geschah auch dazumahl. Den ersten Tag nach dem Aderlaßen kam um Vesper-Zeit ein vor- nehmer Mann zu mir, dessen Sohne ich einige Gefälligkeit und Liebes-Dienste erzeigen solte. Weil er mein großer Gönner und Wohlthäter iederzeit gewesen, so fiel mir es harte ihm abzu- schlagen, was er bat; und gleichwol war ich um Vesper-Zeit so schwach, daß ich es ihm un- möglich so gleich versprechen konte. Jch gerieth in Pro- und Contra-Streit, ja ich fürchtete gar, es könte als eine Liebloßigkeit, und als eine wider das Gewissen lauffende Sache angese- hen werden, wenn ich ihm nicht darinnen grati- ficiren solte. Jch muste aber doch, weil das Ubel den folgenden Tag noch größer wurde, bey ihm depreciren lassen. Jch sage, den folgen- den Tag; denn des Abends wurde die Schwach- heit des Hauptes noch größer, und übertraf noch das, was ich Anno 1717. Sonntags Pal- marum erfahren müssen. Jch habe nach diesem manchmahl an Lutheri Worte gedacht, wenn er Tom. VI. fol. 83. von sich aus eigener Erfah- rung schreibt: Der Teufel weiß seineArgu- mentawohl anzusetzen und vorzubringen, und hat eine schwere starcke Sprache, und gehen solcheDisputationesnicht mit vielem und langen Bedencken zu, sondern alle Au- genblicke ist ein Wort ums andere, und ich
habe
gar zu einer andern Zeit,
geſchah auch dazumahl. Den erſten Tag nach dem Aderlaßen kam um Veſper-Zeit ein vor- nehmer Mann zu mir, deſſen Sohne ich einige Gefaͤlligkeit und Liebes-Dienſte erzeigen ſolte. Weil er mein großer Goͤnner und Wohlthaͤter iederzeit geweſen, ſo fiel mir es harte ihm abzu- ſchlagen, was er bat; und gleichwol war ich um Veſper-Zeit ſo ſchwach, daß ich es ihm un- moͤglich ſo gleich verſprechen konte. Jch gerieth in Pro- und Contra-Streit, ja ich fuͤrchtete gar, es koͤnte als eine Liebloßigkeit, und als eine wider das Gewiſſen lauffende Sache angeſe- hen werden, wenn ich ihm nicht darinnen grati- ficiren ſolte. Jch muſte aber doch, weil das Ubel den folgenden Tag noch groͤßer wurde, bey ihm depreciren laſſen. Jch ſage, den folgen- den Tag; denn des Abends wurde die Schwach- heit des Hauptes noch groͤßer, und uͤbertraf noch das, was ich Anno 1717. Sonntags Pal- marum erfahren muͤſſen. Jch habe nach dieſem manchmahl an Lutheri Worte gedacht, wenn er Tom. VI. fol. 83. von ſich aus eigener Erfah- rung ſchreibt: Der Teufel weiß ſeineArgu- mentawohl anzuſetzen und vorzubringen, und hat eine ſchwere ſtarcke Sprache, und gehen ſolcheDiſputationesnicht mit vielem und langen Bedencken zu, ſondern alle Au- genblicke iſt ein Wort ums andere, und ich
habe
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gar zu einer andern Zeit,
geſchah auch dazumahl. Den erſten Tag nach
dem Aderlaßen kam um Veſper-Zeit ein vor-
nehmer Mann zu mir, deſſen Sohne ich einige
Gefaͤlligkeit und Liebes-Dienſte erzeigen ſolte.
Weil er mein großer Goͤnner und Wohlthaͤter
iederzeit geweſen, ſo fiel mir es harte ihm abzu-
ſchlagen, was er bat; und gleichwol war ich
um Veſper-Zeit ſo ſchwach, daß ich es ihm un-
moͤglich ſo gleich verſprechen konte. Jch gerieth
in Pro- und Contra-Streit, ja ich fuͤrchtete
gar, es koͤnte als eine Liebloßigkeit, und als
eine wider das Gewiſſen lauffende Sache angeſe-
hen werden, wenn ich ihm nicht darinnen grati-
ficiren ſolte. Jch muſte aber doch, weil das
Ubel den folgenden Tag noch groͤßer wurde, bey
ihm depreciren laſſen. Jch ſage, den folgen-
den Tag; denn des Abends wurde die Schwach-
heit des Hauptes noch groͤßer, und uͤbertraf
noch das, was ich Anno 1717. Sonntags Pal-
marum erfahren muͤſſen. Jch habe nach dieſem
manchmahl an Lutheri Worte gedacht, wenn
er Tom. VI. fol. 83. von ſich aus eigener Erfah-
rung ſchreibt: Der Teufel weiß ſeine Argu-
menta wohl anzuſetzen und vorzubringen,
und hat eine ſchwere ſtarcke Sprache, und
gehen ſolche Diſputationes nicht mit vielem
und langen Bedencken zu, ſondern alle Au-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/764>, abgerufen am 24.11.2024.
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