sie wäre freylich gar eines elenden Todes gestor- ben, oder was er vor undeutliche Wörter sagte, so daß es schiene, als ob er mit der Sprache nicht heraus wolte. Jch weiß nicht, ob er meine Schwester mit eines andern Menschen Todes-Fall confundiret, oder was ihn so dun- ckel zu reden veranlasset. Weil ich ohnedem einen Leib voller Bangigkeit und Furcht überall mit herum trug, so erschrecke ich, und komme auf die Gedancken, als ob meine Schwester ei- nes unnatürlichen Todes gestorben; da sie doch gar nicht gestorben war, welches ich erst hernach zu Anfange des Herbstes erfuhr. Zu eben der Zeit, da ich mich über den Tod meiner Schwe- ster noch ängstete, und auf meine Briefe noch keine Antwort bekommen hatte, brach der er- bärmliche Tod des Raths-Herrn, Wincklers, aus. Ein Medicus erzehlte mir, daß er ein Weib an der Melancholie zu curiren hätte, die in schreckliche Angst, Furcht, und Einbildung gerathen; es werde mit ihr auch noch so ein Ende nehmen; insonderheit könne sie sich nicht drein finden, daß dieser Mann zuvor gesungen und gebetet, und sein Gebet-Buch noch auf dem Tische gelegen hätte. Unfehlbar war der arme Mann kurtz zuvor vom Verstande gekom- men. Denn einige Jahre zuvor wurde er schon einst seines Verstandes beraubet, daß er auch bey
duncke-
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bey Anhoͤrung etlicher
ſie waͤre freylich gar eines elenden Todes geſtor- ben, oder was er vor undeutliche Woͤrter ſagte, ſo daß es ſchiene, als ob er mit der Sprache nicht heraus wolte. Jch weiß nicht, ob er meine Schweſter mit eines andern Menſchen Todes-Fall confundiret, oder was ihn ſo dun- ckel zu reden veranlaſſet. Weil ich ohnedem einen Leib voller Bangigkeit und Furcht uͤberall mit herum trug, ſo erſchrecke ich, und komme auf die Gedancken, als ob meine Schweſter ei- nes unnatuͤrlichen Todes geſtorben; da ſie doch gar nicht geſtorben war, welches ich erſt hernach zu Anfange des Herbſtes erfuhr. Zu eben der Zeit, da ich mich uͤber den Tod meiner Schwe- ſter noch aͤngſtete, und auf meine Briefe noch keine Antwort bekommen hatte, brach der er- baͤrmliche Tod des Raths-Herrn, Wincklers, aus. Ein Medicus erzehlte mir, daß er ein Weib an der Melancholie zu curiren haͤtte, die in ſchreckliche Angſt, Furcht, und Einbildung gerathen; es werde mit ihr auch noch ſo ein Ende nehmen; inſonderheit koͤnne ſie ſich nicht drein finden, daß dieſer Mann zuvor geſungen und gebetet, und ſein Gebet-Buch noch auf dem Tiſche gelegen haͤtte. Unfehlbar war der arme Mann kurtz zuvor vom Verſtande gekom- men. Denn einige Jahre zuvor wurde er ſchon einſt ſeines Verſtandes beraubet, daß er auch bey
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bey Anhoͤrung etlicher
ſie waͤre freylich gar eines elenden Todes geſtor-
ben, oder was er vor undeutliche Woͤrter ſagte,
ſo daß es ſchiene, als ob er mit der Sprache
nicht heraus wolte. Jch weiß nicht, ob er
meine Schweſter mit eines andern Menſchen
Todes-Fall confundiret, oder was ihn ſo dun-
ckel zu reden veranlaſſet. Weil ich ohnedem
einen Leib voller Bangigkeit und Furcht uͤberall
mit herum trug, ſo erſchrecke ich, und komme
auf die Gedancken, als ob meine Schweſter ei-
nes unnatuͤrlichen Todes geſtorben; da ſie doch
gar nicht geſtorben war, welches ich erſt hernach
zu Anfange des Herbſtes erfuhr. Zu eben der
Zeit, da ich mich uͤber den Tod meiner Schwe-
ſter noch aͤngſtete, und auf meine Briefe noch
keine Antwort bekommen hatte, brach der er-
baͤrmliche Tod des Raths-Herrn, Wincklers,
aus. Ein Medicus erzehlte mir, daß er ein
Weib an der Melancholie zu curiren haͤtte, die
in ſchreckliche Angſt, Furcht, und Einbildung
gerathen; es werde mit ihr auch noch ſo ein
Ende nehmen; inſonderheit koͤnne ſie ſich nicht
drein finden, daß dieſer Mann zuvor geſungen
und gebetet, und ſein Gebet-Buch noch auf
dem Tiſche gelegen haͤtte. Unfehlbar war der
arme Mann kurtz zuvor vom Verſtande gekom-
men. Denn einige Jahre zuvor wurde er ſchon
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/755>, abgerufen am 24.11.2024.
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