Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.einleiten sollte, es ist also wahr, daß Ihr geheime Kräfte besitzt -- Das werd' ich jedem Narren aufbinden! fuhr der Immeker heraus. Fritz schwieg, als habe ihn Jemand aufs Maul geschlagen. Dann sagte er leise: Ich werd's Niemand verrathen. Das sagt Jeder! brummte der Immeker. Ich habe ja Niemand, fuhr Fritz fort, dem ich was verrathen könnte; kein Weib und kein Kind, keine Mutter und keine Magd, ich bin ganz allein, und mein Mädchen -- das fischt mir der reiche Baumann weg! Der Immeker räusperte sich und schwieg. Was ist da zu thun, Mann? drängte ihn Fritz. Zu thun! Was da zu thun ist, wißt Ihr so gut als ich, erwiderte jener rauh. Wer sich nicht selbst zu rathen weiß, dem hilft auch kein Anderer nicht. Er strich sich den langen Schnurrbart und wies eine weiße Reihe Zähne, deren plötzlicher Anblick etwas Thierisches hatte. -- Wie soll ich ihn beißen? fragte in natürlichster Ideenverbindung Fritz. Er ist reich! Ist der reichen Leute Fleisch fester als anderer Menschen? Nein, nein! rief Fritz lebhaft. Ich weiß, Ihr habt Gewalt über Leben und Tod, und kann Euch Keiner was drum anhaben; so seid denn ein Richter einleiten sollte, es ist also wahr, daß Ihr geheime Kräfte besitzt — Das werd' ich jedem Narren aufbinden! fuhr der Immeker heraus. Fritz schwieg, als habe ihn Jemand aufs Maul geschlagen. Dann sagte er leise: Ich werd's Niemand verrathen. Das sagt Jeder! brummte der Immeker. Ich habe ja Niemand, fuhr Fritz fort, dem ich was verrathen könnte; kein Weib und kein Kind, keine Mutter und keine Magd, ich bin ganz allein, und mein Mädchen — das fischt mir der reiche Baumann weg! Der Immeker räusperte sich und schwieg. Was ist da zu thun, Mann? drängte ihn Fritz. Zu thun! Was da zu thun ist, wißt Ihr so gut als ich, erwiderte jener rauh. Wer sich nicht selbst zu rathen weiß, dem hilft auch kein Anderer nicht. Er strich sich den langen Schnurrbart und wies eine weiße Reihe Zähne, deren plötzlicher Anblick etwas Thierisches hatte. — Wie soll ich ihn beißen? fragte in natürlichster Ideenverbindung Fritz. Er ist reich! Ist der reichen Leute Fleisch fester als anderer Menschen? Nein, nein! rief Fritz lebhaft. Ich weiß, Ihr habt Gewalt über Leben und Tod, und kann Euch Keiner was drum anhaben; so seid denn ein Richter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057"/> einleiten sollte, es ist also wahr, daß Ihr geheime Kräfte besitzt —</p><lb/> <p>Das werd' ich jedem Narren aufbinden! fuhr der Immeker heraus.</p><lb/> <p>Fritz schwieg, als habe ihn Jemand aufs Maul geschlagen. Dann sagte er leise: Ich werd's Niemand verrathen.</p><lb/> <p>Das sagt Jeder! brummte der Immeker.</p><lb/> <p>Ich habe ja Niemand, fuhr Fritz fort, dem ich was verrathen könnte; kein Weib und kein Kind, keine Mutter und keine Magd, ich bin ganz allein, und mein Mädchen — das fischt mir der reiche Baumann weg!</p><lb/> <p>Der Immeker räusperte sich und schwieg.</p><lb/> <p>Was ist da zu thun, Mann? drängte ihn Fritz.</p><lb/> <p>Zu thun! Was da zu thun ist, wißt Ihr so gut als ich, erwiderte jener rauh. Wer sich nicht selbst zu rathen weiß, dem hilft auch kein Anderer nicht. Er strich sich den langen Schnurrbart und wies eine weiße Reihe Zähne, deren plötzlicher Anblick etwas Thierisches hatte. — Wie soll ich ihn beißen? fragte in natürlichster Ideenverbindung Fritz. Er ist reich!</p><lb/> <p>Ist der reichen Leute Fleisch fester als anderer Menschen?</p><lb/> <p>Nein, nein! rief Fritz lebhaft. Ich weiß, Ihr habt Gewalt über Leben und Tod, und kann Euch Keiner was drum anhaben; so seid denn ein Richter<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
einleiten sollte, es ist also wahr, daß Ihr geheime Kräfte besitzt —
Das werd' ich jedem Narren aufbinden! fuhr der Immeker heraus.
Fritz schwieg, als habe ihn Jemand aufs Maul geschlagen. Dann sagte er leise: Ich werd's Niemand verrathen.
Das sagt Jeder! brummte der Immeker.
Ich habe ja Niemand, fuhr Fritz fort, dem ich was verrathen könnte; kein Weib und kein Kind, keine Mutter und keine Magd, ich bin ganz allein, und mein Mädchen — das fischt mir der reiche Baumann weg!
Der Immeker räusperte sich und schwieg.
Was ist da zu thun, Mann? drängte ihn Fritz.
Zu thun! Was da zu thun ist, wißt Ihr so gut als ich, erwiderte jener rauh. Wer sich nicht selbst zu rathen weiß, dem hilft auch kein Anderer nicht. Er strich sich den langen Schnurrbart und wies eine weiße Reihe Zähne, deren plötzlicher Anblick etwas Thierisches hatte. — Wie soll ich ihn beißen? fragte in natürlichster Ideenverbindung Fritz. Er ist reich!
Ist der reichen Leute Fleisch fester als anderer Menschen?
Nein, nein! rief Fritz lebhaft. Ich weiß, Ihr habt Gewalt über Leben und Tod, und kann Euch Keiner was drum anhaben; so seid denn ein Richter
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Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/57>, abgerufen am 16.02.2025. |