mache mich ihrer Sünden mit theilhafftig. Denn wenn ihnen kein Mensch was gäbe, so würden sie der Obrigkeit gehorsam seyn, und das Herumlauffen einstellen. So dachte ich, und doch plagte mich auf der andern Seite GOttes sein Wort, welches befiehlet, den Armen mitzu- theilen, so daß ich etliche mahl unsägliche Angst und Unruhe gehabt, sowohl wenn ich gegeben, als wenn ich nicht gegeben, weil ich das Gebot GOttes mit dem Verbot der Obrigkeit nicht vereinigen können. Der soll mir einen großen Gefallen erzeigen, der diese Sache untersuchen, und mir seine Gedancken eröffnen wird. Mei- nes Erachtens wäre es gut, wenn die Obrigkei- ten bey den Bettler-Mandaten eine Exception machten, und den Reichen darinnen erlaubten, so offt diesem und jenem Armen mitzutheilen, so offt sie durch starcke Gründe befinden würden, daß der Arme, den sie vor sich haben, höchst elend sey, und unter diejenigen ruchlosen und bösen nicht gehöre, um welcher willen das Gebot gestellet worden. Weil ich vermuthet, daß das der Sinn des Obrigkeitlichen Verbots sey, obgleich nicht alles so mit Worten ausgedrücket, so habe ich mich nach der Zeit nach solchem geachtet, und diesen Un- terscheid in acht genommen, und GOtte zu geben getrachtet, was GOttes ist, und der Obrig- keit zu geben, was der Obrigkeit ist.
Anno
er einem Bettler gegeben,
mache mich ihrer Suͤnden mit theilhafftig. Denn wenn ihnen kein Menſch was gaͤbe, ſo wuͤrden ſie der Obrigkeit gehorſam ſeyn, und das Herumlauffen einſtellen. So dachte ich, und doch plagte mich auf der andern Seite GOttes ſein Wort, welches befiehlet, den Armen mitzu- theilen, ſo daß ich etliche mahl unſaͤgliche Angſt und Unruhe gehabt, ſowohl wenn ich gegeben, als wenn ich nicht gegeben, weil ich das Gebot GOttes mit dem Verbot der Obrigkeit nicht vereinigen koͤnnen. Der ſoll mir einen großen Gefallen erzeigen, der dieſe Sache unterſuchen, und mir ſeine Gedancken eroͤffnen wird. Mei- nes Erachtens waͤre es gut, wenn die Obrigkei- ten bey den Bettler-Mandaten eine Exception machten, und den Reichen darinnen erlaubten, ſo offt dieſem und jenem Armen mitzutheilen, ſo offt ſie durch ſtarcke Gruͤnde befinden wuͤrden, daß der Arme, den ſie vor ſich haben, hoͤchſt elend ſey, und unter diejenigen ruchloſen und boͤſen nicht gehoͤre, um welcher willen das Gebot geſtellet worden. Weil ich vermuthet, daß das der Sinn des Obrigkeitlichen Verbots ſey, obgleich nicht alles ſo mit Worten ausgedruͤcket, ſo habe ich mich nach der Zeit nach ſolchem geachtet, und dieſen Un- terſcheid in acht genommen, und GOtte zu geben getrachtet, was GOttes iſt, und der Obrig- keit zu geben, was der Obrigkeit iſt.
Anno
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0780"n="734"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">er einem Bettler gegeben,</hi></fw><lb/>
mache mich ihrer Suͤnden mit theilhafftig.<lb/>
Denn wenn ihnen kein Menſch was gaͤbe, ſo<lb/>
wuͤrden ſie der Obrigkeit gehorſam ſeyn, und das<lb/>
Herumlauffen einſtellen. So dachte ich, und<lb/>
doch plagte mich auf der andern Seite GOttes<lb/>ſein Wort, welches befiehlet, den Armen mitzu-<lb/>
theilen, ſo daß ich etliche mahl unſaͤgliche Angſt<lb/>
und Unruhe gehabt, ſowohl wenn ich gegeben,<lb/>
als wenn ich nicht gegeben, weil ich das Gebot<lb/>
GOttes mit dem Verbot der Obrigkeit nicht<lb/>
vereinigen koͤnnen. Der ſoll mir einen großen<lb/>
Gefallen erzeigen, der dieſe Sache unterſuchen,<lb/>
und mir ſeine Gedancken eroͤffnen wird. Mei-<lb/>
nes Erachtens waͤre es gut, wenn die Obrigkei-<lb/>
ten bey den Bettler-<hirendition="#aq">Mandat</hi>en eine <hirendition="#aq">Exception</hi><lb/>
machten, und den Reichen darinnen erlaubten, ſo<lb/>
offt dieſem und jenem Armen mitzutheilen, ſo offt<lb/>ſie durch ſtarcke Gruͤnde befinden wuͤrden, daß<lb/>
der Arme, den ſie vor ſich haben, hoͤchſt elend ſey,<lb/>
und unter diejenigen ruchloſen und boͤſen nicht<lb/>
gehoͤre, um welcher willen das Gebot geſtellet<lb/>
worden. Weil ich vermuthet, daß das der Sinn<lb/>
des Obrigkeitlichen Verbots ſey, obgleich nicht<lb/>
alles ſo mit Worten ausgedruͤcket, ſo habe ich mich<lb/>
nach der Zeit nach ſolchem geachtet, und dieſen Un-<lb/>
terſcheid in acht genommen, und <hirendition="#fr">GOtte zu geben<lb/>
getrachtet, was GOttes iſt,</hi> und <hirendition="#fr">der Obrig-<lb/>
keit zu geben, was der Obrigkeit iſt.</hi></p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">Anno</hi></fw><lb/></body></text></TEI>
[734/0780]
er einem Bettler gegeben,
mache mich ihrer Suͤnden mit theilhafftig.
Denn wenn ihnen kein Menſch was gaͤbe, ſo
wuͤrden ſie der Obrigkeit gehorſam ſeyn, und das
Herumlauffen einſtellen. So dachte ich, und
doch plagte mich auf der andern Seite GOttes
ſein Wort, welches befiehlet, den Armen mitzu-
theilen, ſo daß ich etliche mahl unſaͤgliche Angſt
und Unruhe gehabt, ſowohl wenn ich gegeben,
als wenn ich nicht gegeben, weil ich das Gebot
GOttes mit dem Verbot der Obrigkeit nicht
vereinigen koͤnnen. Der ſoll mir einen großen
Gefallen erzeigen, der dieſe Sache unterſuchen,
und mir ſeine Gedancken eroͤffnen wird. Mei-
nes Erachtens waͤre es gut, wenn die Obrigkei-
ten bey den Bettler-Mandaten eine Exception
machten, und den Reichen darinnen erlaubten, ſo
offt dieſem und jenem Armen mitzutheilen, ſo offt
ſie durch ſtarcke Gruͤnde befinden wuͤrden, daß
der Arme, den ſie vor ſich haben, hoͤchſt elend ſey,
und unter diejenigen ruchloſen und boͤſen nicht
gehoͤre, um welcher willen das Gebot geſtellet
worden. Weil ich vermuthet, daß das der Sinn
des Obrigkeitlichen Verbots ſey, obgleich nicht
alles ſo mit Worten ausgedruͤcket, ſo habe ich mich
nach der Zeit nach ſolchem geachtet, und dieſen Un-
terſcheid in acht genommen, und GOtte zu geben
getrachtet, was GOttes iſt, und der Obrig-
keit zu geben, was der Obrigkeit iſt.
Anno
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/780>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.