vor andern distinguirte. Der gehet zu allem Unglück in eine scharffe Predigt, die occasione des Herrn Wincklers gehalten wurde, da er ohne Zweifel seine Imagination mit fürchterlichen Ideen noch mehr angesteckt, indem seine Melan- choley von langer Zeit her bekannt gewesen, und der, wie ich aus allen seinen Reden schließen kan, welche seine Frau von ihm gehöret, unter dieje- nigen auch zu zehlen ist, die mit schrecklicher Furcht geplaget gewesen, daß sie sich ein Leid thun werden. Denn wie mir seine Frau, da sie noch wegen Ungewißheit seines Todes höchst bekümmert war, erzehlet, so hat er auf die Letzte vor allem gezittert und gebebet, was ihm nur zu thun aufgetragen worden, als ob er nicht geschickt seyn würde, solches zu verrichten, wenn es gleich geringe Sachen gewesen, welches aller Melan- cholicorum Eigenschafft und Proprium in quarto ist. Er hatte auch, da er aus einer ge- wissen Predigt zurücke gekommen, zu ihr gespro- chen: Ach der liebe Mann hat keine Er- fahrung, und weiß nicht alle Gattungen der Selbst-Mörder, und wie manchen zu- vor zu Muthe ist, die sich hernach selbst Ge- walt thun. Der, und der weiß es einem anders zu sagen, woher es komme, und muß ihm darinnen wegen eigener Erfah- rung Recht geben. Und was braucht es viel
den
ſo daß alle Goͤttliche
vor andern diſtinguirte. Der gehet zu allem Ungluͤck in eine ſcharffe Predigt, die occaſione des Herrn Wincklers gehalten wurde, da er ohne Zweifel ſeine Imagination mit fuͤrchterlichen Idéen noch mehr angeſteckt, indem ſeine Melan- choley von langer Zeit her bekannt geweſen, und der, wie ich aus allen ſeinen Reden ſchließen kan, welche ſeine Frau von ihm gehoͤret, unter dieje- nigen auch zu zehlen iſt, die mit ſchrecklicher Furcht geplaget geweſen, daß ſie ſich ein Leid thun werden. Denn wie mir ſeine Frau, da ſie noch wegen Ungewißheit ſeines Todes hoͤchſt bekuͤmmert war, erzehlet, ſo hat er auf die Letzte vor allem gezittert und gebebet, was ihm nur zu thun aufgetragen worden, als ob er nicht geſchickt ſeyn wuͤrde, ſolches zu verrichten, wenn es gleich geringe Sachen geweſen, welches aller Melan- cholicorum Eigenſchafft und Proprium in quarto iſt. Er hatte auch, da er aus einer ge- wiſſen Predigt zuruͤcke gekommen, zu ihr geſpro- chen: Ach der liebe Mann hat keine Er- fahrung, und weiß nicht alle Gattungen der Selbſt-Moͤrder, und wie manchen zu- vor zu Muthe iſt, die ſich hernach ſelbſt Ge- walt thun. Der, und der weiß es einem anders zu ſagen, woher es komme, und muß ihm darinnen wegen eigener Erfah- rung Recht geben. Und was braucht es viel
den
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[712/0758]
ſo daß alle Goͤttliche
vor andern diſtinguirte. Der gehet zu allem
Ungluͤck in eine ſcharffe Predigt, die occaſione
des Herrn Wincklers gehalten wurde, da er ohne
Zweifel ſeine Imagination mit fuͤrchterlichen
Idéen noch mehr angeſteckt, indem ſeine Melan-
choley von langer Zeit her bekannt geweſen, und
der, wie ich aus allen ſeinen Reden ſchließen kan,
welche ſeine Frau von ihm gehoͤret, unter dieje-
nigen auch zu zehlen iſt, die mit ſchrecklicher
Furcht geplaget geweſen, daß ſie ſich ein Leid
thun werden. Denn wie mir ſeine Frau, da
ſie noch wegen Ungewißheit ſeines Todes hoͤchſt
bekuͤmmert war, erzehlet, ſo hat er auf die Letzte
vor allem gezittert und gebebet, was ihm nur zu
thun aufgetragen worden, als ob er nicht geſchickt
ſeyn wuͤrde, ſolches zu verrichten, wenn es gleich
geringe Sachen geweſen, welches aller Melan-
cholicorum Eigenſchafft und Proprium in
quarto iſt. Er hatte auch, da er aus einer ge-
wiſſen Predigt zuruͤcke gekommen, zu ihr geſpro-
chen: Ach der liebe Mann hat keine Er-
fahrung, und weiß nicht alle Gattungen
der Selbſt-Moͤrder, und wie manchen zu-
vor zu Muthe iſt, die ſich hernach ſelbſt Ge-
walt thun. Der, und der weiß es einem
anders zu ſagen, woher es komme, und
muß ihm darinnen wegen eigener Erfah-
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 712. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/758>, abgerufen am 28.11.2024.
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