und auch noch seyn mögen, auch so gar unter Lehrern und Predigern, so daß bey denselben die Schwachheit des Leibes mit der Schwachheit des Gemüths, des Geistes, und des Glaubens zuweiln verknüpfft ist; Und die man endlich wohl noch in dem gemeinem Wesen, und viel- leicht auch so gar in der Kirchen zu vieler Nutzen würde brauchen können, daferne man sie nur recht kennte, und sie nicht vor gefährlicher hielte, als sie sind, sondern klüglich und vernünfftig mit ihnen umgienge. Denn so lange die Welt ste- het, hat durch GOttes weise Regierung der furchtsame, traurige, und melancholische Theil des menschlichen Geschlechts den grösten Nutzen schaffen, und den cholerischen, und sangui- nischen Theil desselben, oder den Zorn und Wut der Hochmüthigen, und die Ausschweiffungen der Wollüstigen im Zaum halten, und ein- schräncken müssen. Denn, wenn auch bey dergleichen Leuten ihr alter Mensch, (der sich gern in Jrrthum verderbet,) so schüchtern er sonst ist, ein- und das andere mahl in Reli- gions- und Glaubens-Sachen solte trotzig wer- den, und, wie eine Schnecke, seine vier, fünff Hörner herausrecken; ich bin versichert, wenn man nur mit einem Finger auf ihn dipte, so solte er gar bald, wie bey mir geschehen, seine Hörner wieder einziehen. Auch ein Onesimus kan auf
eine
Summariſcher Abriß,
und auch noch ſeyn moͤgen, auch ſo gar unter Lehrern und Predigern, ſo daß bey denſelben die Schwachheit des Leibes mit der Schwachheit des Gemuͤths, des Geiſtes, und des Glaubens zuweiln verknuͤpfft iſt; Und die man endlich wohl noch in dem gemeinem Weſen, und viel- leicht auch ſo gar in der Kirchen zu vieler Nutzen wuͤrde brauchen koͤnnen, daferne man ſie nur recht kennte, und ſie nicht vor gefaͤhrlicher hielte, als ſie ſind, ſondern kluͤglich und vernuͤnfftig mit ihnen umgienge. Denn ſo lange die Welt ſte- het, hat durch GOttes weiſe Regierung der furchtſame, traurige, und melancholiſche Theil des menſchlichen Geſchlechts den groͤſten Nutzen ſchaffen, und den choleriſchen, und ſangui- niſchen Theil deſſelben, oder den Zorn und Wut der Hochmuͤthigen, und die Ausſchweiffungen der Wolluͤſtigen im Zaum halten, und ein- ſchraͤncken muͤſſen. Denn, wenn auch bey dergleichen Leuten ihr alter Menſch, (der ſich gern in Jrrthum verderbet,) ſo ſchuͤchtern er ſonſt iſt, ein- und das andere mahl in Reli- gions- und Glaubens-Sachen ſolte trotzig wer- den, und, wie eine Schnecke, ſeine vier, fuͤnff Hoͤrner herausrecken; ich bin verſichert, wenn man nur mit einem Finger auf ihn dipte, ſo ſolte er gar bald, wie bey mir geſchehen, ſeine Hoͤrner wieder einziehen. Auch ein Oneſimus kan auf
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Summariſcher Abriß,
und auch noch ſeyn moͤgen, auch ſo gar unter
Lehrern und Predigern, ſo daß bey denſelben die
Schwachheit des Leibes mit der Schwachheit
des Gemuͤths, des Geiſtes, und des Glaubens
zuweiln verknuͤpfft iſt; Und die man endlich
wohl noch in dem gemeinem Weſen, und viel-
leicht auch ſo gar in der Kirchen zu vieler Nutzen
wuͤrde brauchen koͤnnen, daferne man ſie nur
recht kennte, und ſie nicht vor gefaͤhrlicher hielte,
als ſie ſind, ſondern kluͤglich und vernuͤnfftig mit
ihnen umgienge. Denn ſo lange die Welt ſte-
het, hat durch GOttes weiſe Regierung der
furchtſame, traurige, und melancholiſche Theil
des menſchlichen Geſchlechts den groͤſten Nutzen
ſchaffen, und den choleriſchen, und ſangui-
niſchen Theil deſſelben, oder den Zorn und Wut
der Hochmuͤthigen, und die Ausſchweiffungen
der Wolluͤſtigen im Zaum halten, und ein-
ſchraͤncken muͤſſen. Denn, wenn auch bey
dergleichen Leuten ihr alter Menſch, (der ſich
gern in Jrrthum verderbet,) ſo ſchuͤchtern
er ſonſt iſt, ein- und das andere mahl in Reli-
gions- und Glaubens-Sachen ſolte trotzig wer-
den, und, wie eine Schnecke, ſeine vier, fuͤnff
Hoͤrner herausrecken; ich bin verſichert, wenn
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er gar bald, wie bey mir geſchehen, ſeine Hoͤrner
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 752. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/798>, abgerufen am 22.11.2024.
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