
steckens gespielt. Ihr hättet mich nur rufen sollen, ich war die ganze Zeit hinter dem Zaun!
Sobald der Vater und der Bräutigam Abschied genommen hatten, suchte Lieschen Mariechen auf; sie faßte sie auf der Treppe. Was hast du mit den Haaren gemacht? fragte sie. Mariechen wollte entwischen, aber Lieschen zog sie gewaltsam in ihre Kammer. Mariechen erhub ein Zetergeschrei. Schrei nur, sagte Lieschen, es ist kein Mensch zu Hause, die Mutter geht ein Stück Weges mit den Männern, sie will nach dem Kartoffellande sehen. Als Mariechen hörte, daß ihr Geschrei umsonst sei, schwieg sie, wie eine Glocke, die man anhält, zu schlagen aufhört. I, so laß mich auch! brummte sie nur noch und begleitete die Worte mit Ellenbogenstößen. Gieb mir die Haare, sprach Lieschen, so sollst du gehen. Ich habe sie nicht mehr, erwiderte die Kleine. — Wer hat sie denn? fragte Lieschen. — Ei, wenn du's wissen willst, der Fritz hat sie! — Der Fritz? rief Lieschen — also wirklich! — und zu was? — Was weiß ich's! warf Mariechen hin. — Was hat er dir denn gesagt? fragte die Schwester. — Das hat er mir gesagt! rief Mariechen hastig, indem sie einen blanken Thaler aus dem Brusttuch zog und ihn einen Augenblick im Strahl der sinkenden Sonne blitzen ließ, um ihn gleich wieder in ihrem Latz zu verbergen. Es ist nicht möglich! rief Lieschen, und ohne weiter etwas zu bedenken, ließ sie die Schwester fahren und schlug den Weg zu Fritzens Hause ein.
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/68>, abgerufen am 16.02.2025. |