Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.Anmerckungen. chen Todes-Fällen hören, sie auf die Gedan-cken kommen, als ob sie auch noch eines sol- chen Todes sterben würden; allein, wie ich oben bewiesen, so entstehet die Furcht und Ein- bildung eines selbsterwehlten Todes nicht alle- mahl aus Sünden-Angst, und Furcht der Verdammniß, sondern auch aus einem kran- cken Leibe, schwachem Haupte, natürlichen Schwermuth, und Melancholia hypochon- driaca, oder auch wohl aus angesteckter Phan- tasie, obwohl zuweilen hernach hohe Versu- chungen, und zweifelhaffte Gedancken wegen des Gnaden-Standes dazuschlagen. Jn- dessen kan den Mangel des Autoris, der mir nicht einfallen will, dasjenige ersetzen, was Herr D. Marperger in seiner Warnung vor dem Selbst-Mord denen, die wegen Miltz- Kranckheit mit Furcht, und Einbildung gepla- get werden, p. 72. 87. und 88. zum Troste ge- schrieben. ** Jch könte noch viel andere seltsame Würckun- gen einer starcken, oder auch wohl verletzten Imagination oder Einbildung anführen, muß es aber vor dißmahl bey diesem wenigen bewenden laßen. Jch wundere mich, daß die neuen Phi- losophi, die doch so viel von der menschlichen Seele in ihren Schrifften zu reden wissen, diesen Punct von der Phantasie und ihren Würckun- gen, welchen Malebranche und Lock weitläufftig abgehandelt, entweder gar nicht berühren, oder doch viel zu wenig davon schreiben, als es die Wichtigkeit der Sachen erfordert. Jch bin B b b 3
Anmerckungen. chen Todes-Faͤllen hoͤren, ſie auf die Gedan-cken kommen, als ob ſie auch noch eines ſol- chen Todes ſterben wuͤrden; allein, wie ich oben bewieſen, ſo entſtehet die Furcht und Ein- bildung eines ſelbſterwehlten Todes nicht alle- mahl aus Suͤnden-Angſt, und Furcht der Verdammniß, ſondern auch aus einem kran- cken Leibe, ſchwachem Haupte, natuͤrlichen Schwermuth, und Melancholia hypochon- driaca, oder auch wohl aus angeſteckter Phan- taſie, obwohl zuweilen hernach hohe Verſu- chungen, und zweifelhaffte Gedancken wegen des Gnaden-Standes dazuſchlagen. Jn- deſſen kan den Mangel des Autoris, der mir nicht einfallen will, dasjenige erſetzen, was Herr D. Marperger in ſeiner Warnung vor dem Selbſt-Mord denen, die wegen Miltz- Kranckheit mit Furcht, und Einbildung gepla- get werden, p. 72. 87. und 88. zum Troſte ge- ſchrieben. ** Jch koͤnte noch viel andere ſeltſame Wuͤrckun- gen einer ſtarcken, oder auch wohl verletzten Imagination oder Einbildung anfuͤhren, muß es aber vor dißmahl bey dieſem wenigen bewenden laßen. Jch wundere mich, daß die neuen Phi- loſophi, die doch ſo viel von der menſchlichen Seele in ihren Schrifften zu reden wiſſen, dieſen Punct von der Phantaſie und ihren Wuͤrckun- gen, welchen Malebranche und Lock weitlaͤufftig abgehandelt, entweder gar nicht beruͤhren, oder doch viel zu wenig davon ſchreiben, als es die Wichtigkeit der Sachen erfordert. Jch bin B b b 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="en01" prev="#er01" place="end" n="*"><pb facs="#f0803" n="757"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anmerckungen.</hi></fw><lb/> chen Todes-Faͤllen hoͤren, ſie auf die Gedan-<lb/> cken kommen, als ob ſie auch noch eines ſol-<lb/> chen Todes ſterben wuͤrden; allein, wie ich<lb/> oben bewieſen, ſo entſtehet die Furcht und Ein-<lb/> bildung eines ſelbſterwehlten Todes nicht alle-<lb/> mahl aus Suͤnden-Angſt, und Furcht der<lb/> Verdammniß, ſondern auch aus einem kran-<lb/> cken Leibe, ſchwachem Haupte, natuͤrlichen<lb/> Schwermuth, und <hi rendition="#aq">Melancholia hypochon-<lb/> driaca,</hi> oder auch wohl aus angeſteckter <hi rendition="#aq">Phan-<lb/> taſi</hi>e, obwohl zuweilen hernach hohe Verſu-<lb/> chungen, und zweifelhaffte Gedancken wegen<lb/> des Gnaden-Standes dazuſchlagen. Jn-<lb/> deſſen kan den Mangel des <hi rendition="#aq">Autoris,</hi> der mir<lb/> nicht einfallen will, dasjenige erſetzen, was<lb/> Herr <hi rendition="#aq">D. Marperger</hi> in ſeiner <hi rendition="#fr">Warnung vor<lb/> dem Selbſt-Mord</hi> denen, die wegen Miltz-<lb/> Kranckheit mit Furcht, und Einbildung gepla-<lb/> get werden, <hi rendition="#aq">p.</hi> 72. 87. und 88. zum Troſte ge-<lb/> ſchrieben.</note><lb/> <note xml:id="en02" prev="#er02" place="end" n="**">Jch koͤnte noch viel andere ſeltſame Wuͤrckun-<lb/> gen einer ſtarcken, oder auch wohl verletzten<lb/><hi rendition="#aq">Imagination</hi> oder Einbildung anfuͤhren, muß es<lb/> aber vor dißmahl bey dieſem wenigen bewenden<lb/> laßen. Jch wundere mich, daß die neuen <hi rendition="#aq">Phi-<lb/> loſophi,</hi> die doch ſo viel von der menſchlichen<lb/> Seele in ihren Schrifften zu reden wiſſen, dieſen<lb/><hi rendition="#aq">Punct</hi> von der <hi rendition="#aq">Phantaſi</hi>e und ihren Wuͤrckun-<lb/> gen, welchen <hi rendition="#aq">Malebranche</hi> und <hi rendition="#aq">Lock</hi> weitlaͤufftig<lb/> abgehandelt, entweder gar nicht beruͤhren, oder<lb/> doch viel zu wenig davon ſchreiben, als es die<lb/> Wichtigkeit der Sachen erfordert. Jch bin<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B b b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ſehr</fw><lb/></note> </div> </body> </text> </TEI> [757/0803]
Anmerckungen.
*
chen Todes-Faͤllen hoͤren, ſie auf die Gedan-
cken kommen, als ob ſie auch noch eines ſol-
chen Todes ſterben wuͤrden; allein, wie ich
oben bewieſen, ſo entſtehet die Furcht und Ein-
bildung eines ſelbſterwehlten Todes nicht alle-
mahl aus Suͤnden-Angſt, und Furcht der
Verdammniß, ſondern auch aus einem kran-
cken Leibe, ſchwachem Haupte, natuͤrlichen
Schwermuth, und Melancholia hypochon-
driaca, oder auch wohl aus angeſteckter Phan-
taſie, obwohl zuweilen hernach hohe Verſu-
chungen, und zweifelhaffte Gedancken wegen
des Gnaden-Standes dazuſchlagen. Jn-
deſſen kan den Mangel des Autoris, der mir
nicht einfallen will, dasjenige erſetzen, was
Herr D. Marperger in ſeiner Warnung vor
dem Selbſt-Mord denen, die wegen Miltz-
Kranckheit mit Furcht, und Einbildung gepla-
get werden, p. 72. 87. und 88. zum Troſte ge-
ſchrieben.
** Jch koͤnte noch viel andere ſeltſame Wuͤrckun-
gen einer ſtarcken, oder auch wohl verletzten
Imagination oder Einbildung anfuͤhren, muß es
aber vor dißmahl bey dieſem wenigen bewenden
laßen. Jch wundere mich, daß die neuen Phi-
loſophi, die doch ſo viel von der menſchlichen
Seele in ihren Schrifften zu reden wiſſen, dieſen
Punct von der Phantaſie und ihren Wuͤrckun-
gen, welchen Malebranche und Lock weitlaͤufftig
abgehandelt, entweder gar nicht beruͤhren, oder
doch viel zu wenig davon ſchreiben, als es die
Wichtigkeit der Sachen erfordert. Jch bin
ſehr
B b b 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |