noch ärger. Mein Lebtage hat es mir nicht so geschienen, als wenn ich wider besser Wissen und Gewissen thäte, als dasselbe mahl, bis hernach GOtt um Pfingsten mein Gewissen und Seele beruhigte.
§. 158.
Gegen Johanne gieng es nicht viel anders her. Jch hatte einen Pfuscher, der mir gewisse Dinge arbeitete, und also kein Meister war. Jch lag und schlief einst nach Mittage in guter Ruhe; aber ehe ich michs versahe, nachdem ich erwache, fällt mir ein, daß ich mich fremder Sünden theilhafftig machte. Ein Pfuscher, dachte ich, hat kein Jus und kein Recht, Arbeit über sich zu nehmen, so den Meistern zukommt. Er begehet eine Injustice gegen die Meister, und schwächet ihr Recht, was ihnen die Obrigkeit concediret: ihr Recht ist auch so groß, daß sie, wie wohl eher geschehen, Action wider die Pfu- scher anstellen, und die Obrigkeit zum Beystand wider dieselben anruffen können. Stehet ihnen die Obrigkeit nicht allemahl bey, wie sie wün- schen, so wird dieselbe sehen, wie sie es verant- worte; ich sehe inzwischen nicht, wie ich einen Pfuscher könne mit gutem Gewissen brauchen; denn da bin ich Causa moralis, und die Ursache mit, daß er in seinem unerlaubten Nahrungs- Wesen verharret, und andern ihre Jura und
Rechte
ingleichen wegen
noch aͤrger. Mein Lebtage hat es mir nicht ſo geſchienen, als wenn ich wider beſſer Wiſſen und Gewiſſen thaͤte, als daſſelbe mahl, bis hernach GOtt um Pfingſten mein Gewiſſen und Seele beruhigte.
§. 158.
Gegen Johanne gieng es nicht viel anders her. Jch hatte einen Pfuſcher, der mir gewiſſe Dinge arbeitete, und alſo kein Meiſter war. Jch lag und ſchlief einſt nach Mittage in guter Ruhe; aber ehe ich michs verſahe, nachdem ich erwache, faͤllt mir ein, daß ich mich fremder Suͤnden theilhafftig machte. Ein Pfuſcher, dachte ich, hat kein Jus und kein Recht, Arbeit uͤber ſich zu nehmen, ſo den Meiſtern zukommt. Er begehet eine Injuſtice gegen die Meiſter, und ſchwaͤchet ihr Recht, was ihnen die Obrigkeit concediret: ihr Recht iſt auch ſo groß, daß ſie, wie wohl eher geſchehen, Action wider die Pfu- ſcher anſtellen, und die Obrigkeit zum Beyſtand wider dieſelben anruffen koͤnnen. Stehet ihnen die Obrigkeit nicht allemahl bey, wie ſie wuͤn- ſchen, ſo wird dieſelbe ſehen, wie ſie es verant- worte; ich ſehe inzwiſchen nicht, wie ich einen Pfuſcher koͤnne mit gutem Gewiſſen brauchen; denn da bin ich Cauſa moralis, und die Urſache mit, daß er in ſeinem unerlaubten Nahrungs- Weſen verharret, und andern ihre Jura und
Rechte
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ingleichen wegen
noch aͤrger. Mein Lebtage hat es mir nicht ſo
geſchienen, als wenn ich wider beſſer Wiſſen und
Gewiſſen thaͤte, als daſſelbe mahl, bis hernach
GOtt um Pfingſten mein Gewiſſen und Seele
beruhigte.
§. 158.
Gegen Johanne gieng es nicht viel anders
her. Jch hatte einen Pfuſcher, der mir gewiſſe
Dinge arbeitete, und alſo kein Meiſter war.
Jch lag und ſchlief einſt nach Mittage in guter
Ruhe; aber ehe ich michs verſahe, nachdem ich
erwache, faͤllt mir ein, daß ich mich fremder
Suͤnden theilhafftig machte. Ein Pfuſcher,
dachte ich, hat kein Jus und kein Recht, Arbeit
uͤber ſich zu nehmen, ſo den Meiſtern zukommt.
Er begehet eine Injuſtice gegen die Meiſter, und
ſchwaͤchet ihr Recht, was ihnen die Obrigkeit
concediret: ihr Recht iſt auch ſo groß, daß ſie,
wie wohl eher geſchehen, Action wider die Pfu-
ſcher anſtellen, und die Obrigkeit zum Beyſtand
wider dieſelben anruffen koͤnnen. Stehet ihnen
die Obrigkeit nicht allemahl bey, wie ſie wuͤn-
ſchen, ſo wird dieſelbe ſehen, wie ſie es verant-
worte; ich ſehe inzwiſchen nicht, wie ich einen
Pfuſcher koͤnne mit gutem Gewiſſen brauchen;
denn da bin ich Cauſa moralis, und die Urſache
mit, daß er in ſeinem unerlaubten Nahrungs-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 728. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/774>, abgerufen am 22.12.2024.
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