Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zu. Was giebt's denn da im Garten? fragte jetzt auch die Mutter, den Kopf aus dem Fenster steckend. I, die Spitzbuben wollten Birnen stehlen! hörte Lieschen den Vater antworten. -- Wer denn? -- Weiß ich's? Sie haben nicht gewartet, bis ich kam. -- Ob er wirklich Verdacht geschöpft, ob ihre schnelle Erscheinung am Kammerfenster ihn getäuscht, oder ob er es politischer fand, getäuscht zu scheinen, ward der Tochter nicht klar. Sie legte sich nieder; es war ihr so leicht ums Herz, daß sie mit Fritzen sprechen können; seit langer Zeit schlief sie einmal wieder sanft und gut. Fritz kehrte unangefochten in sein einsames Häuschen am äußersten Dorfende zurück; als aber der erste Eindruck der Freude über ihr beiderseitiges Entkommen vorüber war, sagte er zu sich selbst: Wie hab' ich mich darauf gefreut, sie heute Nacht zu sprechen, und was habe ich nun davon als Betrübniß? Sie sagte freilich "zum letztenmal", aber wer glaubte das? Ich dachte, ich beredete sie wohl -- nun hat sie mich beredet. Ja, das Weibsvolk! Was das will -- O Lieschen, Lieschen! Hätte ich das gedacht, daß das so bald ein Ende nehmen sollte? Aber versprochen habe ich ihr doch nichts? Nein, ich habe ihr nichts versprochen! Der Bäcker, der reiche Bäcker! Ach, wenn ich doch reich wäre, wenn ich doch reich wäre! -- Er warf sich in seinem Bette herum und schmiedete tausend Pläne reich zu werden, die er alle wieder verwarf, weil sie entweder an und für sich unhaltbar waren, oder weil zu allen Zeit ge- zu. Was giebt's denn da im Garten? fragte jetzt auch die Mutter, den Kopf aus dem Fenster steckend. I, die Spitzbuben wollten Birnen stehlen! hörte Lieschen den Vater antworten. — Wer denn? — Weiß ich's? Sie haben nicht gewartet, bis ich kam. — Ob er wirklich Verdacht geschöpft, ob ihre schnelle Erscheinung am Kammerfenster ihn getäuscht, oder ob er es politischer fand, getäuscht zu scheinen, ward der Tochter nicht klar. Sie legte sich nieder; es war ihr so leicht ums Herz, daß sie mit Fritzen sprechen können; seit langer Zeit schlief sie einmal wieder sanft und gut. Fritz kehrte unangefochten in sein einsames Häuschen am äußersten Dorfende zurück; als aber der erste Eindruck der Freude über ihr beiderseitiges Entkommen vorüber war, sagte er zu sich selbst: Wie hab' ich mich darauf gefreut, sie heute Nacht zu sprechen, und was habe ich nun davon als Betrübniß? Sie sagte freilich „zum letztenmal“, aber wer glaubte das? Ich dachte, ich beredete sie wohl — nun hat sie mich beredet. Ja, das Weibsvolk! Was das will — O Lieschen, Lieschen! Hätte ich das gedacht, daß das so bald ein Ende nehmen sollte? Aber versprochen habe ich ihr doch nichts? Nein, ich habe ihr nichts versprochen! Der Bäcker, der reiche Bäcker! Ach, wenn ich doch reich wäre, wenn ich doch reich wäre! — Er warf sich in seinem Bette herum und schmiedete tausend Pläne reich zu werden, die er alle wieder verwarf, weil sie entweder an und für sich unhaltbar waren, oder weil zu allen Zeit ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0049"/> zu. Was giebt's denn da im Garten? fragte jetzt auch die Mutter, den Kopf aus dem Fenster steckend. I, die Spitzbuben wollten Birnen stehlen! hörte Lieschen den Vater antworten. — Wer denn? — Weiß ich's? Sie haben nicht gewartet, bis ich kam. — Ob er wirklich Verdacht geschöpft, ob ihre schnelle Erscheinung am Kammerfenster ihn getäuscht, oder ob er es politischer fand, getäuscht zu scheinen, ward der Tochter nicht klar. Sie legte sich nieder; es war ihr so leicht ums Herz, daß sie mit Fritzen sprechen können; seit langer Zeit schlief sie einmal wieder sanft und gut.</p><lb/> <p>Fritz kehrte unangefochten in sein einsames Häuschen am äußersten Dorfende zurück; als aber der erste Eindruck der Freude über ihr beiderseitiges Entkommen vorüber war, sagte er zu sich selbst: Wie hab' ich mich darauf gefreut, sie heute Nacht zu sprechen, und was habe ich nun davon als Betrübniß? Sie sagte freilich „zum letztenmal“, aber wer glaubte das? Ich dachte, ich beredete sie wohl — nun hat sie mich beredet. Ja, das Weibsvolk! Was das will — O Lieschen, Lieschen! Hätte ich das gedacht, daß das so bald ein Ende nehmen sollte? Aber versprochen habe ich ihr doch nichts? Nein, ich habe ihr nichts versprochen! Der Bäcker, der reiche Bäcker! Ach, wenn ich doch reich wäre, wenn ich doch reich wäre! — Er warf sich in seinem Bette herum und schmiedete tausend Pläne reich zu werden, die er alle wieder verwarf, weil sie entweder an und für sich unhaltbar waren, oder weil zu allen Zeit ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
zu. Was giebt's denn da im Garten? fragte jetzt auch die Mutter, den Kopf aus dem Fenster steckend. I, die Spitzbuben wollten Birnen stehlen! hörte Lieschen den Vater antworten. — Wer denn? — Weiß ich's? Sie haben nicht gewartet, bis ich kam. — Ob er wirklich Verdacht geschöpft, ob ihre schnelle Erscheinung am Kammerfenster ihn getäuscht, oder ob er es politischer fand, getäuscht zu scheinen, ward der Tochter nicht klar. Sie legte sich nieder; es war ihr so leicht ums Herz, daß sie mit Fritzen sprechen können; seit langer Zeit schlief sie einmal wieder sanft und gut.
Fritz kehrte unangefochten in sein einsames Häuschen am äußersten Dorfende zurück; als aber der erste Eindruck der Freude über ihr beiderseitiges Entkommen vorüber war, sagte er zu sich selbst: Wie hab' ich mich darauf gefreut, sie heute Nacht zu sprechen, und was habe ich nun davon als Betrübniß? Sie sagte freilich „zum letztenmal“, aber wer glaubte das? Ich dachte, ich beredete sie wohl — nun hat sie mich beredet. Ja, das Weibsvolk! Was das will — O Lieschen, Lieschen! Hätte ich das gedacht, daß das so bald ein Ende nehmen sollte? Aber versprochen habe ich ihr doch nichts? Nein, ich habe ihr nichts versprochen! Der Bäcker, der reiche Bäcker! Ach, wenn ich doch reich wäre, wenn ich doch reich wäre! — Er warf sich in seinem Bette herum und schmiedete tausend Pläne reich zu werden, die er alle wieder verwarf, weil sie entweder an und für sich unhaltbar waren, oder weil zu allen Zeit ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/49 |
Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/49>, abgerufen am 22.07.2024. |